Dynamo Dresden als Beispiel: Der HSV muss nachjustieren

Dynamo Dresden als Beispiel: Der HSV muss nachjustieren

Die wenigsten können das wirklich gut. Denn wenn man sich mit einer Mannschaft identifiziert – ob nun als direkt involvierter oder als Fan – der kühl-analytische Blick auf ein Spiel ist direkt nach Schlusspfiff selten möglich. Und während einige sagen, das gehöre zum Business nunmal dazu, gefallen mit die emotionaleren Trainer-Statements nach Schlusspfiff allein deswegen schon besser, weil sie ehrlicher sind. Nicht immer inhaltlich korrekter – aber eben nicht so weichgespühlt phrasenbehaftet und emotionslos. Solch emotionale Statements zeigen mir nämlich auch, dass sich die- oder derjenige mit seiner Aufgabe identifiziert. Frei nach dem Motto: Was Dich nicht interessiert, regt Dich auch nicht auf. Von daher: Feuer frei und raus mit Deiner Meinung!

Am Tag danach darf man indes schon eine inhaltlich klarere Analyse einfordern. So, wie heute von Sportdirektor Michael Mutzel. „Wenn man das nackte Ergebnis sieht, ist sicherlich Enttäuschung da. Andererseits haben uns die Art und Weise, wie die Jungs das in der ersten und teilweise in der zweiten Halbzeit gemacht haben, durchaus positiv gestimmt. Es war für alle – auch für die Zuschauer auf den Rängen – erkennbar, dass sie das zweite Tor unbedingt wollten. Wir hatten in der ersten Hälfte sehr viele Momente, wo wir das Spiel hätten entscheiden können. In der zweiten Halbzeit haben wir dann zu viele falsche Entscheidungen getroffen“, so Mutzel, der entschuldigend hinzufügte: „Das Trainerteam ist jetzt erst sechs, sieben Wochen da. Da ist klar, dass nicht alles funktioniert. Wichtiger als das ist aber, dass die Mannschaft das Spielsystem des Trainers annimmt, sich Chancen kreiert – und dann hoffentlich im nächsten Spiel auch wieder mehr nutzt.“

Der HSV muss seinen Fokus noch mal nachschärfen

Man müsse vor allem konsequent spielen. Und das über die kompletten 90 Minuten, wie es Trainer Tim Walter gestern schon direkt nach dem Spiel moniert hatte. „Wir brauchen schon das ganze Spiel. Wenn das Spiel immer nur eine Halbzeit wäre, dann wäre es toll“, so Walter und fügte hinzu: „Wir hatten ein paar Probleme in der zweiten Halbzeit, weil uns ein bisschen der Mut gefehlt hat, noch mehr Fußball zu spielen.“ Zudem habe „die letzte Gier gefehlt, unbedingt das Tor machen zu wollen“, was heute Mutzel ebenfalls als Schlussfolgerung der langen Spielanalyse vermeldete. Man habe vielleicht gedacht, dass es etwas zu leicht würde, dass man sich auch mit weniger Aufwand Torchancen erspielen könne, so Mutzel.

Soll heißen: Der Weg ist schon gut, aber er darf nicht das Ziel sein. Dafür zählen im Fußball am Ende nur die Ergebnisse und die daraus resultierenden Punkte. Der Fokus auf den abschließenden Erfolg – ob als Tor oder Gesamtsieg im Spiel – muss demnach beim HSV noch einmal nachgeschärft werden. Wie man das hinbekommen will? „Durch Trainingsarbeit“, so Mutzel, „in dem Spiel gegen Dynamo hat man gesehen, dass wir ganz viele Momente hatten, wo wir Tore hätten machen müssen. Es ist sicher gut, wie viele Chancen wir kreiert haben. Aber wir müssen mehr daraus machen.“

Das würde das Trainierteam in den kommenden Wochen im Training berücksichtigen. Wie lange das dauern kann? Lange. Das weiß ich aus meiner aktiven Zeit. Normalerweise ist ein solcher Prozess sogar nie ganz abgeschlossen. Und im Spiel gegen Dresden haben schon einige Dinge sehr gut funktioniert. Man hat den Gegner immer schnell wieder unter Druck setzen können, hat offensiv gepresst, hatte viele Positionswechsel im Spiel und ist extrem viel gelaufen. Hinzu kamen viele gut herausgearbeitete Torgelegenheiten. Die Frage ist für mich bei allem aber: Kann eine Mannschaft einen solch hohen Kraftaufwand eine ganze Saison durchhalten?

Reicht der Kader für diesen Aufwand?

Ich befürchte: nein. Als Beispiel hierfür hatte ich gestern schon Ludovit Reis genannt. Der war in der ersten Hälfte sensationell viel und aggressiv unterwegs. Sein Tor krönte seine starke Leistung. Allerdings baute er auch auffällig stark ab in der zweiten Hälfte, machte Fehler und musste letztlich ersetzt werden. „Lauf‘ ohne Rücksicht auf Verluste,  bis Du nicht mehr kannst“ hieß es früher oft mit dem Zusatz, „dafür haben wir ja die starke Bank.“ Und das kann man auch beim HSV so handhaben. Logisch! Aber die Frage ist, ob der Kader in der aktuellen Konstellation dafür schon ausreicht. Allein der Ausfall von Jonas Meffert hatte gegen Dresden schon eine Unruhe gestiftet, die aus Trainersicht entscheidend war. Apropos: Leider steht bei Meffert, dem es nach Aussagen von Mutzel und Walter an sich ganz gut geht, das Pokalspiel am Sonntag bei Eintracht Braunschweig auch noch auf der Kippe. Ein Schleudertrauma habe er davongetragen, so Mutzel.

Der Sportdirektor sprach ansonsten davon, dass man mit dem aktuellen Kader glücklich sei, aber dass man eben auch immer noch bereit wäre, sich zu verstärken, sofern Verstärkungen realisierbar sind. Ich persönlich glaube, dass man defensiv tatsächlich ausreichend gewappnet ist und hier nur noch einen zweiten oder dritten Keeper mit Potenzial bräuchte. Ansonsten wären nur noch Abgänge für mich ein Grund, nachzubessern. Zum Beispiel der des zweifellos unzufriedenen – aber lange nicht murrenden – Toni Leistner. Oder auch bei einem Abgang von Josha Vagnoman, der speziell in England schon verschiedene Interessenten hat. Heute berichtete „Sky UK“, dass der englische Aufsteiger FC Brentford an einem Transfer des Außenverteidigers interessiert sein soll. Meinem Kenntnisstand nach gibt es zudem noch weitere Klubs von der Insel – auf die Vagnoman selbst aber nicht zwingend wechseln will. Vielmehr möchte Vagnoman gern beim HSV bleiben, wie ich gehört habe.

In der Abwehr, für die der HSV ja zudem auch noch Maximilian Rohr und Moritz Heyer als variabel einsetzbare Spieler  (können beide Mittelfeld und Innenverteidiger spielen) hat, muss man aktuell nichts machen. Anders als im Mittelfeld. Auf der Sechs sehe ich nach dem Abgang von Amadou Onana (Mutzel: „Sein Transfer befindet sich in den letzten Zügen“) nur noch Rohr und Heyer als Ersatz für einen etwaigen Meffert-Ausfall. David Kinsombi, den ich gegen Dresden schon etwas besser fand als gegen Schalke, sehe ich nicht auf der alleinigen Sechs. Ebenso wenig Klaus Gjasula, der aus meiner Sicht einfach nicht das Tempo hat, um diese Position allein zu spielen in einem so offensiv ausgerichteten Spiel wie unter Walter.

Ein Sechster und ein Zehner würden helfen

Ebenso sehe ich auf der Zehn durchaus noch Bedarf. Zumindest für die Spiele, in denen Walter nicht im 4-3-3 spielen lässt. Rodrigo Zalazar (war letzte Saison von Eintracht Frankfurt an den FC St. Pauli verliehen) wäre hier eine gute Option gewesen, aber der wechselt zum FC Schalke. Ansonsten aber hat der HSV hier nicht Kompromissspieler, also umfunktionierte Spieler. Und was ich davon halte, habe ich in den letzten Jahren gefühlt in jedem zweiten Blog bemängelt. Ergo: Es gibt durchaus noch Positionen, auf denen der HSV Ausfälle seiner Erstbesetzungen nur sehr schwer kompensieren kann. Und angesichts des sehr kraftaufwändigen Spiels des HSV ist die Wahrscheinlichkeit von verletzungsbedingten Ausfällen eher höher als zuvor.

Apropos: Heute beim Auslaufen waren alle eingesetzten Spieler bis auf Meffert dabei, während Jeremy Dudziak, Josha Vagnoman und auch Anssi Suhohnen bei den Ersatzspielern mitwirkten und für das Wochenende wieder einsetzbar sein sollten. Morgen dürfen aber auch sie sich einen Tag lang erholen, ehe es am Mittwoch wieder auf den Platz geht. Ich werde indes morgen früh wieder um 7.30 Uhr mit dem MorningCall bei Euch sein.

Bis dahin!

Scholle 

Ein Mal ist kein Mal….

Ein Mal ist kein Mal….

Ein gelungener Auftakt mit vielen positiven Ansätzen und einigen Punkten, die noch dringend verbessert werden müssen. So hat auch Trainer Tim Walter den 3:1-Auswärtssieg bei Dynamo Dresden eingeordnet. Und ich finde, er liegt damit sehr richtig. Von einer „falschen Euphorie“ ist bei mir bislang nichts angekommen. Im Gegenteil: Ich habe sehr wohl das Gefühl, dass alle wissen, das sie den Auswärtssieg mit einem Heimsieg erst bestätigen müssen. Frei nach dem Motto: „Ein Mal ist kein Mal“… Und nicht nur gegen Dresden muss der HSV aaserste Ergebnis bestätigen, sondern über die gesamten 33 Spieltage. „Wir haben jetzt 33 Spieltage Zeit, die Dinge zu verbessern, die noch besser werden müssen“, hatte Walter gesagt – und es damit auf den Punkt gebracht. Eine andere Sache ist die, die hier von „Abraeumer“ sehr ausführlich und von anderen User/innen angeführt wird: das System Walter.

Und darüber lässt sich natürlich diskutieren, solange die Saison läuft. Auch auf Schalke hätte der HSV durchaus mehr als das eine Gegentor fangen müssen. Und darauf verlassen, dass Keeper Daniel Heuer Fernandes jedes Mal so einen sensationell guten Tag erwischt, kann man sich realistisch betrachtet nicht. Vielmehr muss die Balance, die auch Walter vor der Saison als eine seiner Haupt-Baustellen angekündigt hatte, erst noch gefunden werden.

Aber: Sowohl für das Gute wie auch für das Negative am ersten Spieltag gilt: Es war eben auch erst das erste Spiel. Die Mannschaft wird sich im Laufe der Zeit bestenfalls stabilisieren und das System Walter nicht nur verinnerlichen, sondern automatisieren. Und hierbei halte ich es mit Hannes Wolf, der es wie folgt beschrieb: „Es macht als neutraler Zuschauer einfach Spaß, Tim-Walter-Fußball zu schauen. Tim Walter ist spektakulär, in seiner Art Fußball spielen zu lassen“, sagte Wolf. „Es gibt ganz viele Positionswechsel. Plötzlich spielt der Innenverteidiger außen und der Außenverteidiger auf der Sechs. Das sieht man bei keiner anderen Mannschaft. Das ist extrem mutig. Ich finde es total interessant, total spannend und total spektakulär.“ Und so ist es.

Das viele „spektakuläre“ aber birgt eben auch sehr viele Risiken, die ich noch lange nicht abgestellt sehe. Und Walter zum Glück auch nicht. Mit anderen Worten: Alle wissen, dass der Start zwar gut war – dass es aber alles noch besser werden muss. Sich wie beim Gegentreffer auf Schalke von einem Nicht-Sprinter wie Terodde auskontern zu lassen sollte das erste Alarmzeichen sein. Das darf nicht passieren! Auch wenn keine Mannschaft der Welt gegen so einen unnötigen Ballverluste wie dem von Gyamerah gefeit ist – die Absicherung muss immer gegeben sein. Wobei in diesem Fall sogar ausreichend Abwehrspieler hinten waren (5 gegen vier Schalke). Es wurde nur einfach schlecht umgeschaltet und dementsprechend Terodde aus den Augen verloren.

Apropos verloren: Das gilt auch für Amadou Onana, den der HSV wohl abschreiben kann. Der Belgier hatte sich schon beim Spiel gegen Basel seltsam verhalten und auf mich gewirkt, als sei er höchst unzufrieden – was sich inzwischen bestätigt hat. Denn der Belgier will unbedingt weg, hat in Frankreich beim OSC Lille und offenbar auch bei Stade Rennes Interessen geweckt. Und sollte die Ablösesumme am Ende stimmen, wird Onana gehen. Sieben Millionen Euro zuzüglich etwaiger Prämie im Millionenbereich und eine Weiterverkaufsbeteiligung sind die Voraussetzungen vom HSV, der heute übrigens im Gegensatz zu einigen Interpretationen hier frei hatte.

Von mir soll es das für heute mit diesem kurzen Update gewesen sein. Ich melde mich morgen wieder bei Euch und werde Euch dabei neben dem MorningCall (ab 7.30 Uhr) und den tagesaktuellen Neuigkeiten auch ein paar Themen in eigener Sache ansprechen möchte. Nichts Schlimmes – aber sehr viel Interessantes tut sich derzeit rund um den Blog MoinVolkspark! Und dabei nehmen wir Euch selbstverständlich voll mit…!

In diesem Sinne, bis morgen!

Scholle

HSV gewinnt letzten Test – Schonlau neuer Kapitän

HSV gewinnt letzten Test – Schonlau neuer Kapitän

Endlich wieder Fußball im Volksparkstadion – MIT Zuschauern! Dachte ich mir auf der Hinfahrt über die zugestellte A7, die ich mit viel Glück dann doch noch Höhe Eidelstedt verlassen konnte. Anders wäre ich definitiv auch nicht pünktlich gewesen. Aber so schaffte ich es knappe 45 Minuten vor Anpfiff im Stadion zu sein und noch etwas von der Stadionshow unseres Freundes Stübi mitzubekommen. Der machte es gewohnt gut. Auch er hatte sichtlich mehr Spaß mit den knapp 4000 Zuschauern im Stadion als in den letzten Saisonspielen, wo er auf uns Journalisten und ein paar Angestellte einreden durfte. Nein, es war schon wieder ein Hauch Normalität zu verspüren. Und es wäre schön, wenn sich die Werte so verhalten, dass der Fußball risikofrei wieder mit Zuschauern stattfinden kann. HSV-Trainer Tim Walter nach dem erfolgreichen letzten Test gegen Basel: „Die Atmosphäre im Stadion war heute sehr gut. Es macht einfach Spaß, wieder vor Zuschauern zu spielen. Ich hoffe, dass uns die Fans auch gegen Dynamo Dresden so tatkräftig unterstützen, denn genau das brauchen wir.“

Aber das nur vorweg, denn heute ging es nicht um die äußeren Umstände sondern um den letzten Test vor dem Saisonauftakt gegen den Schweizer Champions-League-Teilnehmer FC Basel, der gleich nach einer Minute die erste Großchance hatte. Und das aus einer Szene, die wir vielleicht häufiger durchstehen müssen. Denn neue HSV-Trainer Tim Walter will, dass seine Mannschaft möglichst viele Situationen möglichst oft fußballerisch löst.

Soll heißen: Den berühmten „langen Hafer“ wird es nicht allzu oft zu sehen geben, auch wenn er manchmal besser wäre – wie eben in dieser ersten Minute. Da bekam Keeper Daniel Heuer Fernandes den Ball auf Höhe des Fünfmeterraums zugespielt und wollte zwischen drei Baselern hindurch den umzingelten Jonas David anspielen, der auch sofort attackiert wurde – und den Ball verlor. Das sichere 0:1 wurde nur durch ein Hamburger Bein verhindert, das den Schuss gerade noch blocken konnte.

Jonas David begeistert Walter

Aber es war ein Fingerzeig – zum einen generell für die Saison. Aber auch heute für die Mannschaft, schneller zu spielen, als zuletzt gegen die qualitativ deutlich schwächer einzustufenden Dänen aus Silkeborg. Ansonsten würde es ungemütlich. Und das nicht nur heute. Denn das hoch stehende, auf Offensive ausgelegte Spiel Walters birgt neben vielen Offensivaktionen eben auch Räume für den Gegner zu kontern. Eine auch Walter selbst bekannte und einkalkulierte Schwäche in seinem System, die es dringend noch auszubalancieren gilt.

Eine wichtige Rolle in Walters System hat auch Sebastian Schonlau, der in der Innenverteidigung gesetzt sein dürfte, zumal er vom Trainer zum neuen Mannschaftskapitän bestimmt wurde. Und ehrlich gesagt gefiel mir der Nachfolger von Tim Leibold heute in der ersten Halbzeit am besten von allen 22 Spielern auf dem Platz. Der Neuzugang aus Paderborn wusste mit spielerischer Ruhe, sehr starkem Stellungs- und sicherem Aufbauspiel in einem ansonsten sehr zähen und von vielen kleinen Fehlern geprägten Spiel zu gefallen. Er machte es seinem jungen Nebenmann Jonas David nach der frühen Schrecksekund auch leicht, schnell wieder Fuß zu fassen. Wobei Jonas David vom Trainer erneut in den höchsten Tönen gelobt wurde. Seine Belohnung: Ein Startelfplatz und ein Platz im neuen Mannschaftsrat, den Walter bestimmt hat.

Aber Torchancen im Spiel? NULL. Und zwar genau bis zu dem Moment, wo ich diesen Satz beendet hatte. Denn da kam der HSV endlich auch zu seiner ersten Großchance. Der aktive David Kinsombi kam rechts frei an den Ball, flankte und fand Manuel Wintzheimer, der per Direktannahme ebenso wie Bakery Jatta im Nachschuss an Basels Keeper Heinz Lindner scheiterte. Noch – denn vier Minuten später war der Ball dann drin. Robert Glatzel legte kurz hinter der Mittellinie per Hacke auf Wintzheimer, der den Ball in vollem Lauf mitnahm, gekonnt am letzten Mann der Baseler vorbeilegte und allein auf Lindner zulief. Dass er es am Ende nicht selbst war, der abschloss – geschenkt!

Walter findet seine Stammelf – Fingerzeig gegen Basel

Es war Wintzheimers Tor – und damit dessen dritter Treffer in der Vorbereitung. Vor allem war es auch der Halbzeitstand. Etwas überraschend für mich war, dass der Trainer zur zweiten Halbzeit erst einmal nichts veränderte. Ein Wink für den ersten Spieltag am kommenden Freitag beim FC Schalke? Gut möglich! Zumindest deutete Walter an, dass die heutige Startelf die aktuell leistungsstärkste Elf aus seiner Sicht sei. Aber: Ich hoffe, dass bis zum kommenden Freitag Amadou Onana wieder voll da ist und dann eine Verstärkung wird. Sein Tempo und seine Zweikampfstärke in der zentralen Defensive neben den spielstarken Jonas Meffert, Ludovit Reis und David Kinsombi könnte passen – sofern Walter im 4-4-2-System spielen und nicht wie heute in der zweite Halbzeit auf 4-3-3 umstellt. 

Wobei mir Glatzel/Wintzheimer im Paket gut gefallen haben. Allerdings brachte auch Mikkel Kaufmann nach seiner Einwechslung Dampf ins Spiel. Der Däne hatte zumindest gleich in der 61. Und 65. Minute zwei gute Torraumszenen, die die Schweizer allerdings zu vereiteln wussten. Ebenso wie Miro Muheim übrigens auf der anderen Seite keine 60 Sekunden nach seiner Einwechslung, als er den sicheren Ausgleich mit einem blockierten Schuss zu verhindern wusste.

Aber, und das kann man als Fazit gelten lassen: Die Neuen wussten heute zu gefallen. Der eine (Schonlau) mehr als die anderen – aber auch Meffert (gutes Stellungsspiel, ruhig im Spielaufbau), Reis (noch etwas zurückhaltend im Aufbauspiel, aber einsatzfreudig), Glatzel (sehr agil mit noch zu vielen Stockfehlern zwar – aber immer in Bewegung) sowie die später eingewechselten Mikkel (bringt eine spannende Robustheit gepaart mit gutem Tempo und dem Zug zum Tor mit) und Muheim zeigten, dass sie den HSV verstärken können. Und das wiederum wird – bei aller Freude über den heutigen Sieg – vonnöten sein.

HSV ist auf einem guten Weg – mehr noch nicht

Wobei diese Kritik ein Stück weit erwartungsgemäß ist angesichts dieser personell aus Walters Sicht betrachtet holprigen Vorbereitung. Dennoch: Den Kraftaufwand, den man heute immer wieder betreiben musste, um kleine Stockfehler defensiv auszubügeln, muss man vermeiden. Ebenso ist das ständige Wechseln der Viererkette im dann per Kurzpass versuchten Aufbauspiel noch nicht Zweitliga-sicher, um es mal vorsichtig zu sagen. Oder anders formuliert: Hier bietet der HSV einfach noch zu viele (vor allem unnötige) Angriffspunkte für den jeweiligen Gegner. Zumal diese im Ligabetrieb noch mal eine Nummer heißer und schneller sein werden als der FC Basel heute in diesem Testspiel. Walter nach dem Schlusspfiff: „Wir wollten sehr viel Ballbesitz – das haben die Jungs bereits gut umgesetzt. Wir müssen in Zukunft aber noch schneller die Tiefe suchen und uns noch öfter belohnen.“

Fazit: Der HSV ist noch nicht da, wo er Freitag sein muss, wenn er auf Schalke bestehen will. Aber wenn man dieses Spiel richtig analysiert und die Fehler im Training zu beheben weiß, ist der HSV unter Tim Walter zumindest auf einem guten Weg dahin.

SO HAT DER HSV GESPIELT:

HSV: Heuer Fernandes – Gyamerah, Schonlau (68. Rohr), David (68. Leistner), Leibold (68. Heyer) – Meffert (63. Gjasula) – Reis (68. Muheim), Kinsombi (63. Onana) – Wintzheimer (75. Opoku), Glatzel (63. Kaufmann), Jatta (75. Meißner)

Tor: 1:0 Wintzheimer (39.)

Schiedsrichter: Patrick Ittrich (Hamburg)

Ganz unaufgeregt: Die Wahrheit über den „Muheim-Skandal“

Ganz unaufgeregt: Die Wahrheit über den „Muheim-Skandal“

„Nichts ist gefährlicher als die Ahnungslosigkeit eines unverdorbenen Herzens.“

Zitat von Karl Heinrich Waggerl 

Frei nach Waggerl nehme ich es daher auch hier niemandem übel, wenn sie/er im Glauben, etwas zu wissen, derartige Falschmeldungen verbreiten wie in den Kommentaren unter dem Muheim-Blog. Denn Fakt ist: Die Behauptung, dass ich hier von exklusiven Inhalten der BILD oder einem anderen Medium abgeschrieben habe, ist falsch. Und das hat eine ganz simple Erklärung, denn die Runde mit Miro Muheim war wie immer für alle Medien gleichermaßen zugänglich. Oder anders formuliert: Alle haben zusammen mit Muheim am Trainingsrand gesprochen und somit auch ALLE Fragen und ALLE Antworten gleichermaßen mitbekommen und verwerten können. Exklusiv, wie hier ein BILD-Interview beispielsweise dargestellt wurde, war daran rein gar nichts. Im Gegenteil!

Dass ich im Urlaub weile, verhinderte aber nicht, dass ich an diese Gespräche herankomme. Und um hier für Euch einen Neuen vorzustellen, habe ich meinen Urlaub neuerlich unterbrochen und mir über meine Kontakte sowohl die Runde Muheims mit den TV-Teams als auch die Runde mit den Print-Journalisten zuschicken lassen. Ganz offiziell und ohne Geheimniskrämerei. Dass so dann auch viele identische Kommentare übernommen und im Text wiedergegeben wurden wie in anderen Medien – LOGISCH! Ich habe schließlich auch die identischen Antworten wie alle meine geschätzten Kollegen auch gehabt. Einziger (nicht unwesentlicher) Unterschied: Ich konnte leider nicht selbst Fragen stellen. Aber das nur als Erklärung für alle die, die sich hier beschwert haben.

Es gab kein „exklusives“ Muheim-Interview

Dass ich den Muheim-Artikel erst am Donnerstagmorgen online gestellt habe, hatte für mich vielmehr den Hintergrund, dass ich wusste, am Donnerstag ebenso wie am Freitag tagsüber nicht mehr scheiben zu können. Deshalb habe ich den Artikel zwar am Mittwochabend und in der Nacht zu Donnerstag schon geschrieben – aber erst am Donnerstag veröffentlicht. Ich wollte Euch nicht ohne Blog dastehen lassen, was ich für die Zukunft anders handhaben werde. Ich dachte zwar, Euch mit meiner Urlaubsankündigung ausreichend vorbereitet zu haben – aber das war offen bar nicht der Fall. Das muss ich mir ankreiden. In Zukunft werde ich derlei Auszeiten vorher klar kommunizieren und einhalten. Wahrscheinlich ist das eh eine Win-Win-Situation – denn dann habe ich hier und in der Familie weniger Dissonanzen zu erwarten…

So viel zu diesem von einigen wenigen hier aufgedeckten „Skandal“. Dass ich darüber nicht mehr nur schmunzeln kann, will ich dabei gar nicht verhehlen. Aber ich werde es eben auch nie verhindern können. Daher kümmere ich mich lieber um alles das, was ich direkt beeinflussen kann. Und das ist heute definitiv meine Familie. Meiner Frau und meinen Kindern habe ich für die Blogs der letzten 14 Tage wider mein Versprechen übrigens die Zeit gestohlen, die ich zum Schreiben benötigt habe. Auch jetzt sitzen sie alle am Frühstückstisch und warten – ohne zu meckern übrigens. Sie kennen mich eben…

Unser Umgang hier wird sich ändern müssen

Aber okay, nichts für ungut. Lasst uns bitte trotzdem für die Zukunft einen Schulterschluss herstellen und zusehen, hier weiterhin respektvoll miteinander umzugehen. Sollte jemand so einen „Skandal“ erkannt haben – kein Problem. Im Gegensatz zu anderen herrscht hier Meinungsfreiheit. Und das werde ich so beibehalten. Sie oder er können mich darauf gern im Kommentarbereich ansprechen und fragen. Jede/r kann mich auch persönlich über moinvolkspark@gmail.com anschreiben.  Aber im Namen unserer Admins soll ich Euch auch ankündigen, dass wir uns auch das Recht vorbehalten, Kommentatoren zu sperren, die wiederholt ungeprüft und fahrlässig derartig falsche Vorwürfe in den Kommentarbereich einstellen. Denn das Recht hat niemand. Und niemand muss so etwas einfach so hinnehmen.

In diesem Sinne, bis morgen! Sofern heute nichts Außergewöhnliches mehr passiert, werde ich diesen Tag mit meinen Kindern genießen. Ich wünsche Euch allen jetzt erst einmal einen richtig schönen Tag und hoffe, dass ich möglichst viele von Euch morgen im Stadion bzw. im Anschluss an die Saisoneröffnung hier im Blog begrüßen darf.

Bis dahin,

Scholle

HSV-Neuzugang Muheim hat keine Angst vor schweren Prüfungen

HSV-Neuzugang Muheim hat keine Angst vor schweren Prüfungen

Ich muss zugeben, ihn vorher absolut nicht gekannt zu haben: Miro Muheim. Der Schweizer Junioren-Nationalspieler soll beim HSV die linke Seite verstärken. Vom Typ Fußballer ähnelt er sich in einigen Teilen sogar mit (Noch-)Kapitän Tim Leibold, der seine Stärken wie Muheim zweifelsfrei eher in der Offensive denn in der Defensive hat. Gestern stand der Schweizer das erste Mal Rede und Antwort und begann wie es alle jungen Neuen machen, mit den üblichen Sätzen: „Ich fühle mich wohl, die Mannschaft hat mich gut aufgenommen. Ich denke, dass ich hier meinen nächsten Schritt machen kann. Ich möchte aber auch dem HSV helfen, den nächsten Schritt zu erreichen. Der Aufstieg ist das Ziel.“

Was soll er auch sonst sagen, nachdem er zuletzt mit einem Muskelfaserriss verletzt ausgefallen war? Nein, bei Muheim werden die nächsten zehn. Tage bis hin und inklusive dem Saisonauftakt gegen den FC Schalke 04 spannend. Schafft er es, sich bis dahin in die Startelf zu spielen? Muheim kämpft dabei auf der linken Seite gegen niemand geringeres als gegen Kapitän Tim Leibold. Muheim weiß um die Schwere: „Natürlich ist Tim Leibold ein sehr guter Spieler, aber Konkurrenz belebt das Geschäft. Wir pushen uns gegenseitig und bringen dadurch noch bessere Leistungen. Ich bin froh, wenn ich gefördert und gefordert werde.“

Muheim sieht sich in Walters System gut aufgehoben

Wobei ich hier fast noch spannender finde, ob Trainer Walter letztlich sogar auf beide hinter- bzw. voreinander setzt. Tempo hätte er dann genug, Offensivgeist auch – allein das Defensivverhalten müsste erst noch greifen.Muheim glaubt, dass das für ihn nicht allzu schwer werden dürfte: „Die ersten zwei Wochen der Vorbereitung habe ich wegen einer kleinen Verletzung verpasst, deswegen fordert es mich jetzt schon, das Spielsystem zu adaptieren. Ich gehe aber davon aus, dass ich mich schnell darin zurechtfinden werde. Das 4-4-2 mit Raute haben wir auch schon beim FC St. Gallen gespielt.“

Auch den positionellen Zweikampf mit Tim Leibold betrachtet Muheim positiv: „Tim hat schon offensiver gespielt, ich kann auch offensiver spielen“, sagt Muheim, „ich sehe da gute Chancen. Ich muss Vollgas geben, damit ich starten kann.“ Nicht nur er. Auch Leibold soll die Konkurrenz anspornen. Eine spannende Personalie also – die linke Seite. Zumal dann, wenn sich Sonny Kittel wieder gesund zurückmeldet und seinen Anspruch auf die linke Außenbahn erhebt. Oder dann, wenn noch ein weiterer offensiver Außenbahnspieler kommt.

Spannende letzte Tage vor dem Zweitliga-Eröffnungskracher beim FC Schalke also. Am Sonnabend beim. Letzten Test vor dem Saisonbeginn soll gegen den FC Basel (Anpfiff 15.30 Uhr, Volksparkstadion) noch einmal probiert werden, wer für welche Position in Frage kommt. Fakt ist aber auch, da lege ich mich fest, dass der neue Trainer Tim Walter nicht so viel Zeit zum Testen hatte, wie er es selbst benötigt hätte, um eine echte erste Elf zu finden. Selbst dann nicht, wenn wir die potenziellen Ab- und Zugänge noch mal ausklammern. Ich persönlich bin jedenfalls sehr gespannt, wie Walter diese nicht einfache Situation löst.

Muheim: Tausendsassa ohne Angst vor Prüfungen

Apropos spannend: Das ist auch Muheim selbst. Als Fußballer und „Normalo“ im Leben. Mit 16 Jahren schon wurde man beim FC Chelsea auf Muheims Talent aufmerksam. Der schnelle Linksfuß wechselte 2014 vom FC Zürich zu Chelsea, wurde dort im Nachwuchs des Champions-League-Siegers ausgebildet. Eine Zeit, in der Muheim nach eigener Aussage sehr viel gelernt hat: „Die Zeit war überragend, ich habe sehr viel gelernt. Ich bin damals alleine nach London gezogen, habe mit drei anderen Spielern in einer Gast-Familie gewohnt. Das war schon hart, hat mich aber persönlich weitergebracht. Auch neben dem Platz.“ Allein die Trainingseinheiten mit den Chelsea-Stars haben ihn weitergebracht. Allein Spielpraxis war nicht drin. Muheims einfache Erklärung: „Die Qualität dort war natürlich immens.“ 

Um sich nicht allein auf den Fußball zu verlassen, machte Muheim in der Schweiz eine Ausbildung zum Hochbauzeichner. Heute interessiert sich für Architektur und Innen-Design. Muheim: „Ich musste die Lehre aber abbrechen, als ich zu Chelsea gegangen bin.“ Abhalten konnte ihn aber auch das nicht. Im Gegenteil: Inzwischen besucht Muheim eine internationale Privatschule, an der er sein Abitur nachholen will. Und das ist nicht so ein Pseudo-Fernstudiengang, denn Muheim muss alle sechs Monate Prüfungen ablegen. „Jedes halbe Jahr sind Prüfungen. Sechs Fächer muss ich insgesamt abschließen, drei habe ich schon“ 

Beim HSV stehen ihm in den HSV-Trainingseinheiten täglich neue Prüfungen bevor. Die Intensität sei schon deutlich höher als bei seinem Exklub, sagt Muheim. Aber auch er weiß, dass sein neuer Trainer Walter ganz genau hinschaut, wie er sich Muheim beim HSV entwickelt. Kein Problem für den Neuen: „Der Trainer spielt ein System, in dem die Positionen fließend sind. Ich sehe da gute Chancen, wenn ich gut trainiere“, sagt Muheim über die Taktik seines Trainers Tim Walter, der zusammen mit den sportlich Verantwortlichen beim HSV nicht umsonst auf eine Kaufoption über 1,5 Millionen Euro bei der Einjahres-Leihgabe gepocht hatte. Auch hier erhoffen sich alle den nächsten Schritt von Muheim.

Muheim, Kaufmann und Co.: Nimmt der HSV seine Rolle an?

Ich persönlich freue mich darüber, dass die Basis der neuen bei Muheim ebenso wie bei Mikkel Kaufmann und Robert Glatzel die ist, dass sich alle erst einmal richtig durchsetzen und für Höheres empfehlen wollen. Allesamt ohne den großen Namen – aber eben mit viel Potenzial. Sie sorgen zusammen mit den Youngstern im Team (Onana, Vagnoman, David, Suhonen,  Oppermann etc.) auch dafür, dass der HSV sich immer mehr als Ausbildungsverein verstehen und diese Rolle auch annehmen muss. Und noch einmal, für alle: Gut gemacht kann das der Schlüssel des HSV werden, auf lange Sicht wieder gesund zu werden.

In diesem Sinne, bis morgen. Da bin ich tagsüber zwar unterwegs, aber ich melde mich am Abend noch einmal mit den letzten Infos zur Saisoneröffnungsfeier am Sonnabend!

Scholle

Der HSV hat noch einen langen Weg vor sich

Der HSV hat noch einen langen Weg vor sich

5 Gründe für eine erfolgreiche Saison 2021/2022 – so hieß es gestern von meinen Gastautoren Philipp und Konstantin. Die beiden HSV-Anhänger und Initiatoren des „Nordleuchter-Podcasts“, hatten sich die Mühe gemacht, uns hier aufzuschreiben, warum sie an eine gute Saison glauben. Und das haben sie sehr schlüssig hinbekommen. Dass diese Analyse natürlich auch Diskussionen auslöst – logisch. So ist es eigentlich immer. Und so war es ja auch gewollt! Deshalb habe auch ich mir mal die Mühe gemacht, und bin die Punkte einzeln nacheinander durchgegangen. Los geht’s:

1. Trennung von Altlasten

Zuallererst darf man den HSV beglückwünschen. Sie haben es nach fünf Jahren endlich geschafft, sich von Bobby Wood zu trennen. Zudem zieht der HSV endlich Konsequenzen aus dem Nicht-Aufstiegs-Triple und dem wiederholten Erreichen des vierten Platzes. Der Verein trennt sich mit sofortiger Wirkung von Gideon Jung und Khaled Narey. Beide kassieren noch eine ordentliche Abfindung, da sie noch laufende Verträge hatten und nicht von sich aus gehen wollten. Anders sieht es bei Sven Ulreich aus, der von sich aus auf den HSV zukam, um seinen Vertrag aufzulösen. Deshalb wurde für ihn keine Abfindung fällig. Ulreich kehrt ablösefrei zum FC Bayern München als Vertretung von Manuel Neuer zurück. Der kurze Ausflug in ein Dasein als aktiver Profi offenbarte gravierende Qualitätsmängel, zumindest im Spiel mit dem Fuß. Neutrainer Tim Walter benötigt für sein Spielkonzept einen Torhüter, der fußballerisch versiert ist. Der HSV verabschiedet sich im gegenseitigen Einvernehmen von Aaron Hunt. Der Vertrag des altgedienten Mittelfeldmanns und Ex-HSV-Kapitäns lief aus und wurde auch aufgrund vieler Verletzungen und bleibender Zweifel am körperlichen Zustand Hunts nicht verlängert. Schließlich wurde auch der Vertrag von David Bates aufgelöst, der allerdings schon seit Langem keine Rolle mehr in den Überlegungen der HSV-Verantwortlichen spielte.

Meine Reaktion: Ich bin im Großen und Ganzen bei Euch zweien, Philipp und Konstantin! Aber die hier in Punkt 1 beschriebenen Trennungen sind zwar gut für die Kaderkonstellation – aber zugleich auch ein Armutszeugnis für die Transferphasen der letzten Jahre. Denn bis auf Sven Ullreich und Aaron Hunt sind es alles Spieler, bei denen man schon seit längerem nicht mehr wirklich wusste, wo man sie einsetzen könnte. Im Gegenteil: Man hat schon länger versucht, sie abzugeben. Sie am Ende nur noch per goldenen Handschlag abgeben zu können, obgleich sie zu Erstliga-Vereinen wie Fürth und Zweitliga-Topklubs wie Düsseldorf wechseln, zeigt auf, dass dieser HSV in seiner Gehaltsstruktur völlig unverhältnismäßig war. Mit anderen Worten, der HSV hat gerade mal einen teuren Fehler in Teilen korrigiert –  aber es bleibt abzuwarten, ob wir mit den Glatzels, Muheims und anderen Zugängen in Zukunft nicht mehr diese Probleme haben. Denn erst, wenn wir Spieler mit Vertrag gegen Ablösesummen abgeben und es für Spieler nicht mehr interessanter ist, den Vertrag auszusitzen als zu spielen – erst dann stimmt die Struktur beim HSV wirklich. 

2. Abschied vom Säulenspieler-Konzept

Der HSV verabschiedet das vor der letzten Saison ausgerufene „Säulenspieler“-Konzept, das mit den Abgängen von Ulreich und Toptorjäger Simon Terodde sowie der Leistung von Klaus Gjasula als „gescheitert“ bezeichnet werden kann. Stattdessen soll nun wieder vermehrt auf junge, hungrige Spieler und Talente aus dem eigenen Nachwuchs gesetzt werden. Wir glauben, das ist der richtige Ansatz. Dennoch brauchen junge Spieler zumindest ein bis zwei erfahrene Leute, an denen sie sich orientieren können und die sie wiederum zu führen vermögen. Auch wenn man sich in dem Bereich leider von Rick van Drongelen (500.000€ + Bonuszahlungen zu Union Berlin) getrennt hat, konnte der HSV auf den Verteidigerpositionen bereits vielversprechend nachverpflichten. Mit Sebastian Schonlau kommt ein erfahrener Mann aus Paderborn, der in der Innenverteidung auch den langzeitverletzten Stephan Ambrosius ersetzen soll. Und mit Miro Muheim kommt ein junger, dynamischer Außenverteidiger von St.Gallen, der auf der linken Außenverteidigerposition für Feuer im Konkurrenzkampf mit dem etatmäßigen Kapitän Tim Leibold sorgen soll. Beim Thema Tim Leibold sind wir übrigens der Ansicht, dass es eventuell sinnvoll wäre, wenn er die Kapitänsbinde an einen Mitspieler abgäbe, um sich wieder voll und ganz auf sich und seine Leistung zu fokussieren, da seine Formkurve in der vergangenen Saison einen negativen Trend hingelegt hat. Mit Meffert (Kiel) und Ludovit Reis (FC Barcelona) hat der HSV für das zentrale Mittelfeld sehr interessante Spieler verpflichtet, die großes Potential haben. Wir sind an dieser Stelle der Meinung, dass der HSV eventuell noch nach einem echten 10er Ausschau halten sollte, da sowohl Reis als auch Meffert eher auf der sechs spielen. Durch die Abgänge von Narey und Xavier Amaechi sind die Flügel recht dünn besetzt. Auch hier ist der HSV noch auf der Suche. Im Sturm musste der Verein den wohl größten Verlust verkraften. Mit 24 Saisontoren verliert der HSV eine echte neun und zudem einen extrem wertvollen Charakter im Mannschaftsgefüge. Aber es konnte bereits Ersatz verpflichtet werden. Robert Glatzel kommt aus Cardiff und Mikkel Kaufmann wurde für ein Jahr mit Kaufoption vom FC Kopenhagen an die Elbe gelotst. Beide treten das schwere Erbe von Terodde an. Der Abgang von Terodde und Hunt ist allerdings eine Chance. Jetzt kann und darf sich keiner mehr hinter den Leistungen und Namen anderer verstecken und Verantwortung ist auf dem Platz gleichmäßig verteilt.

3. Die richtige Transferpolitik

Bei den Transfers des HSV fällt zudem im Vergleich zur vergangenen Saison eine Sache sofort auf: Die Namen der Neuzugänge sind wohl nur echten Fußballfans ein Begriff und von einem Miro Muheim hat wahrscheinlich vorher maximal ein Fan der Schweizer Super League gehört. Das bedeutet aber auch, dass der HSV nicht mehr nach Namen einkauft, sondern endlich ausschließlich nach Statistiken und Leistungsdaten sowie Potential. Auf diese Weise vermeidet der Verein, dass er sich allein durch namenhafte Neuzugänge Aufstiegsambitionen auferlegt. Zudem hat der HSV bereits einige junge und fußballerisch extrem versierte Spieler auf fast allen Positionen (Onana, Ambrosius, Vagnoman, David, Meißner, Wintzheimer, Suhonen, Reis etc.). Das sind alles hungrige Spieler, die nicht die Altlasten mit sich herumtragen, schon dreimal hintereinander den Aufstieg knapp verpasst zu haben. Außerdem holt der HSV Ricardo Moniz als Techniktrainer zurück, der über die optimalen Fähigkeiten verfügt, gerade die jungen Spieler technisch zu schulen und besser zu machen. 

In den Punkten 2 und 3 liegt Ihr meiner Meinung nach auch richtig! Der Weg hin zu jungen, talentierten Spielern ist der einzig gangbare. Das wiederum beinhaltet aber auch eine Alternativlosigkeit. Von daher würde ich den Willen der Verantwortlichen, eben statt auf Terodde auf einen Robert Glatzel und einen Mikkel Kaufmann beispielsweise zu setzen, nicht überbewerten. Ich glaube ehrlich gesagt, dass der HSV diesen Weg mit volleren Kassen nicht gegangen wäre. Ich glaube, dass man hier von den Umständen gezwungen wurde und aus der Not eine Tugend macht. Sollte das klappen – umso besser. Denn wie schon seit Jahren behaupte ich auch heute unverändert, dass der HSV seine Selbständigkeit nur über den Weg der Ausbildung und dementsprechend über den Verkauf von eigens ausgebildeten Spielern überhaupt wieder erreichen kann. Dazu zählt es auch, aus den vorhandenen Spielern das Maximale herauszuholen. Und gerade in diesem Punkt hat sich der HSV das über Jahr(zehnt)e zu leicht gemacht. Denn zuletzt gab es den Begriff „Geduld“ nur verbal – nicht in der Umsetzung. Denn wenn ein junger Spieler nicht funktionierte, wurde er links liegen gelassen und per Neueinkauf schnell aufs Abstellgleis geschoben – oder verliehen. Wobei Letzteres richtig gemacht ein sehr probates Mittel sein könnte.

Zu 1000000 (und mehr!!) Prozent Zustimmung erhaltet Ihr von mir für den Part mit Ricardo Moniz. Seine Fähigkeiten sind die, die dem HSV in den letzten Jahren bei der Ausbildung seiner Talente gefehlt haben. Zwar hat man mit Alt-Internationalen wie Vahid Hashemian, Christian Rahn, Rodolfo Cardoso und Co. berühmte Individualtrainer eingebaut – aber alle zusammen – und sie mögen es mir auch alle zusammen bitte verzeihen – kommen nicht im Ansatz an die Qualitäten eines einzelnen Moniz heran. Aber: Nur, wenn der HSV Moniz auch die Freiheiten gibt, seine Aufträge nach seinem Plan zu erfüllen, wird der Comebacker beim HSV auch seine Wirkung entfalten können. Soll heißen: Gebt. Moniz klare Aufträge! Gebt ihm die Youngster Onana, Ambrosius, Vagnoman, Reis, David, Wintzheimer, Meißner, Suhonen und Co. mit klaren Aufträgen an die Hand – und wir werden extrem viel Spaß dabei haben, die Entwicklung dieser Talente in den nächsten Monaten und Jahren zu beobachten.  Denn den Jungs fehlen teilweise nur Kleinigkeiten. Ein Beispiel: Man stelle sich mal vor, Vagnoman würde mit seiner überragenden Physis plötzlich handlungsschneller Lösungen im Eins-gegen-Eins haben – dann reden wir in einem Jahr nicht mehr über 5 bis 8 Millionen Euro Ablösesumme, sondern über locker zweistellige Millionenbeträge. Oder wenn ein Onana allein schon den ersten Kontakt sicher verarbeiten und daraus sein Aufbauspiel aufzieht – er könnte den HSV  in ein paar Jahren allein finanziell sanieren… Okay, das ist zweifellos übertrieben formuliert – aber ihr wisst, was ich meine. Der HSV muss einfach anerkennen, dass er in der Ausbildung härter und zielgerichteter daraufhin arbeiten muss. Denn die Zeit der einfachen Kühne-Millionen sind erst einmal vorbei – und das ist auch gut so!

4. Ein Trainer mit klarem Konzept

Mit Tim Walter hat der HSV zudem einen Trainer, der eine klare Spielidee hat und gnadenlosen Offensivfußball mit viel Ballbesitz spielen lässt. Exzessive Variation tat dem HSV unter Thioune augenscheinlich nicht gut. Walter spielt zudem gerne mit Doppelspitze. Dies ist ein Spielsystem, das auch Interimstrainer Horst Hrubesch anwandte und die Ergebnisse in dieser Formation konnten sich sehen lassen. Zudem konnte der neue Trainer von Beginn an die Kaderplanung aktiv mitgestalten, sodass kein Spieler ohne sein Einverständnis geholt wurde. Er ist außerdem ein Fußballlehrer, der für Spieler, die aus der Reihe tanzen, auch unangenehm werden kann. Speziell im Fall Jeremy Dudziak, aber auch bezüglich Sonny Kittel kann diese Tatsache enorm wichtig werden. In Bezug auf das Trainerteam ist zudem zu beobachten, dass der HSV in der kommenden Saison auf sieben statt auf sechs Trainer im Stab um Walter setzen wird und dass Merlin Polzin eine Konstante bleibt, die dem HSV in den vergangenen Spielzeiten abgegangen ist.

Vor allem ist Walter keiner, der zu viel Pädagogik einfließen lässt, sondern einer, der klare Vorstellungen auch eindeutig äußert. Was vor einem Jahr die Hoffnung bei Thioune war – nämlich der vergleichsweise intensive Austausch mit den (vor allem bei den jungen!) Spielern, ist jetzt umgekehrt. Er ist eher der Typ „alte Schule“ – also hart, aber berechenbar für die Spieler. Walter zieht sein Ding durch und hält den Leistungsanspruch immer ganz oben. Sätze wie „Ich will nie verlieren, nicht mal im kleinsten Trainingsspiel“) gibt er weiter. Platt formuliert: Walter ist kein Mann für Ausreden. Er will nicht hören, warum etwas mal nicht funktioniert hat. Er will es beim nächsten Mal einfach besser sehen. Walter hält die Hierarchie nicht flach, sondern klar: Er ist oben. Deshalb – da stimme ich Euch auch wieder zu 100 Prozent zu – wird er Spielern, die aus der Reihe tanzen, auch keine Chance geben. Ich behaupte sogar, dass dies bei ihm auch sehr viel weniger vorkommen wird…

5. Veränderte Rahmenbedingungen

Die Saison 2021/2022 wird eine andere, weil der HSV nicht mehr zu den absoluten Favoriten auf den Aufstieg gezählt wird. Die Liga ist durch die neuen Absteiger (Bremen, Schalke) und die neuen Aufsteiger (Dresden, Rostock, Ingolstadt) sowie die Traditionsklubs, welche bereits vergangene Saison in der zweiten Liga um den Aufstieg mitgespielt haben (Kiel, Paderborn, Düsseldorf, Hannover etc.) auf einem ganz neuen Niveau. Das kann dem HSV allerdings in Karten spielen, da man nun nicht mehr die absolute Favoritenrolle in jedem Spiel einnehmen muss. Abschließend hat der HSV auch endlich wieder seine Fans live im Rücken, was gerade in der entscheidenden Saisonphase zu einem großen Faktor werden kann. Dies sind mehr als genug Argumente für eine erfolgreiche Saison 2021/2022. Wir sagen „Gut Kick“ und bis zum nächsten Mal, Philipp und Konstantin.

100 Prozent Zustimmung! Der Umstand, dass man stärkere Konkurrenz hat und eben nicht mehr den alleinigen Anspruch haben darf, auf dem ersten Platz zu stehen, wird dem HSV guttun – wenn er es richtig annimmt. Denn alles das bedeutet lange nicht, dass man nicht mehr den Anspruch an sich selbst haben darf, jedes Spiel und somit auch die Liga gewinnen zu wollen. Es ist allein der Unterschied: Dieses Jahr muss man nichts, aber man kann und will den Aufstieg schaffen – in den letzten drei Jahren musste man es schaffen. Wobei, wenn wir das Thema schon anreißen, dann noch schnell ein Zitat eines neuen vom HSV. Denn heute stand Miro Muheim Rede und Antwort und hat sich zum Thema Aufstieg wie folgt geäußert: „Ich denke, ich kann hier den nächsten Schritt machen. Und natürlich möchte ich helfen, den nächsten Schritt mit dem HSV zu erreichen, der Aufstieg ist natürlich das Ziel. Dabei denke ich, kann ich der Mannschaft helfen.“

In diesem Sinne, noch mal vielen lieben Dank an meine beiden Gastautoren Philipp und Konstantin! Das war großer Sport von Euch beiden! Morgen gibt es dann voraussichtlich einen frühen Blog mit dem ausführlichen Gespräch mit Neuzugang Miro Muheim. Für heute soll es das gewesen sein. Ansonsten gibt’s Ärger von der heimischen Regierung…

Bis morgen!

Scholle

P.S.: Im Nachgang noch eine wichtige, wenig erfreuliche Nachricht, wie sie der HSV gerade herausgegeben hat:

Tom Mickel wird dem HSV in den kommenden Wochen nicht zur Verfügung stehen. Der Rothosen-Keeper verletzte sich im Testspiel gegen den FC Augsburg (7. Juli, 2:2) bei einem Zusammenprall an der Schulter. In der Szene selbst bestätigte Mickel seine zuvor guten Trainingsleistungen mit einem starken Stellungsspiel. Nach einer längeren Behandlung biss der Keeper zudem auf die Zähne und spielte noch bis zur Halbzeit durch. Eingehende Untersuchungen ergaben nun, dass sich der 32-Jährige eine Schultereckgelenks-Verletzung zugezogen hat. Eine Operation ist nicht notwendig, stattdessen wird eine konservative Behandlung erfolgen.

Nicht nur der HSV sondern auch wir alle von MoinVolkspark sagen:

Gute Besserung, Tom!