0:1 gegen Holstein Kiel – dieser HSV ist komplett gescheitert

0:1 gegen Holstein Kiel – dieser HSV ist komplett gescheitert

Die Marschrichtung war schon vor dem Spieltag klar. Und sie war nach dem 1:0-Sieg der Fortuna Düsseldorf noch deutlicher: Sechs Punkte lagen die Rheinländer vor dem HSV, dazu ein deutlich besseres Torverhältnis, das eigentlich einen siebten Punkt Vorsprung darstellt. Insofern wussten alle beim HSV, was die Uhr geschlagen hatte, als sie um 20.30 Uhr den Rasen des Volksparkstadions betraten: Sie MUSSTEN Gewinnen, wenn sie sich nicht heute schon endgültig von allen Aufstiegsträumen verabschieden wollten.

Und dafür bot HSV-Trainer Steffen Baumgart eine für mich zunächst negativ überraschende Startelf auf. Mit Öztunali, ohne Dompé – allein das reichte mir schon. Dass zudem auch noch Topscorer Laszlo Benes angeschlagen ganz ausfiel, machte es sogar noch etwas schlimmer – und es bestätigte sich alles. Der HSV verlor am Ende 0:1, obgleich er nach einer schwierigen Startphase über 90 Minuten zweifellos das aktivere Team war. Aber eben offensiv nicht zielsicher genug. Und so reichte es den Kielern, Die Kieler verlegten sich auf ihre stabile Defensive (zuvor schon fünf, jetzt sechs Spiele ohne Gegentor!) und hatten das Glück, sogar selbst einen Treffer zu erzielen.

Für den HSV bedeutet das, dass er mit sechs Punkten und 16 Toren Rückstand auf den Relegationsplatz eigentlich nur noch rechnerisch Chancen hat, aufzusteigen. Ein Moment, in dem man sich intern vielleicht wirklich einmal „detailversessen“ zur Analyse zusammensetzen sollte, um die richtigen Konsequenzen zu ziehen. Denn die sind nach dieser Saison zwingend nötig. Welche? Schaut und hört Euch das Blitzfazit an. Mich nervt es nur noch, darüber zu schreiben. Trotzdem werde ich es (wie gestern) in den nächsten Tagen machen, versprochen.

SPIELERBEWERTUNGEN:



MATHEO RAAP: 
Er musste in der Anfangsphase ein paarmal zugreifen – und tat das. Beim Gegentor monierte er, behindert worden zu sein – zurecht! Ansonsten ohne Fehler. Note: 3

IGNACE VAN DER BREMPT (bis 76.): Sein Comeback nach der Verletzung war sehr durchwachsen. Mit Öztunali vor ihm ging nach vor gar nichts – und nach hinten ließ er Kiel zu viel Platz. Seine Auswechslung für einen noch wirkungsloseren Jatta war allerdings ein Fehler. Note: 4

BAKERY JATTA (ab 77.): Meine Güte, was ist mit dem Gambier los? Hat er keine Lust? Kann er nicht mehr? Seit seiner Vertragsverlängerung bekommt der Außenstürmer wirklich gar nichts mehr auf die Kette. Was für ein bockloser Auftritt. Note: 6

DENNIS HADZIKADUNIC: Ich lege mich fest, dass er nicht der Grund ist, weshalb der HSV zu viele Gegentore fängt. Aber er verhindert auch zu wenig. Note: 4
SEBASTIAN SCHONLAU: 
Macht auf mich nicht den Eindruck, als hätte er alles mobilisiert, im Gegenteil: Er wirkt auf mich wenig überzeugt von dem, was der HSV aktuell unter Baumgart abliefert.! Note: 4

MIRO MUHEIN: Spielte solide, aber ohne den Zug und Druck nach vorn, der ihn in dieser Saison immer wieder hat überzeigen lassen. Heute kam keine Flanke, kein Pass in die Tiefe – das reicht dann leider nicht.  Note: 4

JONAS MEFFERT (bis 82.): Oha, das war deutlich zu wenig. Kam immer wieder zu spät, hatte keinen Zug nach vorn und wirkte am Ball zu wenig.  Note: 4

ANSSI SUHONEN (ab 83.): Durfte noch ein wenig mitspielen, blieb aber ohne Wirkung. Und heute auch ohne Note.

IMMANUEL PHERAI (bis 77.): Er ist für mich neben Öztunali die größte Enttäuschung dieser Saison. So ineffektiv ist er keine Verstärkung – obwohl er es zweifellos besser kann! Aber wie lange hält man an einem Spieler fest, der von Spiel zu Spiel enttäuscht? Dass er heute begonnen hat, lag an der Verletzung von Laszlo Benes, das möchte ich zumindest glauben. Aber dass er trotzdem so lange auf dem Platz bleiben durfte, kreide ich Baumgart an. Note: 5

ANDRAS NEMETH (ab 78.): Die Wirkungslosigkeit seines Spiels ist beeindruckend konstant. Schade, weil er wirklich viele Zutaten eines richtig guten Stürmers mitbringt. Aber für Konjunktive bekommt man eben nichts.Note: 5

LEVIN ÖZTUNALI (bis 70.): Weshalb er beginnen durfte, werde ich nie verstehen. Ich werte es als Experiment des Trainers, der sich eine „Wunderheilung“ Öztunalis erhoffte – vergeblich! Auch heute war Öztunali trotz mutigerer Aktionen absolut nie in der Lage, seine Ligatauglichkeit zu beweisen. Note: 5

MASAYA OKUGAWA (ab 71.): Die Leihgabe kommt nicht in Schwung. Ich befürchte, dass in drei oder vier Jahren der Großteil der HSV-Interessierten seinen Namen nicht mehr erinnern werden, so wenig bewirkt er. Auch heute war er bemüht, aber wirkungslos. Note: 4

RANSFORD KÖNGSDÖRFFER (bis 70.): Er will, er arbeitet – aber er bekommt es nicht hin. Sein erster Ballkontakt ist noch immer eine Katastrophe (bis auf eine Ausnahme). So wird er es schwer haben, seinen Startelfplatz zu behalten.  Note: 2

JEAN-LUC DOMPÉ: Konnte sich heute nicht so einbringen, wie zuletzt nach seiner Einwechslung in Magdeburg. Aber: Weshalb er heute nicht beginnen durfte, wird Baumgart beantworten müssen. Was für eine katastrophale Entscheidung des Trainers! Note: 4

ROBERT GLATZEL: Wer auch immer ihm gesagt hat, dass er dribbeln soll, gehört weggesperrt. Anstatt sich dauerhaft im Sechzehner aufzuhalten und auf Flanken sowie Zuspiele zu warten, agierte der Toptorjäger des HSV zu viel um den Sechzehner herum. Der unbedingte Wille fehlt bei ihm im Moment.. Note: 4

TRAINER STEFFEN BAUMGART: Er würfelte heute mal die Außenpositionen – und verzockte sich damit mächtig. Dass er mit dem bisher komplett versagenden Öztunali statt des zuletzt saustarken Dompés in der Startelf falsch lag, war vorher klar. Dass er diesen Fehler aber erst nach 70 Minuten korrigierte ist dramatisch schlecht. Spielerisch ist seit seinem Antritt und Hamburg nichts zu erkennen – abgesehen von einer rückläufigen Entwicklung. Note: 6

DIE STATISTIK ZUM SPIEL:

HSV: Raab – van der Brempt (76. Jatta), Hadzikadunic, Schonlau, Muheim – Meffert (82. Suhonen), Reis, Pherai (76. Nemeth) – Königsdörffer (69. Dompe), Glatzel, Öztunali (69. Okugawa)

Holstein Kiel: Weiner – Johansson, Erras, Ivezic – Becker, Sander, Holtby, Porath (24. Rothe), Skrzybski (72. Remberg) – Bernhardsson (80. Komenda), Machino (80. Pichler)

Tore: 0:1 Rothe (59.)

Zuschauer: 57.000 (ausverkauft)

Schiedsrichter: Sascha Stegemann (Niederkassel)

Gelbe Karten: Meffert / –

Gelb-Rote Karten: – / Holtby (73.)

Das Problem des HSV ist man selbst…

Das Problem des HSV ist man selbst…

Es ist vielleicht die anstrengendste Phase im Leben der HSV-Fans: Zum sechsten Mal in Folge scheint der HSV im Endspurt des Aufstiegsrennens zu stolpern und selbigen zu verpassen. Nicht nur große Namen wie Köln, Bremen, Stuttgart und Hertha BSC musste der HSV im Aufstiegskampf als Zweitligist den Vortritt lassen, auch Union Berlin, Paderborn, Bielefeld, Heidenheim und Darmstadt machten es besser und stiegen direkt auf. Dieses Jahr drohen mit dem FC St. Pauli und Holstein Kiel zwei unmittelbare Nachbarn vor dem HSV zu landen. Und während der FC St. Pauli wirtschaftlich schon näher am HSV dran ist, hat es Kiel mit einem Bruchteil der Mittel geschafft, die dem HSV Jahr für Jahr zur Verfügung stehen.

Und genau darin liegt auch ein Geheimnis der Underdogs, die Jahr für Jahr am HSV vorbeiziehen.

Denn woanders ist es eben nicht so, dass man sich selbst für „den Großen“ hält und von Spieltag zu Spieltag eigentlich nur verlieren kann. Woanders muss man nicht aufsteigen, sondern „kann“ oder tut es überraschend. Woanders kann man im Gegensatz zum HSV noch etwas gewinnen.

Und ja, es ist schwer, hier die richtige Mischung zu finden. Klar ist, dass sich der HSV für eine gute Vermarktung nicht schämen, sondern freuen darf. Der HSV erwirtschaftet mehr Geld durch Ticketverkäufe, Werbung und andere Sponsoren als der größte Teil der Zweiten Liga. Das einzige Problem ist: Viel Geld macht offenbar auch träge. So, wie einst unter Klaus Michael Kühnes Millionendarlehen, die einen vormals guten, neue Wege gehenden Sportchef wie Dietmar Beiersdorfer plötzlich gemütlich werden ließen. Er wirkte „satt“ und schlidderte von einem Zonk zum nächsten. Denn noch mal: Egal wie viel Geld man hat, gutes Scouting, schlaue Personalentscheidungen und eine stimmige Strategie sind tausendmal mehr wert als teure Einkäufe. Siehe Union, Paderborn, Pauli, Kiel…

Ich weiß, dass Sportchef Claus Costa alles andere als faul ist. Der Sportdirektor ist viel unterwegs, scoutet und schließt sich mit Sportvorstand Jonas Boldt ebenso wie mit dem jeweiligen Trainer kurz. Aber im Ergebnis kommen dabei zu wenig gute Spieler bzw. zu wenige Verbesserungen der eigenen Qualität heraus. Im Winter verpasste man es sogar komplett, die bekannten Baustellen zu beheben. Unter anderem, weil man nicht vorbereitet war auf die plötzliche Absage von Wunschkandidat David Zima (heute Slavia Prag) und zudem keinen Backup für Robert Glatzel sowie für die Außen fand.

Ein weiteres Problem beim HSV ist, dass man zu selten Spieler findet, die hier ihre Karriere starten. Heung Min Son und Jonathan Tah kamen aus dem eigenen Nachwuchs, Amadou Onana wurde ablösefrei verpflichtet – und sie alle brachten Geld sowie (Onana und Son) auch sehr gute Leistungen. Aber ansonsten wird es schon schwer, derart positive Beispiele zu finden. Aber: Derartig müssen sie auch nicht sein! Denn es würde schon reichen, wenn der HSV Spieler verpflichtet, die der Mannschaft Homogenität verleihen.

Nicht minder entscheidend ist dabei, wie sich der Verein in Gänze präsentiert. Nachdem man hier vor einigen Jahren per extra dafür aufgestellter Taskforce versuchte, ein (natürlich sehr teures!) Leitbild zu erarbeiten, ist von selbigem absolut nichts mehr übrig. Wer sich auf der Website umschaut, findet beispielsweise nichts, was auf die Identität des HSV hindeutet. Oder anders formuliert: Der HSV ist irgendwie alles – aber nichts so richtig.

Zur Wahrheit gehört auch, dass mit Jonas Boldt ein Sportvorstand zum Gesicht des HSV geworden ist, der polarisiert. Ich weiß, dass ihn hier die wenigsten mögen und/oder schätzen. Dennoch hat Boldt neben einigen umstrittenen Entscheidungen dem HSV auch sehr viel Gutes getan. Er hat die bedingungslose Loyalität zur eigenen Mannschaft (Rückendeckung Walter, Jatta, Vuskovic) bis auf die Spitze getrieben. Fast so, wie es ein Uli Hoeneß immer macht(e), ist Boldt (ich behaupte: sehr bewusst) alles andere als objektiv nach Spielen mit bitteren Entscheidungen gegen seinen HSV. Boldt legt keinen Wert darauf, sympathisch zu wirken, er versteht sich als Anwalt des HSV. Er macht den HSV zu seinem HSV. Und das ist erst einmal gut.

Aber es ist eben auch ein sehr schmaler Grat, auf dem Boldt wandelt. Denn diese Bedingungslosigkeit beinhaltet auch die Gefahr, arrogant zu wirken, sich irgendwann tatsächlich zu wichtig zu nehmen und mit Alleingängen viele Mitstreiter zu verprellen. Das gepaart mit der dauerhaft mit den Dauerquerelen in und um den Aufsichtsrat herum führen immer wieder zu Schlagzeilen, wie man sie von Klubs wie dem FC St. Pauli, Holstein Kiel und Düsseldorf in dem Maße beispielsweise nicht kennt.

Langem Geschreibe, kurzer Sinn: Der HSV ist inzwischen ein Zweitligist mit verbesserter Grundausstattung, aber schwacher Umsetzung. Der HSV hat es verpasst, die Zweitligamentalität auf seine Mitarbeiter zu übertragen – und hier insbesondere auf die Mannschaft. Sätze wie „wer aufsteigt, entscheiden nur wir“, „Zweite Liga schaue ich mir nicht an“ oder Ähnliches zeugen nur noch davon, dass der HSV überheblich denkt. Mit einem solch übertriebenen Selbstbewusstsein mag man viel und teuer Werbung verkaufen – aber so holt man in der Zweiten Liga eben keine Titel. Anders als andere, deutlich kleiner denkende Klubs…

Apropos, Holstein Kiel ist so ein Klub. Und der ist am Sonnabend zu Gast im Volkspark. Mit einem Mann als sportlich Verantwortlichen, der Carsten Wehlmann heißt und der für den HSV schon zu haben war. Zumindest hat der ehemalige HSV-Keeper und gebürtige Hamburger eine hohe Affinität zum HSV – und das war den Verantwortlichen hier sehr wohl bekannt. Bemüht hat man sich nie, obwohl Wehlmann sowohl in Kiel als auch in Darmstadt bewiesen hat, dass er ein außergewöhnliches Talent für erfolgreiche Kaderzusammenstellungen hat. Und wenn alles normal läuft, wird Wehlmann in diesem Jahr schon zum zweiten Mal in der Zeit aufsteigen, in der der HSV es vergeblich versucht hat. Aber das auch nur, weil es irgendwie so symptomatisch ist für die Personalpolitik des HSV in den letzten Jahren…

Aber bevor wir hier schwarzmalen: Noch hat der HSV rechnerisch die Möglichkeiten, aufzusteigen. Und positiv ist, dass der HSV in dem anstehenden Spitzenspiel gegen Holstein Kiel personell aus dem Vollen schöpfen kann. 23 Feldspieler und vier Torhüter hatte Trainer Steffen Baumgart heute im Training auf dem Platz, darunter auch der aktuell wichtigste Mittelfeldspieler, László Bénes, der gestern noch gefehlt hatte.

In diesem Sinne, wir hören und lesen uns morgen nach dem Spiel! Bleibt gesund!

Scholle

Und für alle, die sich auch für die Gegner interessieren, anbei noch ein Text von meinem sehr sympathischen Kollegen und Fußballexperten Claas Henning. Der hat einen sehr passenden Artikel über Holsteins Aufschwung geschrieben, den der HSV als Alarmsignal verstehen darf. Aber lest selbst:

Holsteins Höhenflug Richtung Bundesliga kein Zufall

Von Claas Hennig, dpa

Nach dem Umbruch im Sommer erwarten nur wenige, dass Holstein Kiel um den Bundesliga-Aufstieg spielt. Nun kommt das Team als Erster zum Top-Spiel zum HSV. Das Ergebnis einer langjährigen Entwicklung.

Hamburg – Wo Holstein Kiel ist, möchte der Hamburger SV gern sein – zumindest sportlich. Vor dem Top-Spiel der 2. Fußball-Bundesliga am Samstag (20.30 Uhr/Sky und Sport1) sind die Rollen im Norden vertauscht: Hier der Tabellenführer von der Förde, dort der Verein mit großer Vergangenheit und dem erneuten Zittern um den Aufstieg in der Gegenwart.

Dass die KSV als Favorit im Nordduell gilt, wird in Kiel als Anerkennung für die geleistete Arbeit in der bisherigen Saison gewertet. Die Favoritenrolle annehmen will aber niemand. Viel lieber wird über die Vorfreude gesprochen. „Grundsätzlich sage ich, wenn eine Mannschaft zum HSV ins Stadion fährt, dann ist der HSV Favorit. Egal bei welchem Spiel“, sagte der neue Sportchef Carsten Wehlmann. Tabellarisch seien die Vorzeichen anders. „Trotzdem wird der HSV in 99 Prozent solcher Spiele der Favorit sein. Aber da haben wir keine Angst vor. Wir freuen uns auf das Spiel.“ Mittelfeldspieler Finn Porath, einer von drei Ex-HSVern neben Lewis Holtby und Fiete Arp im Holstein-Kader, spricht von einem „Highlight, dort zu spielen. Egal, ob wir Erster sind oder Zwölfter“.

Holstein Kiel tritt aus dem Schatten 

Der Verein bleibt bescheiden. Der deutsche Meister von 1912 hat nicht die Strahlkraft wie der Hamburger SV, auch nicht wie der FC St. Pauli. Das weiß jeder in Kiel. Dennoch: der Club wird inner- und außerhalb der Stadt mittlerweile neben Handball-Rekordmeister THW Kiel oder dem Segelfest „Kieler Woche“ wahrgenommen. „Damals gab es eigentlich nur den HSV. Auch hier in der Stadt und bei mir zu Hause auf dem Land gab es nur den HSV“, erinnerte sich der gebürtige Eutiner Porath (27). „Da freue ich mich natürlich, dass jetzt auch einige mit Kiel-Trikots herumlaufen.“ Für die Menschen in Kiel sei es noch immer etwas Besonderes, „dass wir in der 2. Liga spielen“.   

Möglicherweise müssen sie sich bald schon an eine neue Liga gewöhnen. Sollte der Aufstieg gelingen, wäre das historisch: Noch nie spielte ein Verein aus Schleswig-Holstein in der Fußball-Bundesliga. Es wäre der vorläufige Höhepunkt einer Entwicklung, die vor 15 Jahren begann.

Neuer Sportchef Wehlmann als Zeitzeuge

Sport-Geschäftsführer Wehlmann ist Zeitzeuge für die Entwicklung der vergangenen anderthalb Jahrzehnte. Von 2009 bis 2018 war er Chefscout und Torwart-Trainer in Kiel, erlebte den Aufstieg aus der Regionalliga Nord in die 3. Liga und 2017 in die 2. Bundesliga. 2018 ging Wehlmann für fünf Jahre als sportlich Verantwortlicher zu Darmstadt 98 und stieg 2023 mit den Hessen in die Bundesliga auf. Im März kehrte der 51-Jährige zurück und arbeitet mit dem zum Saisonende freiwillig ausscheidenden Uwe Stöver zusammen. „Infrastrukturell, gerade bei den Trainingsbedingungen, hat sich einiges getan, auch die Anzahl der Mitarbeiter hat sich erhöht“, stellte Wehlmann nach seiner Rückkehr fest. „Sportlich hat man sich auch weiterentwickelt, seit ich weggegangen bin. Und das meine ich unabhängig von der derzeitigen sportlichen Situation.“ 

Dass die Mannschaft fünf Spieltage vor dem Saisonende ganz oben in der Tabelle steht, war nicht zu erwarten. 16 Spieler hatten den Verein im Sommer verlassen, darunter Säulen wie Kapitän Hauke Wahl (FC St. Pauli) und Fabian Reese (Hertha BSC). Stöver blieb der Holstein-Philosophie treu und holte vor allem entwicklungsfähige Spieler. 

Die Mischung macht’s

Aus ihnen und erfahrenen Profis wie Ex-Nationalspieler Holtby (33) oder Torjäger Steven Skrzybski (31) formte Trainer Marcel Rapp eine Einheit. „Ich bin stolz, Teil dieses Teams zu sein“, sagte Mittelfeld-Antreiber Holtby, in dessen Vita auch Clubs wie Schalke 04, VfL Bochum, Mainz 05 oder Tottenham Hotspur stehen. „Jeder einzelne, der dich morgens begrüßt, kommt mit Freude zum Fußball, hat Bock aufs Team.“  

Nach zuletzt fünf Siegen ohne Gegentor ist Kiel in der Pole-Position für den Aufstieg. Einen Punkt stehen die Kieler vor St. Pauli, sechs Zähler vor Fortuna Düsseldorf auf dem Aufstiegsrelegationsplatz und neun Punkte vor dem HSV. „Wir spielen sehr leidenschaftlichen Fußball, gepaart mit inhaltlichem Fußball. Ich glaube, das ist die Formel, warum wir dort stehen, wo wir stehen“, erklärte Rapp (45), seit Oktober 2021 an der Förde.  

Wehlmann sieht den Verein „natürlich“ bereit für den (Aufstiegs-)Fall der Fälle. „Es werden alle Vorkehrungen getroffen, dass, wenn der Fall eintreten sollte, wir auch in der Liga spielen können.“ Der Verein habe gezeigt, dass er sich Stück für Stück entwickeln wolle. „In diesem seriösen und ruhigen Umfeld ist noch Perspektive und Potenzial.“

Alle Mann an Bord vor dem Derby gegen Liga-Primus Kiel

Alle Mann an Bord vor dem Derby gegen Liga-Primus Kiel

Er versuchte, möglichst gelassen zu bleiben und auch so zu wirken. Von einem Finalspiel jedenfalls wollte HSV-Trainer Stefan Baumgart nicht sprechen. Allerdings konnte auch er nicht leugnen, dass der Druck vor dem Topspiel am Sonnabend gegen Tabellenführer Holstein Kiel (Anpfiff um 20.30 Uhr im Volksparkstadion) für ihn und den HSV groß ist. Selbst verschuldet wohlgemerkt. „Wir haben unsere Hausaufgaben nicht gut gemacht. Deswegen sind wir Vierter. Drei Punkte hintendran auf den Relegationsplatz, den Düsseldorf hat“, beschrieb der 52-Jährige in der heutigen Pressekonferenz die Ausgangslage im Saisonfinale seines Klubs.

Und damit liegt er absolut richtig. Der HSV hatte zuletzt immer wieder Probleme, seine Spiele zu gewinnen, während Fortuna Düsseldorf (neun Liga-Spiele ungeschlagen) und Holstein Kiel (sechs Spiele ungeschlagen) stabil punkteten. „Da muss man sagen, überragend weitergemacht“, lobte Baumgart seine Konkurrenten und gab die Marschrichtung für sich und den HSV vor: „Wir müssen erst einmal unsere Hausaufgaben machen. Wir brauchen auf keinen der drei vor uns zu gucken. Wir müssen unsere Spiele gewinnen, müssen punkten.“ Und auch das stimmt natürlich. Am Ende werde man sehen, ob der eine Punkt beim 1. FC Magdeburg (2:2) etwas wert war und „ob das Spiel am Wochenende schon ein endgültiges Ergebnis hat, das werden wir sehen“.      

Ein Sieg gegen Kiel ist dringend nötig. Dass Holstein Kiel momentan ligaweit vielleicht die schwerste ist, darf dabei keine Rolle spielen. Obgleich sie genau das machen, was ich beim HSV seit Jahren vermisse und gleichzeitig immer als die Basis des Aufstiegs bezeichnet habe: Sie verteidigen am besten. In den vergangenen fünf Spielen erzielte man 13 Tore und gewann fünf Partien, ohne ein Gegentor hinnehmen zu müssen. Resultat: Der Herbstmeister holte sich die Tabellenführung zurück und hat bei nur noch fünf Spielen die besten Chancen, erstmals in ihrer Vereinsgeschichte in die Bundesliga aufzusteigen. Vor dem FC St. Pauli, vor Fortuna Düsseldorf – und vor dem HSV.  

Eine Szenerie, die Baumgart als Ergebnis jahrelang guter Arbeit erachtet. „Sie haben sich jedes Jahr weiterentwickelt. Es ist eine sehr stabile, zusammengewachsene Mannschaft mit einem sehr guten Plan in alle Richtungen. Nicht nur beim Anlaufen, sondern auch beim tiefen Verteidigen, im Umschaltspiel. Und sie haben sehr gute Abläufe“, schwärmte Baumgart vom Nordrivalen, den vor der Saison nicht wenige eher im unteren Drittel vermutet hatten.

Aber auch ohne die Tabellensituation bietet das Duell des HSV gegen den KSV ausreichend Potenzial und Brisanz. Da der HSV in den letzten Jahren in der Zweiten Liga zuhause gegen Holstein Kiel nie gewinnen konnte (vier Remis, eine Niederlage), dazu in Kiel nur einen Sieg einfuhr, spricht auch aktuell viel für die Kieler. „Grundsätzlich haben alle Spieler voll Bock auf das Spiel“, sagte Kiels Trainer Marcel Rapp am Donnerstag. „Wenn vor der Saison der Spielplan ‚rauskommt, schauen 70 Prozent der Jungs: Wann spielen wir gegen den HSV?“ Und ganz ehrlich: Ich glaube nicht, dass das andersrum auch alle HSV-Spieler machen. Leider nicht. 

Dabei bietet das Nordderby genügend Ansätze für ein besonderes Duell. Neben der geografischen Nähe spielen mit Lewis Holtby, Finn Porath und Fiete Arp gleich drei Ex-HSVer bei Holstein. Auf HSV-Seite agiert der frühere Kieler Jonas Meffert als Cheforganisator im defensiven Mittelfeld. Aber da beim HSV alle Verantwortlichen Jahr für Jahr betonen, wie besonders es doch immer wieder für die Gegner sei, gegen den HSV zu spielen, so sehr hat sich beim HSV der Gedanke manifestiert, immer der Favorit zu sein, der etwas zu verlieren hat. Oder anders formuliert: Abgesehen vom Stadtderby gibt es kein wirklich besonderes Spiel mehr. 

Dennoch sieht Holstein-Trainer Rapp sein Team nicht als Favorit. „Wenn jemand sagt, dass Kiel in Hamburg Favorit ist, dann ist das erst einmal ein ganz großes Kompliment für den ganzen Verein für die ganze Saison, die wir bisher abgerissen haben. Wen man genauer hinsieht, ist das aber nicht so. Wenn man das Stadion sieht, wenn man die beiden Mannschaften sieht, die gegeneinander spielen“, könne man diesen Gedanken nicht aufrechterhalten, so Rapp.

Wie gut für Baumgart, dass er personell keine Sorgen hat. Dennis Hadzikadunic, der in Magdeburg wegen einer Erkältung gefehlt hatte, wird seinen Platz in der Innenverteidigung neben Sebastian Schonlau wieder vom rotgesperrten Guilherme Ramos übernehmen. Auch der 16-fache Torschütze Robert Glatzel sowie Jean Luc Dompé dürften nach überstandenen Verletzungen nach ihrem starken Auftritt in Magdeburg am Sonnabend wieder in die Startelf zurückkehren. Heute im Training fehlte auch Laszlo Benes, dessen Ausfall für den HSV schwerwiegend wäre. Der Mittelfeldmann trainierte separat. Sein Einsatz am Sonnabend gegen Kiel ist aktuell noch offen – die Hoffnungen aber groß, dass er es rechtzeitig schafft.

Sicher nicht dabei sein wird Tom Sanne, der hier im Blogforum ja immer wieder mal gefordert wurde. Heute begründete Baumgart seine Maßnahme auch: „Was Torjäger-Qualitäten angeht, macht er das sehr gut. Darüber kann er sich weiter anbieten, dass wir ihn im Sommer ins Trainingslager mitnehmen. Er mag in der Regionalliga ein Torjäger sein, aber wir reden von der Bundesliga, der 2. Liga, da gehören noch ein, zwei andere Faktoren dazu“, erklärte Baumgart heute. Aber es sei schon auffällig, dass er dazu in der Lage sei, das ein oder andere Tor zu machen. „Deswegen haben wir ihn natürlich immer auf dem Schirm.“

In diesem Sinne, Euch allen einen schönen Abend mit einem Weiterkommen des besten deutschen Fußballteams, hoffentlich!

Scholle

Warum lässt Baumgart  wie Walter spielen?

Warum lässt Baumgart wie Walter spielen?

Das eine ist, was man mit dem bloßen Auge sehen kann. Das andere ist das, was die Zahlen aussagen. Und gerade bei Letzterem verlassen wir von MoinVolkspark.com uns immer wieder sehr gern auf die Expertise von createfootball.com und dessen Gründer Mats Beckmann. Mit dem habe ich heute mal wieder ausführlich über den HSV sprechen können. Dabei ging es um alles, was aktuell wichtig ist, wie zum Beispiel die taktischen Änderungen Steffen Baumgarts und deren Wirkung, das Problem mit der Offensive und natürlich die Aussichten im Aufstiegskampf. Aber seht selbst: 

Und wie versprochen, hat mir Mats die Daten, die er angesprochen hatte, auch noch mal stichwortartig rübergeschickt. So zum Beispiel das, was sich uns auch nach dem Sieg gegen den 1. FC Kaiserslautern so dargestellt hatte, nämlich, dass es ein mehr als glücklicher Sieg war. Denn der FCK hatte über drei xG (expected Goals / Torwahrscheinlichkeit). Mit anderen Worten: Der Sieg des HSV war statistisch mehr als glücklich. Und wenn wir ehrlich sind, sah es auch so aus…

Viel besser war das ZSV-Spiel in Magdeburg nicht. Zumindest nicht bis zur Einwechslung von Jean-Luc Dompé. Diese beiden hatten einen ganz wesentlichen Anteil, dass sich die stringenten Positionsangriffe mit vielen Abschlüssen (nach zuvor unter 20% gegen den FCK nun über 40% abgeschlossener Angriffe) verbesserten. Dompé lieferte nach seiner Einwechslung mit acht von neun gewonnenen Offensivzweikämpfen die Basis und lieferte auch dem ebenfalls eingewechselten Glatzel und dem einzig torgefährlichen Mittelfeldmann, Laszlo Bénes starke Vorarbeiten. Zudem war er deutlich anspielbarer als sein Vorgänger auf Linksaußen, Ransford Königsdörffer.

Insgesamt, und das war ebenso sichtbar wie es sich von den Zahlen belegen lässt, war die linke Seite mit Dompé vor Miro Muheim deutlich stärker. Letztgenannter fand ihn achtmal mit Vertikalpässen. Apropos Muheim: Der wird hinten raus immer mehr zum besten Spieleröffner. Neun von Muheim gespielte Pässe auf Benes waren die Basis für das besser werdende Passspiel unter Steffen Baumgart. Zudem war Benes enorm präsent, empfing viele Pässe, war der Dreh- und Angelpunkt und spielte zudem neun Schlüsselpässe in den letzten 3 Spielen – mehr schaffte sonst niemand.

Was alle diese Zahlen zeigen, ist ein Trend in der Ära Baumgart: Mehr offensive Gefahr aber auch höheres Risiko defensiv. Der FCK und der FC Magdeburg erspielten sich im Schnitt rund 12 Chancen gegen den HSV – bis hierhin ließ der HSV unter Baumgart nur sechs Torchancen pro 90 Min. zu. Oder anders formuliert: Der HSV hat unter Baumgart wieder das Problem, das er schon unter dem auch deshalb geschassten Tim Walter hatte. Baumgart lässt wie Walter spielen – mit einer noch höheren Pressinglinie…

Allerdings gibt es auch Unterschiede zu erkennen. Und nicht nur positive: Zum Beispiel ist die Flankenquote unter Baumgart deutlich zurückgegangen. Gerade einmal 19% statt der zuvor unter Walter 28% kommen an. Wobei man hier festhalten muss, dass das Fehlen Glatzels in den letzten Partien hier maßgeblichen Anteil hatte. Mit Ihm ist die Quote auch für Baumgart etwas besser.  Dieser legte zuletzt den Fokus auf Eins-gegen-Eins-Duelle. Königsdörffer, Dompé und Jatta sollen dies erledigen und schafften unter Baumgart zuletzt 23 pro 90 Minuten unter Baumgart, während es unter Walter nur 17 waren.

Die Frage ist aber, warum das so ist. Und hier bin ich mir relativ sicher, dass Baumgart das nicht freiwillig so spielt. Ebenso sicher bin ich mir, dass diese Mannschaft taktisch so festgespielt war/ist auf die Walter-Taktik, dass jegliche Veränderungen zu Unsicherheiten führen. Zudem muss man eingestehen, dass dieser Kader den Ausfall von einem Robert Glatzel nicht verkraftet. Hier wie in der Innenverteidigung wurde im Winter Verbesserung verpasst. Und, wie zu sehen war, ist selbst ein Dompé inzwischen nicht mehr gleichwertig zu ersetzen. Was das über Spieler wie Andras Nemeth und Königsdörffer aussagt, kann sich jeder selbst denken…

Komplimente für Baumgart gibt es aber dennoch – ausgerechnet vom nächsten Gegner Holstein Kiel. Und das auch noch von einem ehemaligen Hamburger, in Hamburg höchst umstritten inzwischen beim Tabellenzweiten die Fäden im Mittelfeld zieht:  Lewis Holtby. „Ich kenne Steffen Baumgart nicht gut, aber auffallend ist: Er scheint ein Menschenfänger zu sein, der in Paderborn mit dem Durchmarsch von der dritten Liga in die Bundesliga Sensationelles geleistet hat“, sagte Holtby der „Sport Bild“. Und weiter: „Danach war er lange sehr erfolgreich in Köln, führte den FC in den Europacup. Er gibt einer Mannschaft in kürzester Zeit große emotionale Energie, das sieht man jetzt beim HSV.“ Um auch hier statistisch zu bleiben: In Sachen Laufleistung ist diese Begeisterung noch nicht durchgeschlagen. Hier liegt man auf Rang neun in der Ligatabelle – der FC St.Pauli und Fortuna Düsseldorf führen diese Tabelle an, Holstein Kiel ist vier Ränge vor dem HSV…

Mal sehen, was es am Sonnabend wird. Kleiner Tipp für alle, die das Video noch nicht gesehen haben: Darin verrät Mats, wie er die Startelf aufstellen würde. Mit einer Überraschung, die ich mehr als spannend fände…!

In diesem Sinne,

Scholle

Trotz Comeback in Unterzahl: So reicht es einfach nicht!

Trotz Comeback in Unterzahl: So reicht es einfach nicht!

Der HSV dreht in der letzten Minute ein verloren geglaubtes Spiel in Magdeburg noch in ein 2:2 und rettet damit einen Punkt – der aber deutlich zu wenig ist für die eigenen Ansprüche. Die letzten 25 bis 30 Minuten in Magdeburg haben zudem gezeigt, wie viel mehr heute möglich gewesen wäre. Und in Summe kann und darf niemand mit diesem Spiel zufrieden sein. Im Gegenteil: Die erste Stunde des Spiels war ein weiterer Rückschritt des HSV, der erst wieder auflebte, als Jean Luc Dompé und Robert Glatzel eingewechselt wurden. Das Blitzfazit:

SPIELERBEWERTUNGEN:

MATHEO RAAB: Denn ersten Elfer kann er halten, den zweiten muss er halten. Vor allem aber muss er den zweiten Elfer verhindern, indem er klarer zum Ball geht, anstatt daran vorbeizulaufen. Insgesamt trotz guter Aktionen so ein wesentlicher Teil des enttäuschenden 2:2.  Note: 4,5

LUDOVIT REIS: Beim zweiten Elfmeter für Magdeburg ist er von Raabs Aktion überrascht und rutscht seinem Gegenspieler in die Beine – bitter. Ansonsten heute ohne auffällige Aktionen. Ich hoffe sehr, dass er mit der Rückkehr von van der Brempt im Mittelfeld wieder wichtig wird. Note: 4

SEBASTIAN SCHONLAU: Dass einfache lange Bälle über die Abwehr noch zu hundertprozentigen Chancen für den Gegner führen, liegt auch an ihm und seiner Organisation. Dass er in der zweiten Halbzeit das Spiel offensiv mit ankurbelte und sogar selbst traf macht aus der 5 für die erste Halbzeit und die 2 aus der zweiten Halbzeit eine  Note: 3
GUILHERME RAMOS: 
Das rustikale Spiel gehört zu seiner Zweikampstärke – und leider auch zu solch unbeholfenen Aktionen wie vor der Roten Karte. Dass diese aus meiner Sicht falsch war, dabei bleibe ich. Für den Innenverteidiger ist es besonders bitter, weil er jetzt gesperrt wohl wieder zusehen muss, wie seine Konkurrenten sich seinen Platz sichern. Note: 5

MIRO MUHEIN: Spielte unaufgeregt und solide defensiv. Offensiv kann er mehr, als das haute. Aber auf ihn kann man sich verlassen.  Note: 3

JONAS MEFFERT (bis 90.): Köpfte spät den Ausgleich und war im Mittelfeld sehr viel unterwegs – aber für eine stabile Ordnung des Zentrums sorgte er nicht. Von daher hat er seinen Job heute trotz des Kopfballtreffers in der 90. Minute nicht erfüllt.  Note: 3,5
LASZLO BENES: 
Er ist aktuell die einzige Torgefahr, solange Dompé und Glatzel nicht auf dem Feld stehen. Und das bewies er heute auch wieder. Aber auch er muss deutlich mehr für das Offensivspiel tun als heute. Note: 4

BAKERY JATTA (bis 61.): Ohne seine schnellen Läufe über die Außen ist er wirkungslos und meistens – so wie heute – fürs HSV-Spiel überflüssig. Das war mal wieder dürftig vom Gambier. Note: 5

JEAN LUC DOMPÉ (ab 61.): Brachte sofort Schwung ins Spiel und dürfte einen Startplatz am kommenden Wochenende sicher haben, sofern unter der Woche nichts ungewöhnliches passiert. Er war die Wende, das war wirklich sehr ordentlich! Note: 2

ANDRAS NEMETH (bis 61.): Er sollte sich endlich beweisen und bewies, dass man auf ihn nicht setzen kann. So war selbst Raab mit ein, zwei langen Bällen nach vorn mehr an der Offensive beteiligt als der Angreifer, der diesen Status weiter sportlich nicht erfüllt. Schwach. Note: 5

ROBERT GLATZEL (ab 61.): Zusammen mit Dompé war er der Grund, weshalb der HSV offensiv plötzlich zünden konnte. Und auch wenn er wieder nicht getroffen hat (den Kopfball macht er sonst eigentlich rein…) hat seine Einwechslung noch einmal deutlich gemacht, dass der HSV auf ihn vorn angewiesen ist. Note: 3

IMMANUEL PHERAI (bis 30.): Ballverluste, verlorene Zweikämpfe und geblockte Schüsse bis er taktisch bedingt ausgewechselt wurde. Das war mal wieder nicht sein Tag. Und weil er eh schon scheiße drauf sein dürfte, erspare ich ihm hier die schwache Note.

STEPHAN AMBROSIUS (ab 30.): Zu Beginn seiner Spielzeit dachte ich, er könne aus irgendeinem Grund nicht sprinten. Im Laufe des Spiels wurde das etwas besser. Aber um sich die Position neben Schonlau zu sichern, muss er mehr zeigen. Note: 4

RANSFORD KÖNGSDÖRFFER (bis 84.): Mit weniger Licht als Schatten wurde er ausgewechselt, als ich ihn gerade besser werdend sah. Aber auch er muss mehr Einfluss und Verantwortung für das eigene Offensivspiel des HSV nehmen. So reicht das nicht. Note: 4

MASAYA OKUGAWA (ab 84.): Er kam und hatte ein paar Aktionen, die gut begannen und schlecht endeten. Aber um ihn zu beurteilen, bedarf es mehr Spielzeit. Mal sehen, ob die Leihgabe diese noch bekommt.

TRAINER STEFFEN BAUMGART: Er bekommt die Mannschaft einfach nicht in die Spur, mal 90 Minuten halbwegs souverän aufzutreten. Dass die Mannschaft am Ende noch in Unterzahl zurückkommt, zeigte, was in Magdeburg möglich gewesen wäre, wenn man 90 Minuten Gas gibt. So dürfte auch Baumgart alles andere als zufrieden sein. Note: 4

DIE STATISTIK ZUM SPIEL:

1. FC Magdeburg: Reimann – Hoti, Gnaka, Heber – Bockhorn, El Hankouri (90.), Conde, Bell – Atik (81. Nollenberger), Schuler (81. Lawrence), Teixeira (68. Ito)

HSV: Raab – Ramos, Schonlau, Muheim – Meffert, Reis – Jatta (61. Dompe), Pherai (30. Ambrosius), Benes, Königsdörffer (84. Okugawa) – Nemeth (61. Glatzel)

Tore: 1:0 El Hankouri (34., FE), 2:0 El Hankouri (45.+7, FE), 2:1 Schonlau (67.), 2:2 Meffert (90.+4)

Zuschauer: 27.000 (ausverkauft)

Schiedsrichter: Dr. Robert Kampka (Mainz)

Gelbe Karten: Schuler, Conde / – 

STIMMEN ZUM SPIEL:

Steffen Baumgart: Bis zu den fragwürdigen Entscheidungen mit den Elfmetern war es ein ausgeglichenes Spiel, in dem beide Mannschaften keine großen Möglichkeiten hatten. Die Elfmeter-Situationen sehe ich mit der HSV-Brille natürlich ein wenig anders. Beide Entscheidungen waren unglücklich. In der Halbzeit haben wir aber Ruhe bewahrt. Im zweiten Durchgang sind die Jungs über die Grenzen gegangen, so wie ich mir das vorstelle. Wir hatten mehrere hundertprozentige Chancen, hätten sogar noch gewinnen können. Deswegen bin ich einerseits enttäuscht, andererseits aber auch stolz auf die Moral der Jungs.

Christian Titz (Trainer FC Mgdeburg): Bis zur 65. Minute hatten wir die Kontrolle über dieses Spiel. Mit dem Gegentor sind wir nicht mehr gut angelaufen, haben das Spiel aus der Hand gegeben und nicht mehr sauber zu Ende gespielt. So müssen wir uns heute mit dem 2:2 zufriedengeben, obwohl der Ausgleich in der letzten Minute sehr unglücklich ist.

Sebastian Schonlau: Wir haben immer weiter gemacht, egal wie aussichtslos die Situation war. War lagen zur Pause mit 0:2 hinten, hatten einen Mann weniger und 25.000 Fans gegen uns. Da gibt es nicht wenige Mannschaften, die noch so eine zweite Hälfte zeigen. Doch das ist uns gelungen und darauf können wir heute stolz sein. Wir haben diese unbedingte Gier gezeigt, dass sich alle aufreißen für den Verein. Die Art und Weise wie wir mit den Rückschlägen und den Elfmetern umgegangen sind, zeigt, was in uns steckt. Das wollen wir in den letzten fünf Spiel mitnehmen. 

Jonas Meffert: Die Mannschaft hat heute einfach Charakter gezeigt. Der Start war mehr als unglücklich mit der Roten Karte, dem Elfmeter und dem zweiten Gegentor kurz vor der Pause. Das war alles extrem bitter, es lief alles gegen uns. Wir sind zum Glück in der zweiten Hälfte trotz einer überragenden Torwartleistung von Reimann noch zurückgekommen. Wir haben dann ein wenig alles oder nichts gespielt. Dompé hat unglaublichen Schwung gebracht und auch die Präsenz von Bobby hat uns geholfen. Ich freue mich für die Mannschaft, dass wir uns für den Einsatz belohnt haben. So müssen wir auch die letzten Spiele angehen. Aufgeben ist keine Option.

Matheo Raab: Wir waren auch schon vor dem 0:1 da und hatten gute Chancen. Nach dem Rückstand und der Roten Karte mussten wir uns dann erstmal wieder sortieren. Das ist uns trotz eines zweiten Gegentores dann gelungen. Im zweiten Durchgang hätte man denken können, dass wir einen Spieler mehr haben. Wir müssen aus dieser Hälfte unglaublich viel Kraft für die letzten Spiele ziehen. Wir wollten natürlich zwei Punkte mehr, aber wir haben gezeigt, dass wir selbst zu zehnt Rückstände aufholen können. Das sollte uns enormen Schub geben.

Glatzel ist in Magdeburg wieder dabei – aber Nemeth beginnt

Glatzel ist in Magdeburg wieder dabei – aber Nemeth beginnt

Endlich mal wieder ein echter Top-Transfer für den HSV.  „Das zeigt doch, dass der HSV nicht nur im Herrenbereich attraktiv ist“, war auch HSV-Trainer Steffen Baumgart bei der Pressekonferenz vor der wichtigen Partie beim 1. FC Magdeburg am Sonntag (13.30 Uhr) begeistert. „Schade“ nur, dass es sich bei diesem Transfer um die neue Torhüterin der HSV-Frauen handelt, Ex-Welttorhüterin Almuth Schult, den der HSV der ehemaligen Welttorhüterin Almuth Schult zum HSV. Die 33-Jährige unterschrieb nach ihrem Mutterschutz zunächst einen Vertrag für die letzten sieben Spiele dieser Saison beim Frauen-Zweitligisten.

Dieser schillernde Transfer bei den Frauen reichte aber nicht, um über die weiterhin unbefriedigende Situation der Männer zu überstrahlen. Denn die ist präsenter, als es vielen lieb ist. Der HSV steht aktuell einen Punkt hinter dem relegationsplatz (Fortuna Düsseldorf), der Zweite Kiel ist sieben Punkte entfernt – und das bei nur noch sechs verbleibenden Spieltagen. Baumgart gibt sich dennoch kämpferisch und klar. Er glaubt weiter an den direkten Aufstieg. „Wir haben die Möglichkeit, Zweiter zu werden, auch wenn der Weg lang ist. Der erste Schritt sollte aber erst mal sein, Dritter zu werden. Ich muss nicht zur Jagd auf Kiel oder St. Pauli blasen, wenn ich gerade Vierter bin und erst mal Düsseldorf einholen muss.“

Baumgart, der gerade bekräftigte, auch bei einem erneut gescheiterten Aufstiegsversuch Trainer des HSV bleiben zu wollen, trifft dabei am Sonntag auf einen alten Bekannten. Baumgart war selbst zwischen April 2009 und März 2010 Trainer in Magdeburg und hat ganz offenkundig keine besonders schönen Erinnerungen. „Ich habe in Magdeburg eine Vergangenheit. Aber es gibt andere Stationen in meiner Vergangenheit, die wichtiger sind“, sagte er heute. Man merkte, dass er deutlich machen wollte, wie schlecht er sich behandelt fühlte („Man darf nicht vergessen, dass es nach meiner Entlassung nicht besser, sondern schlechter wurde“). Aber zeitgleich wollte er das Thema nicht unnötig anheizen. 

Magdeburg wird eh schwierig genug. Magdeburg wurde vor der Saison von einigen als Geheimfavorit genannt und steckt heute als Zwölfter schon im Abstiegskampf. Nur zwei Punkte trennen den Club von Ex-HSV-Coach Christian Titz vom Abstiegs-Relegationsrang. Wie der HSV gegen die sehr ähnlich spielerisch orientierten Magdeburger (Baumgart: „Sie verfügen über eine hohe spielerische Qualität) auftreten will? Mit Robert Glatzel! Allerdings zunächst auf der Bank.

Der Torjäger rückt nach seiner Verletzung wieder in den Kader. Allerdings wird es nicht für einen Einsatz von Beginn an reichen. „„Er könnte starten, er wird aber nicht starten, weil ich jemand bin, der klare Prinzipien hat“, so Baumgart, der erstmal froh ist, „dass er wieder dabei ist“. Glatzel würde aber nur beginnen, wenn Nemeth in der Nacht noch etwas zustoße. „Davon gehen wir nicht aus.“ Deswegen dürfe der 21-Jährige „auf den letzten beiden Spielen aufbauen“. Getroffen hat Nemeth dabei nicht, er wartet inzwischen schon seit mehr als einem Jahr auf sein nächstes HSV-Tor. Auch deshalb wurde intern schon über ihn diskutiert. Anders Baumgart. Der machte heute deutlich, dass er viel von Nemeth halte und dieser ihm zuletzt sogar gefallen habe. 

Im selben Moment machte Baumgart seinem Jungstürmer aber auch Druck – in Person Robert Glatzels: „Bobby wird aber ein ganz klarer Kandidat fürs Reinkommen sein. Ich habe eben noch mit ihm gesprochen, er fühlt sich gut. Wir haben schon am Anfang der Woche besprochen, wie wir uns das vorstellen. Deswegen gehen Sie mal davon aus, dass er nicht auflaufen wird, aber er wird im Kader sein.“. Es klingt ein wenig, als wäre dieses Spiel Nemeths letzte Chance. Zündet er, ist alles gut. Zündet er wieder nicht, wird er für Glatzel weichen. Und das dann sicher nicht nur in Magdeburg, sondern auch danach.

Ignace van der Brempt wird ebenfalls nach erst einer Trainingswoche nicht dabei sein – schon aus Prinzip, wie Baumgart sein Vorgehen beschrieb, das auch Denis Hadzikadunic nach einer hartnäckigen Erkältung zum Verhängnis werden dürfte. Zumindest klang der HSV-Coach heute schon ziemlich klar, dass am Sonntag Guilherme Ramos neben Sebastian Schonlau beginnen wird. Es scheint sogar nicht unwahrscheinlich, dass Hadzikadunic ganz aus dem Kader fliegt, „weil er selbst sagt, dass er noch etwas schlapp ist“, so Baumgart, der hinzufügte: „Alle, die im Kader stehen, sollten auf einem sehr hohen, körperlichen Niveau sein.“

Na dann. Warten wir mal ab, ob der HSV am Sonntag körperlich auf eben diesem Niveau agiert. Sollte er das hinbekommen und dazu noch offensiv effektiver werden, könnte es klappen. 

In diesem Sinne, Euch allen einen schönes Wochenende. Wir sehen, lesen und/oder hören uns am Sonntag beim (Auswärtscouch) und nach dem Spiel (Blitzfazit). Bleibt gesund!

Scholle