Stuttgart zeigt dem HSV die Grenzen auf – jetzt muss ein Wunder her

Stuttgart zeigt dem HSV die Grenzen auf – jetzt muss ein Wunder her

Von Kristina Puck und Jan Mies

Sichtlich schwer enttäuscht zog sich Tim Walter seinen Kapuzenpullover über und klatschte seine niedergeschlagenen HSV-Profis ab. Die Hamburger brauchen nach einer wahren Lehrstunde beim VfB Stuttgart ein Fußball-Wunder für den Bundesliga-Aufstieg. Der Zweitliga-Dritte unterlag im ersten Teil des Relegationsdramas am Donnerstag mit 0:3 (0:1) und muss sich im Rückspiel am kommenden Montag (20.45 Uhr/Sat.1 und Sky) massiv steigern, um die Stuttgarter doch noch irgendwie als Bundesligist abzulösen. Zu allem Überfluss sah der kurz zuvor eingewechselte Anssi Suhonen nach einem harten, unsportlichen Foulspiel die Rote Karte (69.). „Das ist schwer in Worte zu fassen“, sagte Sportvorstand Jonas Boldt bei Sky, das Team habe „auf die Fresse“ bekommen. „Heute hat relativ wenig funktioniert.“ Es widerspreche seinem Naturell, „wenn ich irgendwas abschenke. Aber so eine Leistung, so ein Ergebnis macht das nicht einfacher. Das muss dann schon ein Wunder sein.“

Konstantinos Mavropanos nach wenigen Sekunden, der frühere HSV-Profi Josha Vagnoman (51. Minute) und Serhou Guirassy (54.) brachten den VfB mit ihren Toren in die beste Ausgangsposition, den dritten Abstieg seit 2016 in der Relegation abzuwenden. Guirassy vergab noch einen Foulelfmeter (27.), in der ersten Halbzeit hätte der dominante Bundesligist vor 47.500 Zuschauern in der ausverkauften Arena noch weitere Treffer erzielen können. Die HSV-Elf von Walter, der den VfB einst im Unfrieden verlassen musste, fand offensiv lange nicht statt.

Mavropanos feierte seinen wuchtigen Kopfball ins Tor ausgelassen mit herausgestreckter Zunge. Im Block der mitgereisten HSV-Fans, die kurz zuvor noch Rauchbomben gezündet hatten, wurde es plötzlich ganz still. Im vergangenen Jahr waren die Hamburger in der Relegation an Hertha BSC mit Ex-Trainer Felix Magath gescheitert – da hatte der HSV im Rückspiel ein sehr frühes Tor kassiert.

In Stuttgart hätte es aus Hamburger Sicht schon zeitiger noch schlimmer kommen können, als Chris Führich mit Tempo im HSV-Strafraum auftauchte. Aber Torwart Daniel Heuer Fernandes parierte den Schuss des 25-Jährigen (9.). Die Stuttgarter ließen in ihren Angriffen einen Klassenunterschied erkennen, der HSV hatte große Mühe, die VfB-Offensive um Guirassy fernzuhalten.

Der 27 Jahre alte Stürmer, der gerade erst fest von Stade Rennes verpflichtet worden war, scheiterte innerhalb weniger Minuten bei zwei weiteren riesengroßen Chancen, eine davon die vom Elfmeterpunkt, an Heuer Fernandes (23. und 27.). Den Strafstoß hatte Ludovit Reis verursacht. Auch Führich scheiterte noch einmal am HSV-Torwart (29.). Im Stuttgarter Tor stand statt des verletzten Stammtorwarts Fabian Bredlow Ersatzmann Florian Müller.

Für beide Vereine geht es in der Relegation um enorm viel. Die finanziellen Einschnitte für den VfB lägen bei einem Abstieg im zweistelligen Millionenbereich, der HSV will sich sein dann schon sechstes Jahr in der 2. Liga unbedingt ersparen. Nach gut einer halben Stunde kamen die Gäste kurzzeitig gefährlich vor das Stuttgarter Tor. Ein Schuss von Robert Glatzel wurde geblockt (35.).

HSV-Trainer Walter erlebte seine außergewöhnliche Rückkehr gewohnt energiegeladen an der Seitenlinie. Mit dem Badener war der VfB in die bisher letzte Zweitliga-Saison gegangen, nach nur einem halben Jahr musste Walter am Tag vor Heiligabend 2019 wieder gehen. „Das wird ein tolles Spiel: Der VfB Stuttgart, toller Verein, gegen den HSV, großer Verein“, hatte Walter gestichelt. Für den „tollen Verein“ vergab Mavropanos in der Nachspielzeit der ersten Halbzeit per Kopf die nächste gute Chance.

Vagnoman belohnte Stuttgart dann nach Vorlage von Führich und Enzo Millot. Die Fans in der Cannstatter Kurve feierten lautstark, der in Hamburg geborene Torschütze hielt sich sichtbar zurück. Guirassy, der dann doch endlich traf, sorgte endgültig für die Entscheidung im Hinspiel. Auch, wenn auf der Gegenseite Glatzel per Kopf die bis dahin beste Hamburger Chance vergab (59.). Die Hamburger steigerten sich bis zum Schlusspfiff, es blieb aber bei der großen Hypothek für das Rückspiel. (dpa)

DIE STATISTIK ZUM SPIEL:

VfB Stuttgart: Müller – Mavropanos, Anton (90.+2 Zagadou), Ito – Vagnoman, Karazor (84. Nartey), Endo, Sosa – Millot (84. Egloff), Guirassy (67. Pfeiffer), Führich (67. Tiago Tomas)

HSV: Heuer Fernandes – Heyer, David, Schonlau, Muheim – Meffert, Reis (60. Suhonen), Kittel – Jatta, Glatzel, Dompe (65. Königsdörffer)

Tore: 1:0 Mavropanos (1.), 2:0 Vagnoman (51.), 3:0 Guirassy (54.)

Zuschauer: 55.500 (ausverkauft)

Schiedsrichter: Tobias Welz (Wiesbaden)

Gelbe Karten: Karazor / Reis, Königsdörffer

Gelb-Rote Karten: – / –

Rote Karten: – / Suhonen (69., grobes Foulspiel)

STIMMEN ZUM SPIEL:

Sebastian Schonlau: Dieses 0:3 ist ein deutliches Ergebnis. Wir kommen durch das Gegentor denkbar schlecht rein, dann hält Ferro uns lange im Spiel. Wir sind dann besser geworden, konnten aber in der zweiten Hälfte nicht an diese Phase anknüpfen. Solange die Chance da ist, werden wir kämpfen. Wir werden niemals aufgeben. Das Rückspiel muss noch gespielt werden. Es kann ja nicht mehr schlimmer werden. Was soll uns passieren? Wir haben 0:3 verloren, es kann nur noch bergauf gehen. Aus dieser Situationen kann man auch Kraft und Energie ziehen. Am Montag spielen wir zuhause, die Fans werden uns nach vorn peitschen – und dann schauen wir mal. 

Daniel Heuer Fernandes: Das Spiel ist maximal unglücklich gestartet mit der ersten Ecke und dem ersten Gegentor. Es war heute in allen Belangen leider etwas zu wenig. Wir definieren uns über unseren Ballbesitz, müssen da am Montag deutlich schärfer sein. Im Fußball ist alles möglich. Wir müssen uns auf unsere Stärke besinnen und auch daran glauben. Das Ergebnis ist eindeutig, ärgerlich und bitter. Natürlich haben wir uns das anders vorgestellt, aber wir müssen es annehmen, wie es ist. Jeder weiß, dass wir mit Rückschlägen umgehen können, dass wir uns nie aufgeben und immer weitermachen. Wir wollen uns am Montag bestmöglich präsentieren. Unser Ziel kann nur Vollgasfußball sein.    

Tim Walter: Wir haben uns viel mehr vorgenommen, sind denkbar schlecht durch die Standardsituation reingekommen. Durch den gehaltenen Elfmeter waren wir wieder im Spiel, haben den Gegner anschließend auch 20 Minuten gut bespielt. Nach der Pause haben wir uns dann wieder viel vorgenommen und doch direkt wieder die Gegentore bekommen. Heute war es einfach ein absolut gebrauchter Tag. Es ist alles ungünstig gelaufen. Der Volkspark gibt uns jetzt noch Glaube. Es geht nicht immer nur um Fußball. Manchmal ist die Liebe größer. Es wird im Volkspark ein heißer Tanz. Wir schenken nichts ab, werden alles mobilisieren. Das ist der Charakter dieser Mannschaft.  

Jonas Boldt: Dieses Spiel ist schwer in Worte zu fassen. Der frühe Rückstand hat etwas in unseren Köpfen gemacht. Mitte der ersten Hälfte hatten wir dann aber nochmal etwas mehr Kontrolle und wollten dies im zweiten Durchgang fortsetzen, kassieren dann aber wieder direkt nach Anpfiff das schnelle Gegentor und sogar den Doppelschlag. So geht man am Ende mit einem 0:3 nach Hause, und dieses Ergebnis macht die Sache für das Rückspiel natürlich nicht einfacher. Aber: Am Ende werden in der Relegation zwei Spiele gespielt – und wir werden alles tun und geben, um doch noch das Wunder zu schaffen.

Walters Ex: Der „übermächtige“ VfB?

Walters Ex: Der „übermächtige“ VfB?

46 Siege, 22 Unentschieden, 46 Niederlagen. Das ist die ausgeglichene Bilanz des Traditionsduells des Hamburger SV gegen den VfB Stuttgart. Dieses ehemals auf Augenhöhe ausgetragene Match gleicht heute jedoch eher einem David gegen Goliath Szenario, zumindest wenn man sich im Netz umschaut. Doch ist der Bundesligist wirklich so übermächtig, wie dies von Expert:innen und User:innen behauptet wird? Oder täuscht der auf dem Papier deutlich teurere, auf fast jeder Position individuell stärker besetzte Kader?

Die Wahrheit liegt – wie fast immer – in der Mitte. Ja, der VfB ist dem hSV fußballerisch überlegen. Die Offensiv-Power der Schwaben um Silas, Führich, Tomas oder Guirassy wird die Hamburger Abwehr (gerade die rechte Seite um Moritz Heyer) fordern wie bisher noch nie in dieser Spielzeit. Die bärenstarken Außenverteidiger um Ex-Hamburger Vagnoman und Kroatiens Nationalspieler Sosa verleihen dem VfB-Spiel zusätzliche Wucht über de Flügel. Die VfB-Offensive spielte die TSG Hoffenheim zwischenzeitlich regelrecht an die Wand, scheiterte jedoch an der eignen schlechten Chancenverwertung. Sonst wären die Bad Cannstätter auch gar nicht in der Relegation gelandet. Nur darauf zu hoffen, dass die Stuttgarter gegen den HSV wieder reihenweise Tormöglichkeiten vergeben, wäre aber töricht. Dies weiß auch Tim Walter, der gestern erneut betonte, dass eigene Spiel durchziehen zu wollen. “Wir sind gut im Ballbesitz und das wollen wir auch in Stuttgart zeigen. Wir wollen aktiv mit dem Ball spielen und aktiv verteidigen. Es wird ein tolles Spiel”, so Walter. Ein tolles Spiel für den neutralen Zuschauer dürfte es definitiv werden. Toll für den HSV hingegen wäre das Spiel jedoch nur, wenn es wild wird und der HSV dem VfB in Helm-Peters Worten einen ‘Tango’ aufzwingen kann. Dann könnten nämlich trotz der qualitativen Diskrepanz der beiden Mannschaftskader die VfB-Schwächen offengelegt werden: Die Abwehr.

Gerade nach ruhenden Bällen war das Team von Sebastian Hoeneß zuletzt verwundbar. Dieser habe laut Walter die VfB-Defensive zwar stabilisiert, die Standardverteidigung sei aber weiterhin eine Möglichkeit, für HSV-Tore zu sorgen. Auch wenn Hoeneß noch nicht das Verteidigen perfektioniert hat, so hat er dennoch die Fans und die Mannschaft vereint. Geschlossenheit – so häufig beim HSV gepredigt und gelobt – gibt es auch in Stuttgart. Deutlich wurde dies besonders an Hoeneß Reaktion, welcher unmittelbar nach Abpfiff der Partie gegen Hoffenheim trotz der Relegations-Ernüchterung den Applaus der Massen erntete. Stellt sich nun die Frage, wer es mehr will, so könnte man hier aber vielleicht einen HSV-Vorteil erkennen. Denn: Dieser Stuttgarter Kader hätte zwingend den Klassenerhalt vorzeitig klarmachen müssen. Gleiches gilt zwar auch für den HSV und den Bundesliga-Aufstieg, trotzdem glaube ich, dass das Saisonfinale mit all seiner Dramatik sowie die Relegations-Niederlage gegen Hertha vergangenes Jahr die Gier nach Bundesliga-Fußball beim HSV noch größer gemacht hat. “Die Jungs haben viel über die vergangenen Relegationsspiele gesprochen, das wollen wir nicht noch einmal erleben”, betonte Walter.

Die Gier dürfte vor allem bei Tim Walter persönlich größer sein als bei jedem anderen. Nicht nur aufgrund des Scheiterns im vergangenen Jahr, sondern auch, weil es gegen seinen Ex-Klub geht. Gestern auf der PK lobte Walter den VfB als einen tollen Verein, der HSV sei jedoch ein “großer Verein”. Eine Spitze gegen seinen ehemaligen Arbeitgeber, welcher Tim Walter im Dezember 2019 auf dem dritten Tabellenplatz aufgrund dessen riskanter Spielweise freigestellt hatte. In Hamburg hat Walters Spielidee von Sportvorstand Jonas Boldt stets das maximale Vertrauen erfahren. Hoffentlich zahlt sich dieses tiefe Vertrauen nun aus. Nicht nur dem HSV, sondern auch Tim Walter persönlich ist in dieser besonderen Konstellation der Erfolg besonders zu gönnen.

Mut macht, dass in Relegationsspielen nicht zwangsläufig die Qualität, sondern Tagesform, Wille und Spielglück über den Aufstieg entscheiden. Das mentale Momentum liegt dabei eher auf Seite des HSV. “Stuttgart hatte die Chance, die Relegation aus eigener Kraft zu vermeiden, dass haben sie nicht geschafft”, erklärte Walter und schob so dem VfB den Druck wie auch die Favoritenrolle zu. Eine Mannschaft, die es über die gesamte Saison nicht schafft, zwei Ligaspiele in Folge zu gewinnen, strotzt nicht wirklich vor Selbstvertrauen. Mut macht auch der phänomenale Auswärtssupport – über vier Tausend HSVer werden in den Süden der Republik reisen und 90 Minuten lang singen. Der HSV muss geschlossen auftreten und bereit sein, über die Schmerzgrenze hinaus zu gehen. Dass die Mannschaft das kann und auch will, hat sie in dieser Saison bereits bewiesen. Lasst uns unsere kleine Chance nutzen, denn ein übermächtiger Gegner ist der VfB Stuttgart trotz der Kadertiefe und diversen Einzelkünstlern dennoch nicht.

Euch einen schönen Abend,

Euer Cornelius


Anbei unser Gastbeitrag aus dem Gegner-Lager. In diesem Fall ein Text von Noah Platschko:

„Das hätte ich niemals gedacht“ oder „Die bittere Gewissheit“

Liebe HSV-Fans, 

was ein Drama! Mit dem 3:2 des 1. FC Heidenheim in Regensburg lösten sich eure Hoffnungen auf den direkten Aufstieg schlagartig in Luft auf. Selbst als VfB-Fan tat es mir fast schon ein wenig weh, die jubelnden HSVer im Hardtwaldstadion zu sehen – im Glauben, nach fünf Jahren Zweitklassigkeit endlich den Sprung zurück ins Fußball-Oberhaus geschafft zu haben. Bei aller Bitterkeit gilt es aber auch dem Konkurrenten aus Heidenheim zum verdienten Aufstieg zu gratulieren. Was Frank Schmidt an der Ostalb seit gut 16 Jahren abreißt, dem gebührt meine höchste Anerkennung. Ich wünsche ihm und dem Klub alles Gute für das Abenteuer Bundesliga. 

Für uns und euch heißt es nun: Relegation. Mal wieder. In den vergangenen zehn Jahren erwischt es nun zum fünften Mal einen von uns. 2014 und 2015 kamt ihr gegen Fürth und den KSC dank der Auswärtstorregelung noch gerade so mit dem Schrecken davon, ehe es 2018 direkt runter ging. Der VfB darf sich auf die Fahne schreiben, den beeindruckenden Erfolg des 1. FC Union in der Bundesliga erst ermöglicht zu haben. Schließlich waren wir 2019 der einzige Bundesliga-Klub in den letzten zehn Jahren, der es nicht vollbrachte, in der Relegation gegen den Zweitligisten die Oberhand zu behalten. Und bei euch ist die bittere Erinnerung an die Duelle mit der Berliner Hertha ebenfalls noch sehr frisch. 

Die Angst ist präsent

Dieses Erlebnis, gepaart mit den jüngsten dramatischen Ereignissen von Sandhausen, dürfte eure Hoffnungen auf die Rückkehr in die Bundesliga vermutlich nicht gerade erhöht haben. Als VfB-Fan kann ich euch aber sagen: Mir geht es nicht großartig anders. Wie sagte es Jürgen Klopp einst: Die Angst vorm Verlieren darf nicht größer sein als die Lust aufs Gewinnen. Aber ich habe Angst. Dass es nach 2017 und 2019 wieder in die zweite Liga geht. Ein einfacher Heimsieg gegen Hoffenheim hätte gereicht, um sich diese Endspiele zu ersparen. So heißt es nun also Nachsitzen.

Dabei weiß ich auch, dass mein VfB als Favorit in diese Duelle geht. Der Kaderwert des VfB ist logischerweise deutlich höher, auf dem Papier haben wir wohl auch die bessere Mannschaft, sind auf den einzelnen Mannschaftsteilen positionell besser besetzt. Und dennoch sehe ich auch Punkte, die für den HSV sprechen. Das Volksparkstadion wird am kommenden Montag zum Hexenkessel. Ich selbst durfte mich vergangene Saison von der großartigen Stimmung überzeugen, die sich nun hoffentlich nicht gewinnbringend auf die Mannschaft übertragen wird. Ich muss hoffen und positiv in die Duelle gehen. Was bleibt einem auch anderes übrig? 

Sehr gut möglich, dass VfB-Trainer Sebastian Hoeneß dabei auf die gleiche Startelf setzt wie gegen Hoffenheim. Die einzig (sportlich) offene Frage wird wohl sein, ob Chris Führich oder Tiago Tomas beginnen wird. Die Fünferkette um Borna Sosa, Hiroki Ito, Waldemar Anton, Konstantinos Mavropanos und Ex-HSV-Spieler Josha Vagnoman dürfte genauso unverändert bleiben wie die Doppelsechs aus Atakan Karazor und Wataru Endo. Und im Sturm liegen die Hoffnungen auf Elf-Tore-Mann Serhou Guirassy.

Müller für Bredlow?

Zwei Personalien waren zuletzt zudem angeschlagen: Dan Axel-Zagadou wird nach seiner Fußschwellung gegen den HSV zumindest wieder zurück in den Kader rücken, er konnte wieder voll mittrainieren. Bei Keeper Fabian Bredlow wird es etwas knapper, er laboriert immer noch an den Folgen einer Innenbandzerrung. Fällt er aus, würde die einstige Nummer 1 Florian Müller im Tor stehen. 

Für den neutralen Fußballfan werden diese Spiele ein Fest. Zwei absolute Traditionsvereine kämpfen um den letzten verbliebenen Platz in der Bundesliga. Ich erinnere mich dabei an etliche Duelle der jüngeren Vergangenheit mit dem HSV, die mir bis heute im Gedächtnis geblieben sind. 

Da wäre das 3:2 im Mai 2020, als wir einen 0:2-Pausenrückstand mit der wohl letzten Aktion des Spiels noch zu einem Sieg drehten. Es war einer der wichtigsten Siege im Kampf um den Aufstieg. Bis heute bin ich aber der Überzeugung, dass wir in diesem Jahr nicht aus eigener Stärke aufgestiegen sind – sondern ihr den Aufstieg leichtfertig aus der Hand gegeben habt. Mit 58 Punkten haben wir damals Platz 2 erreicht. 58! Ihr hattet diese Saison acht Zähler mehr. 

Bitte nicht gegen Walter

Ich erinnere mich aber auch an die desaströse Hinspielpleite im Volksparkstadion, als wir, damals noch mit Trainer Tim Walter, mit 2:6 bei euch untergingen – nur um wenige Tage später im DFB-Pokal an selber Stelle doch wieder einen dramatischen Erfolg einfahren zu können.

Bei einer Sache sind wir uns wohl einig: Dass das Duell VfB gegen den HSV eigentlich eines für die Bundesliga ist. Und schon bevor die Relegation 2023 gespielt wurde, haben wir die bittere Gewissheit, dass dieses Szenario in der Spielzeit 2023/2024 keinesfalls eintreten wird. 

Ich bin ehrlich: Sollte ausgerechnet Tim Walter meinen geliebten VfB in die 2. Liga schießen, würde mich das auf besondere Art und Weise brechen. Es wäre ein besonders schwer zu ertragender Tiefschlag, auch wenn die 2. Liga in der kommenden Saison ein äußerst attraktives Tableau an Mannschaften aufzubieten hat. 

Das hätte ich niemals gedacht

Und trotzdem weiß ich auch: Wie sehr mich mein eigener Verein in den vergangenen Jahren auch an Nerven gekostet hat, ist das, was der HSV durchmacht, noch auf einem anderen Level. Als ihr euch 2018 trotz eines Sieges gegen Borussia Mönchengladbach aus dem Oberhaus verabschieden musstet, hätte ich niemals gedacht, dass fünf Jahre der Zweitklassigkeit folgen würden. 

Dieses denkbar knappe Scheitern, Jahr für Jahr, muss aus HSV-Sicht unerträglich gewesen sein. Das Jahr unter Ex-VfB-Trainer Wolf, als man nach dem 4:0-Derbysieg auf St. Pauli gar nichts mehr auf Kette bekam (ich bin übrigens bis heute der Überzeugung, dass ihr mit Christian Titz aufgestiegen wärt). Die Saison unter Hecking mit dem Tiefschlag am 33. Spieltag in Heidenheim, der gleichzeitig den quasi sicheren Aufstieg des VfB bedeutet hatte. Oder auch das Jahr unter Daniel Thioune. Mir ist bis heute unerklärlich, wie ihr den 3:0-Vorsprung in Hannover noch verspielen konntet. 

Ihr merkt: Ich habe den HSV in den vergangenen Jahren intensiv verfolgt. Auch, weil sich die Wege mit dem VfB Stuttgart immer wieder gekreuzt haben. Und so ist es auch dieses Mal wieder. 

Liebe HSVer, ihr werdet es mir sicher nicht verübeln können, dass ich mir nichts sehnlicher Wünsche als einen Klassenerhalt des VfB Stuttgart – wohlwissend, dass das ein sechstes Jahr Zweitklassigkeit an der Elbe bedeuten würde. Lasst uns zwei tolle, packende Spiele erleben. Möge der bessere gewinnen – und Tim Walter weiterhin nur mit zwei Verteidigern spielen. Chris Führich und Silas Katompa Mvumpa würden es ihm danken. 

Auf geht’s Stuttgart kämpfen und siegen. 

Euer Noah

DAS IST UNSER GASTAUTOR:

Mein Name ist Noah Platschko, ich bin 28 und Sportredakteur bei t-online. Nach diversen Praktika bei 11Freunde, Hertha BSC, Amazon Music und dem DFB bin ich seit Januar 2019 als Redakteur für t-online tätig. 2019 war ich bei der Frauenfußball-Weltmeisterschaft in Frankreich unterwegs. Seit 2020 betreue ich die Nationalmannschaft der Herren und berichtete als Reporter von der EM 2021 sowie der WM 2022 in Katar.

Geboren bin ich allerdings im tiefen Nordschwarzwald, entspreche also dem Klischee des nach Berlin gezogenen Schwaben und bin entsprechend leidenschaflicher VfB-Fan. Und auch als Exil-Schwabe kennt man Social Media. Also folgt mir doch gerne, wenn ihr mögt, bei Twitter.  (@platschinho ist mein Handle. Ihr findet mich aber auch unter @magier94 bei Instagram)

Walter macht Mut: „Es gibt überhaupt keine negativen Gedanken“

Walter macht Mut: „Es gibt überhaupt keine negativen Gedanken“

Viel Zeit ist eben nicht. Das Drama in Sandhausen? Schon abgehakt. Sat Trainer Tim Walter, der die Relegation gegen den VfB Stuttgart als große Chance verstanden wissen will. „Ich kann ja nicht negativ denken und positiv handeln“, sagte der 47-Jährige in der Pressekonferenz heute und versuchte dabei, Optimismus zu verbreiten. „Das funktioniert ja nicht. Deswegen gibt es überhaupt keine negativen Gedanken.“ Tim Walter war in seinem Element.

Zwei Tage ist es her, dass der HSV nach dem 1:0 im letzten Punktspiel beim SV Sandhausen nach einer verfrühten Gratulation des Sandhäuser Stadionsprechers schon den direkten Aufstieg gefeiert hatte, um dann doch noch vom 1. FC Heidenheim abgefangen zu werden. Zwei Tore in der ungewöhnlich langen Nachspielzeit schickten den HSV in die ungeliebte Relegation. Aber es sind eben auch nur 48 Stunden bis zum Spiel gegen den Erstligavertreter VfB Stuttgart, dem ein erzielter Treffer fehlte, um die Klasse ohne Umwege zu halten. 

Mit „Jetzt erst recht“, beschrieb Walter seine Marschrichtung, die wiederum alternativlos ist. Aber er sagte auch, dass das die die Stimmung bei sich und in seiner Mannschaft sei. Denn es geht um viel. Sehr viel. Auch für Walter. Schon das Verpassen des direkten Aufstiegs wirkte angesichts seines über die Saison gezeigten Selbstbewusstseins wie eine persönliche Niederlage. Weder für Walter noch für Sportvorstand Jonas Boldt war das Scheitern eine Option. Zeit für Befindlichkeit bleibt allerdings kein. Und das ist auch gut so. 

Walter macht daher, was er immer macht – er geht voran. Das Interessanteste daran: die Mannschaft folgt ihm bedingungslos. „Ich glaube nicht, dass sich die Stuttgarter gefreut haben, als sie gehört haben, sie spielen gegen den HSV“, sagte er und drehte damit den Spieß um. Denn nicht nur er weiß sehr wohl, dass der HSV gegen den VfB Stuttgart klarer Außenseiter ist. Walter weiter über das Duell mit seinem Exklub: „Das wird ein tolles Spiel: Der VfB Stuttgart, toller Verein, gegen den HSV, großer Verein.“ Wobei sich beide in einem Punkt sehr ähnlich sind: Sie machen in den letzten Jahren mehr falsch als richtig…

Und trotzdem muss der HSV aktuell mehr denn je auf die Karte Tim Walter setzen. Denn in Sandhausen wurde nach dem frühen Führungstreffer noch einmal deutlich, dass die Mannschaft auf dem Zahnfleisch kriecht. Die Adrenalinschübe, die solche Finalspiele wie jetzt gegen Stuttgart mit sich bringen, werden sicher noch mal helfen. Aber das gilt auch für die personell deutlich breiter aufgestellten Stuttgarter. Deshalb betonte Walter heute auch noch mal den internen Zusammenhalt, den er maßgeblich mitverantwortet. Dazu trägt definitiv auch bei, dass Walter seine Profis nie öffentlich kritisiert. Im Gegenteil: Er schützt sie, wo er nur kann, und betont stattdessen immer wieder, wie sehr er jedem einzelnen seiner Akteure vertraut. 

Spannend fand ich, dass Walter in den letzten beiden Spielen defensiv umgestellt hatte. Endlich waren Jonas David und Sebastian Schonlau nicht mehr bei jedem Angriff mit in die Offensive eingeschaltet, sondern agierten mit den Außenverteidigern als echte Viererkette. Denn das wird den HSV auch gegen die schnellen Stuttgarter erwarten. Sollte man hier einmal zu weit aufgerückt sein, ist es mit den Aufstiegsträumen schneller vorbei, als man gucken kann. Und das sehr wohl auch gegen die offensiv vergleichsweise schwächelnden Schwaben. 

Ich habe mich länger mit einem sehr guten Bekannten unterhalten, der beim VfB arbeitet. Und der erzählte mir seinerzeit schon, als der HSV Walter verpflichtete, wie der heutige HSV-Trainer in Stuttgart angeeckt war. Kurz vor Weihnachten 2019 musste Walter nach nur einem halben Jahr und 18 Spieltagen gehen. Als Tabellendritter! Der damalige Sportdirektor Sven Mislintat (gilt als genauso stur wie Walter!) glaubte nicht mehr an Walters eingeschlagenen Weg.

Heute ist Mislintat weg. Stattdessen arbeitet bei den Schwaben der Walter-Freund Fabian Wohlgemuth (44) als Sportdirektor. Beide kennen sich noch aus gemeinsamen Zeiten bei Holstein Kiel. Wie eng das Verhältnis heute noch ist? „Ich kann in jedem Fall versichern, dass die Leidenschaft meiner Verbindung mit Tim Walter nicht so groß ist, dass sie irgendeinen Einfluss im Rahmen dieser Spiele haben könnte“, antwortet VfB-Sportchef Wohlgemuth. Und ich hoffe darauf, dass es der HSV schafft, den Stuttgartern ihren Rhythmus zu nehmen, den sie unter Neu-Trainer Sebastian Hoeneß weitestgehend gefunden hatten. Denn je ungeordneter das Spiel wird, desto mehr gleichen sich die nominell zweifellos stärkeren Stuttgarter dem HSV an. Und für einen eigenen Treffer ist der HSV immer gut…

Ergo: Der HSV ist zwar klarer Außenseiter. Aber definitiv nicht chancenlos. Morgen werden wir an dieser Stelle dazu auch einen Gastbeitrag haben von einem Bekannten, der den HSV sehr gern mag – den VfB aber liebt. Und der sagte mir heute wörtlich: „Ich habe richtig Angst …“. Angst davor, dass der VfB zum zweiten Mal als Erstligist eine Relegation gegen einen Zweitligisten verliert. 

In diesem Sinne, beim HSV pausierten heute Jonas Meffert und Moritz Heyer, die aber beide am Donnerstag einsetzbar sein sollen. Aber zum HSV-Kader und einer möglichen Startelf morgen mehr!

Euch allen jetzt einen schönen Abend!

Scholle 

„Das Ding ist noch nicht durch“ – HSV muss in die Verlängerung

„Das Ding ist noch nicht durch“ – HSV muss in die Verlängerung

Durch zwei Heidenheimer Tore in der Nachspielzeit verpasst der HSV den direkten Aufstieg in die Bundesliga. Das 1:0 in Sandhausen bleibt wirkungslos. In der Relegation wartet jetzt Stuttgart.

Text von Felix Schröder, Jann Philip Gronenberg und Christoph Lother

Die Fans strömten schon auf den Platz, nach dem Schlusspfiff waren die Spieler und das Trainerteam außer Rand und Band – aber es war umsonst. Statt einer großen Aufstiegsparty hieß es für den Hamburger SV durch zwei späte Treffer des 1. FC Heidenheim in der Nachspielzeit: Relegation statt direkter Bundesliga-Rückkehr. Der 1:0 (1:0)-Sieg bei Absteiger SV Sandhausen nutzte dem HSV am letzten Spieltags nichts, da auch Heidenheim seine Partie bei Jahn Regensburg nach einem 0:2-Rückstand noch denkbar knapp mit 3:2 gewann und sich damit sogar zum Zweitliga-Meister krönte.

Um wieder im fußballerischen Oberhaus mitzumischen, tritt Trainer Tim Walter mit dem HSV nun gegen seinen Ex-Club VfB Stuttgart in der Relegation an. Damit muss der HSV am 1. und 5. Juni eine zusätzliche Hürde für den ersehnten Bundesliga-Aufstieg überwinden. 

Sandhausens Stadionsprecher, der dem Gegner bereits zum Aufstieg gratuliert hatte, reichte HSV-Sportvorstand Jonas Boldt das Mikrofon weiter und der richtete einen Appell an die enttäuschten Fans auf dem Rasen. «Das ist bitter gelaufen heute», sagte Boldt: «Bündelt alle Kräfte. Das Ding ist noch nicht zu Ende. Wenn wir das alles noch mal in die Waagschale legen nächste Woche, dann ziehen wir das halt mit einer Extra-Runde durch.»

Trainer Tim Walter versuchte ebenso, positiv zu bleiben: «Einfach kann jeder. Wir haben unsere Hausaufgaben gemacht, am Ende hat es Heidenheim auch gemacht. Von daher: Glückwunsch an Heidenheim», sagte er bei Sky. «Trotzdem geht es weiter. Wir werden morgen wieder aufstehen und werden morgen wieder angreifen.» Der gefasst wirkender Kapitän Sebastian Schonlau meinte: «Es hilft doch alles nichts. Was sollen wir jetzt machen? Sollen wir jetzt herumheulen?»

Die Tränen bei vielen HSV-Fans nach den wenigen Minuten Glückseligkeit blieben nicht aus. Tausende Anhänger hatten den Weg in das mit 12 320 Zuschauern besetzte Stadion am Hardtwald auf sich genommen und das Auswärtsspiel – zumindest atmosphärisch – in ein Heimspiel verwandelt. Jean-Luc Dompé (3. Minute) sorgte mit seinem spektakulären Volley-Treffer für den Sieg gegen den Tabellenletzten.

Seit Samstag wusste der HSV bereits: In der Relegation hieße der Gegner in einem Hin- und Rückspiel VfB Stuttgart. Besonders pikant: Walter war 2019 für ein halbes Jahr Trainer der Schwaben. Kurz vor Weihnachten trennte sich der Club damals vom 47-Jährigen. Im Sommer darauf stieg der Club auf – ohne ihn. Dass Walter den direkten Aufstieg unbedingt wollte, daran ließ er auch vor der Partie keine Zweifel – und setzte auf die Unberechenbarkeit des Sports. «Da passieren die verrücktesten Dinge, und darauf hoffen wir natürlich», sagte er dem Bezahlsender Sky. Das Glück war nicht auf Seiten der Gäste.

Der HSV kam schnell in die Partie: Ransford Königsdörffer flankte an den zweiten Pfosten, wo Dompé den Ball traumhaft per Volley-Abnahme traf. Die Hamburger kamen zu mehreren Möglichkeiten, um zu erhöhen, doch Robert Glatzel (21.) und HSV-Kapitän Sebastian Schonlau (28.) konnte ihre Kopfballchancen nicht nutzen.

In der zweiten Halbzeit fielen zwar die Fans der Gäste durch Jubel nach den Regensburger Toren auf, die Hamburger aber weniger durch spielerische Glanzleistungen. Die größte Chance hatte Hamburgs Moritz Heyer, der aus knapp 18 Metern lediglich den Pfosten traf. So blieb es bis zum Schlusspfiff beim knappen 1:0.

Den direkten Aufstieg verspielte der HSV allerdings nicht an diesem letzten Spieltag. Bis Anfang März überzeugten die Hamburger mit ordentlichen Leistungen und blieben dicht hinter Tabellenführer Darmstadt 98. Danach folgten Niederlagen in Karlsruhe (2:4), Kaiserslautern (0:2) und Magdeburg (2:3). Dabei hatte der HSV in der Saison nicht nur Probleme auf, sondern immer wieder neben dem Platz. Innenverteidiger Mario Vuskovic wurde wegen Dopings gesperrt, der Flügelspieler Dompé und der Verteidiger William Mikelbrencis waren Anfang Februar in einen Autounfall verwickelt. Und genau diese nervenaufreibende Saison geht jetzt noch in eine Verlängerung.

DAS SPIEL IN DATEN:

SV Sandhausen: Drewes – Dumic (65. Ganda), Zhirov, Diakhite – Diekmeier (60. Ajdini), Calhanoglu, Papela (82. Sicker), El-Zein, C. Kinsombi (82. Ademi), Bachmann – Evina (60. Pulkrab)

HSV: Heuer Fernandes – Heyer, David, Schonlau, Muheim – Meffert, Benes (19. Suhonen), Kittel (87. Krahn) – Königsdörffer (72. Bilbija), Glatzel, Dompe

Tore: 0:1 Dompé (3.)

Zuschauer: 12.400 (ausverkauft)

Schiedsrichter: Florian Badstübner (Nürnberg)

Gelbe Karten: Ademi / Suhonen, Kittel, Glatzel

SV Sandhausen – Ein letztes Aufbäumen trotz Abstieg?

SV Sandhausen – Ein letztes Aufbäumen trotz Abstieg?

Beim HSV ist alles auf die letzte Chance vorbereitet. Zwar fehlte Daniel Heuer Fernandes heute wegen einer Erkältung im Mannschaftstraining. Dafür trainierte der Keeper separat und wird am Sonntag ebenso spielen können wie alle anderen Spieler, die nicht wie Bakery Jatta (Gelbrot) und Ludovit Reis (5. Gelbe) gesperrt sind. Und während beim HSV optimistische Grundstimmung herrscht, gab es Hoffnung weckende Worte vom feststehenden Absteiger Jahn Regensburg, der parallel zum HSV in Sandhausen sein letztes Spiele gegen den FC Heidenheim absolviert – und alles geben will, dem HSV zu helfen.

Jahn-Coach Joe Enochs wird bei den Kollegen der BILD zumindest so zitiert: „Ich kann versprechen, dass wir als Mannschaft gegen Heidenheim alles tun werden, um ein gutes Spiel zu zeigen. Wir sind alle Sportler und ehrgeizig, wollen die Saison vernünftig beenden. Der letzte Erfolg bei Eintracht Braunschweig gibt uns viel Zuversicht, dass wir uns gegen Heidenheim vernünftig verabschieden werden. Das ist mir wichtig“, so Enochs. Aber zurück zum HSV beziehungsweise zum nächsten Gegner, den Cornelius wieder für uns seziert hat. Viel Spaß damit:

„Sandhausen ist eine sehr engagiert spielende Mannschaft, die hart verteidigt. Sie haben die meisten gelben Karten in der zweiten Liga, deswegen wird es ein hartes Spiel werden“, warnte Tim Walter im Vorfeld des vorerst letzten Saisonspiels des HSV gegen den SVS. Auch wenn der Klub aus dem Heidelberger Vorort bereits als erster Zweitliga-Absteiger feststeht, dürfte diese Partie alles andere als ein Selbstläufer werden. Am Hardtwald erwartet den HSV eine Mannschaft, die vor allem das gegnerische Spiel zerstören will – und das nicht immer mit fairen Mitteln. Die von Walter erwähnten 89 gelben Karten sind in der Tat Liga-Topwert. Keine Mannschaft beging in dieser Spielzeit mehr Fouls (13,5 pro Spiel). Walters Elf muss sich also auf einen unangenehmen Nachmittag einstellen. Dass die Mannschaft von Gerhard Kleppinger wenig für das eigene Offensivspiel tut, verdeutlichen auch die wenigsten Ballkontakte (485 pro Spiel) und die wenigsten Torschüsse (insgesamt nur 330) aller 18 Zweitligisten. Als zudem lauf- und zweikampfschwächstes Team der Liga findet sich der SVS zu Recht am unteren Ende der Tabelle wieder. Alle relevanten Spieldaten sprechen vor diesem Aufeinandertreffen klar für den HSV. Kein Grund jedoch, auf Hamburger Seite in Arroganz zu verfallen.

„Ich bin froh, dass der HSV letzte Woche gewonnen hat. So haben wir jetzt ein Spiel, bei dem ganz Fußball-Deutschland nach Sandhausen schaut“, freute sich Sandhausen-Coach Kleppinger. „Ich erwarte den HSV sehr spielstark, sie erzielen viele Tore und haben viele Positionswechsel in ihrem Spiel. Das macht die Aufgabe umso interessanter, wir wollen dem HSV das Leben so schwer wie möglich machen“, so der 65-Jährige. Kleppinger bewahrte die Sandhäuser 2021 vor dem sicher geglaubten Abstieg – und besiegte unter anderem den HSV im BWT-Stadion am Hardtwald mit 2:1.

Er hat also bereits beweisen, dass er spielerisch überlegende Teams ärgern kann. Auch damals sprachen im Vorfeld alle von einer „Pflichtaufgabe“ bzw. „Hausaufgabe“. Ein Vokabular, auf welches dieser Tage auch gerne in Hamburger Pressekonferenzen zurückgegriffen wird. Hoffen wir, dass Walter sein Team angemessen auf diese vorerst letzte Aufgabe vorbereitet hat. Genauso wie Heidenheim potentiell in Regensburg scheitern kann, könnte ein solches Schicksal auch den HSV ereilen.

Personell ist der SV Sandhausen gegen den HSV eingeschränkt. Mit Alexander Esswein, Ahmed Kutucu und Erik Zenga fehlen gleich drei Leistungsträger mit Gelbsperre. Augsburg-Leihgabe Raphael Framberger muss aufgrund einer Knieverletzung passen. Ex-HSVer David Kinsombi spielt in Kleppingers Plänen hingegen keine tragende Rolle mehr. In den vergangenen sechs Partien stand der Mittelfeldmann gerade einmal neun Minuten auf dem Rasen. Weitere Einsatzminuten werden auch gegen seinen Ex-Klub nicht dazu kommen, denn Kinsombi fehlt am Wochenende krankheitsbedingt. Ein anderer Ex-HSVer könnte hingegen ausgerechnet im letzten Saisonspiel zurückkehren. „Dennis Diekmeier ist ein Mentalitätsspieler, gerade gegen den HSV. Er ist eine Option und es ist durchaus denkbar, dass er startet“, verriet Kleppinger vor dem Spiel. Hoffen wir, dass Dennis Diekmeier am Sonntag gegen den HSV nicht wieder zum Torjäger wird. 

Es ist alles angerichtet für ein unfassbar spannendes Saisonfinale. Sowohl Heidenheim als auch der HSV gastieren bei Absteigern, daher kann im Vorfeld nicht auf eine vermeintlich ungleiche Motivation bei den jeweiligen Gegnern verwiesen werden.  Wobei ich hier kurz die theoretische Minimalchance des Regensburger Klassenerhalts nennen willl:  Der Jahn benötigt eine Bielfelder Niederlage und müsste mit 15 Toren Differenz gegen den FCH gewinnen. Ich glaube, in Regensburg kann man diese Ausgangslage realistisch einordnen. Heidenheim-Coach Frank setzt vor dem Saisonfinale auf Routine. „Wir machen nichts anders als sonst. Es gibt keinen Grund, irgendetwas zu verändern“, erklärte der 49-Jährige.

An einem solch finalen Spieltag verlaufen die Dinge jedoch erfahrungsgemäß alles andere als routiniert, deswegen lieben wir schließlich den Fußball. Ein Fußball-Wunder zugunsten des HSV würde dann irgendwie die Verrücktheit des 34. Spieltages bestätigen. Ich glaube, zur Konstellation am Wochenende ist nun wirklich alles gesagt. Lasst uns am Samstag erst einmal unser U21 die Daumen drücken, die mit einem Heimsieg gegen Flensburg Regionalliga-Meister werden kann! Am Sonntag werden wir von Moin Volkspark die Partie SVS-HSV dann live von der Auswärtscouch (Twitch, ab 15:15 Uhr) verfolgen.

Euch ein schönes Fußballwochenende und bis Sonntag,

Cornelius

Walter glaubt an direkten Aufstieg – und nimmt Königsdörffer in die Pflicht

Walter glaubt an direkten Aufstieg – und nimmt Königsdörffer in die Pflicht

Saisonfinale in Sandhausen. Da kommen Erinnerungen hoch, die man als HSVer wohl eher gerne gänzlich von der Festplatte streichen würde. Vor drei Jahren hatten die Rothosen unter Trainer Dieter Hecking durch ein blamables 1:5 gegen den SVS am letzten Spieltag die Chance auf den Relegationsplatz verschenkt. “Das war einmal”, kommentierte Walter das Sandhausen-Trauma des HSV. Den dritten Platz hat Walters Elf zumindest jetzt schon sicher, doch geht am Sonntag noch mehr? Viele HSV-Fans träumen insgeheim schon von Autokorsos und einem schwarz-weiß-blauen Fahnenmeer auf dem Rathausmarkt. Dass Heidenheim patzt ist unwahrscheinlich, aber eben nicht ausgeschlossen. Vor einigen Jahren hätten wir viel dafür gegeben, am letzten Spieltag noch direkt aufsteigen zu dürfen. Ein Bonusspiel also? Walter gab sich auf der Pressekonferenz gewohnt selbstbewusst: “Zweiter oder weiter”, fasste Walter die Ausgangslage zusammen. Etwas anderes bleibt dem HSV auch nicht übrig. Sollte das Wunder am Sonntag ausbleiben, geht es eben in die Relegation. Der Coach und seine Mannschaft glauben zumindest noch an den direkten Aufstieg, dass wurde auf der PK wieder einmal deutlich. Über Zwischenstände der Partie Regensburg – Heidenheim will der Coach am Sonntag aber laut eigener Aussage nicht informiert werden. “Wir müssen unser Spiel gewinnen, das ist das, was wir beeinflussen können”, antwortete Walter ausweichend. Tim Walter und sein Trainerteam werden mit großer Sicherheit – wie alle anderen HSVer auch – in den 90 Minuten jedoch ganz genau verfolgen, was sich in Regensburg abspielt. Druck erzeuge diese Konstellation jedoch nicht: “Wir sind entspannt und voller Vorfreude”, so Walter.

Beim Thema Relegation wurde Walter hingegen deutlicher: “Die Relegation ist für beide Mannschaften möglich, für uns und für Heidenheim. Wir spielen beide eine sehr gute Saison. Von der Punkteausbeute ist es unsere beste Saison, es ist schon hart mit so vielen Punkten nicht direkt aufzusteigen. Von daher sollte man vielleicht grundsätzlich einmal über die Relegation nachdenken”, klagte Walter. Ein kleiner Seitenhieb gegen DFB und DFL. Trotz der ungleichen TV-Geldverteilung und der immer größer werdenden Kluft zwischen erster und zweiter Liga, irritiert mich Walters Kritik an der Relegation. Der HSV hat viele Punkte liegen gelassen und steht nun zu Recht auf dem dritten Platz. Die Relegation an sich für einen möglicherweise erneuten Nichtaufstieg des HSV verantwortlich zu machen, erscheint vermessen.

Neben Walters Relegations-Kritik gab es heute aber auch überraschend klare sowie harte Worte in Richtung Ransford Königsdörffer. “Er muss Konstanz in seine Arbeitsweise und sein Spiel bekommen. Es ist wichtig, als junger Spieler immer an seine Grenzen zu gehen. Er ist ein junger Spieler, da kann er noch dazu lernen. Es ist nicht mehr Dresden, sondern der HSV. Das ist etwas ganz Besonderes, wir erhoffen uns noch viel mehr von ihm. Grundsätzlich macht er das aber ganz gut”, bewertete Walter Königsdörffers Trainingsleistungen. Ungewöhnlich für Walter, einen Spieler derart deutlich in die Pflicht zu nehmen. Walters Worte geben auch Aufschluss darüber, warum Königsdörffer in seinen Plänen seit der Rückrunde nur noch eine Nebenrolle zukommt. Schade, wie ich finde. Auch wenn Königsdörffer aktuell nicht die vom Trainerteam geforderte Konstanz zu zeigen scheint, halte ich ihn für einen der talentiertesten Offensivspieler unseres Kaders. Vielleicht bietet sich ja durch Jattas Sperre für ihn die Chance, zumindest in Halbzeit zwei gegen Sandhausen auf sich aufmerksam zu machen.

Während der gesamten Trainingswoche waren die Arbeiten am Bühnenaufbau für die Metallica-Konzerte auf dem Volkspark-Gelände zu vernehmen. Auch auf der PK war die Show der US-Musiker ein Thema. “Ich werde nicht hingehen, verbiete es meinen Spielern aber nicht”, meinte Walter. “Die Bühne ist anderswo für uns aufgebaut”, fügte er hinzu. Sollte der HSV in der Relegation antreten müssen, würde der HSV in Windeseile einen neuen Rasen verlegen müssen. Dieser müsste dann in nur vier Tagen in einen guten Zustand gebracht werden. Ein Unterfangen, auf welches die HSV-Greenkeaper wohl lieber verzichten würden. Erst einmal steht jedoch das Saisonfinale in Sandhausen an, der direkte Aufstieg ist noch möglich. Nun gilt es, alles in dieses vorerst letzte Spiel zu werfen. Wenn dann in Regensburg ein Wunder geschieht, darf gerne zu Metallica gerockt werden.

Einen schönen Abend euch und bis morgen, 

Cornelius