So kann man das Jahr beenden. Der HSV hat in seinem letzten Spiel des Jahres noch einmal bewiesen, dass die Mannschaft es eigentlich kann. Und das ist Lob und Tadel zugleich für diesen HSV, der dementsprechend schon deutlich weiter hätte sein können – nein: müssen. Aber um dieses Spiel hier nicht schon im ersten Absatz kleinzureden, muss man eingestehen, dass das heute ein Auftritt war, der schnell deutlich machte, dass hier nichts schiefgehen würde. Gar nichts!
Spätestens, als Daniel Heuer Fernandes – bis dahin ungeprüft – aus drei Metern angeköpft wurde und den Ball so über die Latte lenkte, war klar: Dieser Jahresabschluss wird so, wie es sich alle vorher beim HSV erhofft hatten. Als dann auch noch der 17 Jahre junge Otto Stange, gerade für Doppeltorschütze Davie Selke gekommen, seinen ersten Treffer für die Profis erzielte, war das Ding rund. ALLE HSVer liefen zum Debüt-Torschützen und feierten ihn ewig lang. Selbst die Verletzten am Spielfeldrand waren dabei.
Selke zeigt, warum er auch abseits des Platzes wertvoll ist
Mittendrin: Davie Selke, der seinen jungen Kollegen Otto Stange hier und auch nach dem Spiel gar nicht aus dem Arm lassen wollte. Selke, dem die Trainer immer wieder eine ganz besonders wichtige Rolle in der Kabine nachsagen, sabbelte lange auf Stange ein, der jedes einzelne Wort des Routiniers mit einem Lächeln quittierte und sich freute. Stange dürfte den Heiligabend schon vorgezogen haben. Zumindest kann ich mir schwer vorstellen, dass irgendein Geschenk unter dem Tannenbaum mit diesem Glücksgefühl mithalten kann.
Das Spiel heute, das mit einer Schweigeminute für die Opfer des abscheulichen Anschlages in Magdeburg begann, war zudem auch noch mal ein Statement der Mannschaft für ihren Interimstrainer Merlin Polzin. Vor der Partie hatte sich der gesperrte Daniel Elfadli bereits für einen Verbleib Polzins ausgesprochen. „Die Mannschaft steht hinter Merlin, wir geben Vollgas für ihn“, sagte der Gelbrot-Gesperrte vor dem Spiel bei Sky. Und die Mannschaft lieferte mit dem 5:0 ein klares sportliches Statement, gefolgt von warmem Worten pro Polzin nach Abpfiff.
Mannschaft spricht sich deutlich für Polzin aus
Da stimmte die Mannschaft noch einmal ins Loblied auf das Interims-Trainergespann mit Polzin und Loic Favé ein. Selke, Meffert, Schonlau – allesamt äußerten den Wunsch, mit dem Trainerteam in der Konstellation weiterarbeiten zu wollen, während Polzin betonte, wie viel Spaß ihm der Job mache. Alles zusammengenommen, dazu der noch fehlende bessere Kandidat, deutet aktuell auf einen Verbleib Polzins hin. Entscheiden werden soll das nach dem Analyse-Gespräch des Trainerteams mit Sportvorstand Stefan Kuntz
Kurz zum Spiel: Die furiosen ersten 15 Minuten der Hamburger mit den schnellen Toren durch Dennis Hadzikadunic (1.), Davie Selke (11.) und Adam Karabec (13.) stellten eine frühe Vorentscheidung dar, da die SpVgg Greuther Fürth überhaupt nicht ins Spiel fand. Selke (59.) mit seinem bereits zehnten Saisontor und der erst 17-jährige Otto Stange (76.). Der Rest war Jubel – inklusive etlicher (Spieler-) Plädoyers für Polzin
DIE EINZELKRITIKEN:
Daniel Heuer-Fernandes: Nur selten war er gefragt, aber dann war er auch da. Sicherer Rückhalt, der es heute angenehm ruhig hatte. Seine Rettungsaktion in der 63. Demonstrierte vor allem eines: Heute konnte nichts schiefgehen. Note: 2
William Mikelbrencis: Starke Rettungsaktion in der 9. Minute, nachdem er kurz gepennt hatte und der Rest der Viererkette wieder mit einem Ball in die Tiefe ausgehebelt war. Aber man merkt ihm an, dass er selbstbewusster wird. Es sind noch immer einige zu wilde Zweikämpfe/Aktionen dabei – aber das war heute völlig egal. Er spielte insgesamt einfach richtig gut und seine Entwicklung geht absolut in die richtige Richtung! Stark seine Vorbereitung zum 4:0. Weil er in den letzten Monaten hier auch schon viel einstecken musste, bekommt er heute eine sehr nett gemeinte Note: 1,5
Denis Hadzikadunic: Ja, ist denn heut schon Weihnachten? Sein erster Saisontreffer (der zweite insgesamt) für den HSV – und das nach nicht einmal einer Minute er Kopf. Von da an gelang in den ersten 45 Minuten alles. Die zweite Hälfte begann für ihn wackelig, wurde dann aber wieder sehr stabil. Gut! Note: 2,5
Sebastian Schonlau: Hatte heute alles im Griff. Umsichtig defensiv, zweikampfstark und mit den richtigen Vorstößen zur richtigen Zeit. Das war noch mal ein sehr souveräner Auftritt zum Jahresabschluss vom Kapitän. Note: 2
Miro Muheim: Er ist der Top-Torvorlagengeber und auch defensiv ein Stabilisator geworden. Für mich ist er der konstanteste HSVer dieser Hinrunde. Auch heute wieder effektiv, sicher – gut! Note: 2
Jonas Meffert (bis 74.): Er bekommt Ruhe ins Spiel, wenn es hektischer wird. Er läuft extrem viele Räume zu, die durch Fehler seiner Mitspieler entstehen. Kurzum: Meffert ist und bleibt wichtig! Aber er kam offensiv heute zu oft nicht mit, wenn es mal schnell gehen musste/sollte. In der zweiten Hälfte wurde er besser. Note: 3
Anssi Suhonen (ab 74.): Er war wieder überall. Und er bereitete das 5:0 mit vor. Schöne Rückkehr zu den Profis für den Finnen, der von Steffen Baumgart – warum auch immer!?! – zur U21 aussortiert worden war. Note: 2,5
Jean-Luc Dompé (bis 89.): Er wird konsequent von allen Gegnern gedoppelt, manchmal sogar zu dritt. Verteidigt. Trotzdem setzt er sich durch! Und wie! Was für traumhafte Flanken für die eigenen Kollegen im Sturm! Diese Flanken, wie zum 2:0 von Selke, sind für die Keeper sauschwer, weil sie sich blitzschnell zum Rauslaufen oder auf der Linie verharren entscheiden müssen, während der Angreifer voll auf den Ball gehen kann. Hat man dann noch Kopfballspieler wie Selke (und Glatzel), kann das eine sehr erfolgreiche Kombination darstellen…! Note: 2
Adam Karabec (bis 81.): Gut ins Spiel reingekommen, dann etwas ausgeruht und viel quer und zurück. Insgesamt war das heute aber eines seiner besseren Spiele. Ich bleibe aber dabei – und heute ist das ausschließlich als Kompliment gemeint – er kann noch deutlich mehr, wenn er irgendwann die Handbremse löst. Mir fehlt noch der unbedingte Wille, Bälle zu bekommen, sie in die gefährliche Zone zu spielen und/oder selbst abzuschließen. So wie beim Tor oder in der 69. Spielminute! Note: 2,5
Marco Richter (ab 85.): Durfte sich noch die Auflaufprämie zu Weihnachten abholen.
Immanuel Pherai (bis 65.): Er brachte sofort Schwung ins Offensivspiel und zeigte seinen Kritikern, dass er zu Unrecht so lange auf seine Startelfnominierung warten musste. Er kann noch mehr, aber das war schon ein sehr ordentlicher Beginn auf dem Weg zurück in die Startelf. Note: 3
Lukasz Poreba (ab 65.): Er kam, als es schon gelaufen war und musste nicht mehr viel machen. Machte nichts falsch. Note: 3
Emir Sahiti (bis 65.): Fleißig, mutig, aber leider noch nicht oft genug mit den richtigen Entscheidungen. Aber das kommt über Spielzeit. Trainieren muss er zudem, sich nicht so leicht wegschieben zu lassen. Stichwort: Robustheit. Dass er zu verspielt ist, wird er ablegen müssen. Aber vielleicht hilft etwas zu viel Mut, schneller die richtige Dosierung zu finden zwischen Verspieltheit und Effizienz. Note: 3
Noah Katterbach (ab 65.): Fand sofort ins Spiel. Das war wieder ordentlich. Note: 3
Davie Selke (bis 74.): Er trifft – und trifft – und trifft. Schade, dass er diesen starken Lauf nicht noch ein paar Spiele weiterführen kann. Wobei: Kann er, allerdings dann erst nach der Winterpause. Heute war er sofort im Spiel, weil sich die Offensive heute – im Gegensatz zu den ersten 45 Minuten in Ulm – nicht verweigerte. Was die Trainer meinen, wenn sie von der Bedeutung Selkes auch außerhalb des Platzes sprechen, wurde heute bei Stange noch mal mehr als deutlich. Zuerst signalisierte er nach außen, rausgehen zu können. Wissend, dass für ihn Stange kommen würde. Wie er mit seinem jungen Kollegen dessen Debüt-Treffer feierte und ihn nach dem Spiel noch mal innig umarmte, während er ihm ein paar nette Worte als erfahrener Angreifer mit auf den Weg gab, das war schon stark. Stange jedenfalls genoss offenbar jedes einzelne Wort. Und bei aller Kritik der letzten Wochen, Herr Selke: SO GEHT TEAMPLAY! Chapeau meinerseits!!!! (Gesamt-)Note fürs Sportliche wie Kollegiale: 1+
Otto Stange (ab 74.): Kaum war er auf dem Feld traf er schon. Der Jubel seiner Kollegen, (auch der Verletzten!), die allesamt zu ihm liefen, macht deutlich, welchen Stellenwert der Jüngste im Kader schon hat. Er bringt auch schon sehr viel mit. Und wenn er nicht zu schnell zu viel Verantwortung auf und neben dem Platz aufgelastet bekommt, hat der HSV mit hm einen sehr spannenden Backup für Selke (und Glatzel). Er dürfte auf jeden Fall sein schönstes Weihnachtsgeschenk schon vorab bekommen haben… Ich kann für heute nicht anders, Otto Stange soll diesen Moment maximal genießen können. Daher bekommt er von mir für diesen Auftritt die Note: 1
Trainer Merlin Polzin: Acht Punkte aus vier Spielen ist okay. Das Spiel heute war eine 180-Grad-Wendung gegenüber dem Auftritt in Ulm. Polzin und sein Trainerteam fanden ganz offensichtlich die richtigen Worte nach der Minusleistung in Ulm – und sie stellten entsprechend personell um. Jatta und Richter draußen zu lassen, Mikelbrencis (Note: 1,5) zu bringen, Jatta und Richter draußen zu lassen – es griff alles. Und vor allem entspricht das meinem Verständnis von Leistungskultur. Und bei aller Kritik an seiner Ausstrahlung: Polzin redet nie Nonsens! Ich höre ihn tausendmal lieber als seine Vorgänger, die immer irgendeine Intention hatten, wenn sie auf dem Podium saßen. Polzin war auch heute sehr gefasst, gewohnt sachlich und analytisch auf den Punkt. Wie er intern auftritt, vermögen wir Journalisten nicht zu beurteilen. Ich würde seinen Verbleib als Cheftrainer niemals von diesem einen Spiel abhängig machen. Aber das, was vor und nach dem Spiel zu hören und während der 90 Minuten heute sogar zu sehen war, spricht sehr deutlich für ihn. Für das Spiel heute bekommt er definitiv die Note: 1
Kurz vor Jahresende werden beim HSV noch mal alle Kräfte gebündelt. Und obgleich Interimstrainer Merlin Polzin gestern noch vor einem kompletten Kader sprach, musste er heute einen Rückschlag hinnehmen. Ransford Königsdörffer musste erneut wegen anhaltender Knieprobleme das Training vorzeitig abbrechen und droht im Jahresfinale gegen Greuther Fürth auszufallen. Ansonsten sind bis auf den gesperrten Daniel Elfadli alle Mann an Bord.
Tags zuvor demonstrierte man beim HSV während der Pressekonferenz noch Zusammenhalt. Zumindest ist es nicht immer so, dass bei einer Pressekonferenz vor einem Spiel alle sportlichen Verantwortlichen vorbeischauen. Gestern aber waren Sportvorstand Stefan Kuntz und Sportdirektor Claus Costa beide da, während Polzin auf dem Podium referierte. Auch darüber, dass es ihn aktuell noch nicht interessieren dürfe, wie es nach der Partie gegen Fürth für ihn auf der Cheftrainerposition weitergeht.
Polzin macht sich laut eigener Aussage keine Gedanken um seine Zukunft. Sein Fokus liegt auf Fürth. Sätze, die er sagen muss, die ihm wie allen anderen vor ihm in identischer Situation niemand wirklich glaubt. Professionell einfach. „Wir wollen alles noch mal raushauen. Wir wollen ein erfolgreiches Spiel liefern, was die Leistung angeht“, er zwei Tage vor dem Spiel. Gedanken, wie es mit ihm weitergehe, kämen nicht in ihm auf. „Das kann ich auch so versprechen und so sagen, dass es jetzt wirklich darum geht, dass wir das Stadion noch mal anzünden wollen“, so Polzin.
Was aber bitte schön soll er auch sonst sagen? Polzin ist kein gestandener Cheftrainer, dem die Leute mit großem Vertrauensvorschuss folgen. Im Gegenteil, der junge Hamburger ist auf Bewährung und gewillt, den Startschuss für eine Cheftrainerkarriere zu setzen. Und angesichts der alles offenlassenden Aussagen der Sportlichen Leitung kann ich es bestens nachvollziehen, dass Polzin nur sagt, was er sagen darf, ohne irgendein Risiko einzugehen. Immerhin muss er versuchen, sich sowohl die Cheftrainerrolle wie auch die Rolle des Cotrainers ofenzuhalten. Polzins oberflächliche Aussage: „Es geht jetzt nicht darum, weit in die Zukunft zu schauen, sondern es geht darum, dass wir drei Punkte holen wollen. Das mit einer ansprechenden Leistung.“
Der Rest kommt danach. Am Sonntag schon wollen sich Polzin und Kuntz zusammensetzen und analysieren, was passiert ist und wie es weitergeht. Für Gespräche mit Sportvorstand Stefan Kuntz gebe es seinerseits genug Zeit um Weihnachten, meinte Polzin. „Wir haben uns darauf verständigt, dass wir den Samstag das Spiel komplett angehen. Dann nehmen wir uns die Zeit, die es dann benötigt, auch um in Ruhe alles aufzuarbeiten.“
Dabei gehe es nicht darum, die letzten drei Wochen Revue passieren zu lassen, sondern darum, wie der Fahrplan des Vereins für das nächste Halbjahr aussähe. „Unser Ziel ist es, mit einem Sieg und mit einer guten Leistung in die Winterpause zu gehen, um den Fans was zurückzugeben. Aber vor allem auch, um in der Situation zu sein, dass wir ab Januar maximal angreifen können“, sagte Polzin, der zum zweiten Mal in seiner Trainer-Laufbahn interimsmäßig als Chef an der Seitenlinie der HSV- Profis steht – und dort zu gern auch nach der Winterpause noch als Verantwortlicher Chefcoach stehen will.
Ob das die beste Idee ist. Meine Meinung dazu ist einfach: Ich würde alles lieber sehen als irgendeine einfallslose und von vornherein nur auf absehbare Zeit ausgelegte Lösung. Dass der HSV den Kollegen von kicker und BLD nach dem jungen Cheftrainer Danny Röhl (aktuelle Sheffield Wednesday, 2. Englische Liga) bereits ein schriftliches Angebot vom HSV bekommen haben soll, werte ich als ein Zeichen dafür, dass man sich beim HSV auch für etwas innovativere Modelle interessiert als nur für Altbekanntes. Dass man Röhl am Ende wahrscheinlich ob der Konkurrenz nicht bekommt – das ist dann so! Mir ist wichtig, dass es versucht wird.
Es sind nur drei Punkte zum Tabellenersten und es ist trotz des miesesten Abschneidens seit Abstieg definitiv noch alles drin. Trotzdem bin ich sicher, dass die bisherige Flickschusterei eine neue, erfolgreiche Zukunft verhindert. Selbst, wenn man jetzt beispielsweise einen Labbadia holt und dieser den Aufstieg erreicht, bringt das den HSV nicht auf einen Weg mit ausreichend Zukunftspotenzial. Nein, es würde nur die Fehler im System kaschieren. Denn dieser HSV ist festgefahren in einer Fehlplanung, die man nicht korrigiert bekommt, weil auf dem Weg zu viele Menschen gefährdet sind, die sich aktuell noch beim HSV wohlfühlen.
Die Pressekonferenz der SpVgg Greuther Fürth vor dem Spiel beim HSV
Fakt ist aber, da lege ich mich fest, dieser HSV muss sich neu ausrichten. Von oben beginnend, wo eine klare Marschroute ausgegeben werden muss, nach der man sein Personal aussucht. Röhl, Rydström und Co. wären zumindest spannende Anfänge von Kuntz, einen neuen Weg einzuschlagen. Und Kuntz darf bis dahin sehr glücklich sein, sich mit Polzin weiter Zeit zu verschaffen. Zumal das die Option beinhaltet, dass dieser am Ende so gut funktioniert, dass er selbst zu einer Dauerlösung wird…
Abwarten also. Mal sehen, wie sich der HSV am morgigen Sonnabend gegen Fürth schlägt. In Sachen Polzin würde mich ein mega-überragendes Spiele ebenso wenig tangieren wie 90 Minuten auf Niveau der ersten Halbzeit in Ulm. Dieses eine Spiel darf nicht entscheidend sein für die Entscheidung Kuntz‘. Vielmehr müssen alle Beteiligten schon jetzt wissen, ob sie von Polzin überzeugt sind oder nicht. Vier Jahre beim HSV als Cotrainer sowie die zwei Interims-Chef-Zeiten MÜSSEN dafür ausreichen!
Von daher: Hoffen wir auf einen erfolgreichen Jahresabschluss und darauf, dass Kuntz den Mut dazu hat, den HSV mit einer komplett neuen Ausrichtung aus seiner Nichtaufstiegs-Dauerschleife herauszuholen. Morgen noch mit Polzin als Chef. Und der hat schon verstanden, worum es geht. Er sagt: „Ich bin davon überzeugt, dass wir das besser umsetzen werden. Wir sind definitiv hier in der Situation, wo wir eher ins Zeigen als ins Reden kommen wollen.“ Na, dann mal los, Merlin und Co.! Ich freue mich auf den letzten Auftritt des HSV 2024 und melde mich selbstverständlich nach dem Spiel mit dem Blitzfazit wieder bei Euch!!
In diesem Sinne, bis dahin Euch allen einen schönen Wochenendbeginn!
Klaus-Michael Kühne hat sich mal wieder zu Wort gemeldet, nachdem es wirklich lange sehr ruhig um ihn geworden war – in Bezug auf den HSV zumindest. Und Kühne hat seinen HSV nach der bislang schwächsten Hinrunde kritisiert. Der zweitgrößte HSV-Gesellschafter des HSV rechnet zumindest jetzt schon damit, dass der HSV nicht aufsteigt. Trotz der nur drei Punkte Rückstand auf Tabellenführer SV Elversberg. „Ich fürchte in der Zweiten Liga kritisiert. Am Ende steigen Nobodys auf, aber nicht der HSV. Mir fehlen die ehrgeizigen Spieler“, sagte der 87 Jahre alte Multimilliardär und stößt eine Debatte beim HSV an, die sich nunmehr seit Monaten schon trägt.
Denn angesichts der vielen gleichen Gesichter im HSV-Kader, die die immer gleichen Nicht-Aufstiege mitverursachen, muss man über die Mentalität im Team – und letztlich auch über die gesamte Haltung des HSV diskutieren. Auf Vorstandsebene hat man sich mit Stefan Kuntz personell neu aufgestellt, ansonsten hat sich nichts verändert. Auch der Kaderplaner der letzten Jahre wurde beibehalten. Claus Costa, seines Zeichens ein enger Vertrauter von Ex-Vorstand Jonas Boldt ist weiterhin federführender Kaderplaner – und er scheint auch dieses Jahr wieder gute Spieler gefunden zu haben. Problem hierbei: Sie funktionieren beim HSV nicht gut. Bis auf Elfadli. Dennoch sehe ich Adam Karabec, einen Silvan Hefti, einen Davie Selke sowie einen Sahiti als Spieler, die den HSV stärker machen könnten. Jeder für sich genommen. Aber allesamt funktionieren nur partiell – nicht aber zusammen mit der Mannschaft im Ganzen. Aber genau darauf kommt es an!
Der HSV findet keine passende Kaderzusammenstellung
Wobei bitte eines klar sein muss: Ich will hier die Schuld nicht auf die Neuen allein schieben, im Gegenteil: Stimmt das kadertechnische Korsett nicht, helfen auch einzelnen gute, neue Spieler nur bedingt. Ein Robert Glatzel macht den HSV gleich eine Stufe stärker – ein Davie Selke trotz durchaus überdurchschnittlicher Zweitligaqualität eben nicht. Ein Adam Karabec scheint nicht der Typ Spielmacher zu sein, sondern einer, der in einem funktionierenden Mittelfeld wachsen muss. Und junge Spieler wie Sahiti, Baldé und auch der Bundesliga-unerfahrene Hefti brauchen einfach Eingewöhnungszeit. Von ihnen ist keine Führung zu erwarten – sie brauchen sie vielmehr.
Nicht umsonst, sondern völlig zurecht hatte Kuntz nach dem 2:4 in Elversberg im Oktober die erfahrenen Leistungsträger in die Pflicht genommen. Und damit sind vor allem die schon länger ansässigen Glatzel, Sebastian Schonlau, Jonas Meffert, Miro Muheim und Heuer Fernandes gemeint sein. Von ihnen erwartet Kuntz, dass sie die Mannschaft leiten und alle anderen die Möglichkeiten finden, sich bestmöglich zu adaptieren. Das aber funktioniert angesichts der HSV-Ansprüche nur mit einhergehendem sportlichem Erfolg, den ein achter Tabellenplatz nicht darstellt. Völlig losgelöst von der Theorie, man habe den besten Kader der Zweiten Liga – man hat zweifellos einen Kader, der individuell die Qualitäten für den Aufstieg mitbringt. Dass man dann aber nach all den Minusleistungen zuvor schon unter Baumgart jetzt auch nach dem Trainerwechsel zu Polzin noch mal eine solche Verweigerungs-Leistung wie die erste Hälfte und Teile der zweiten Hälfte in Ulm abliefert, lässt ein Urteil zu: Dieser Kader hat weder echte Führung noch in der Zusammensetzung die Qualität, die man ihm gern nachsagt!
Ich sehe die Theorie, dass der HSV zu viele Spieler im Kader hat, die schon zu oft nicht aufgestiegen sind, durchaus unterschiedlich. Den Gedanken, dass diese oben genannten Führungsspieler gar nicht aufsteigen wollen, weil sie in der Ersten Liga nicht gebraucht würden und dementsprechend ihre eigene Wohlfühlzone HSV gefährdeten, kann ich mir angesichts der Charaktere einfach nicht vorstellen. Alle eben genannten Spieler – Glatzel und Heuer Fernandes könnten sogar Erste Liga mitgehen – sind ehrliche Typen und von ihrer Einstellung her einwandfreie Sportsmänner. Darauf lege ich mich fest. Jeden einzelnen davon würde ich heute noch zum HSV holen, wenn sie noch nicht beim HSV gewesen wären. ABER: Das waren sie eben schon. Und die ständigen Nicht-Aufstiege hinterlassen Spuren bei und an ihnen, die man nicht leugnen kann und die man nicht leugnen darf!
Zweieinhalb Jahre ohne Vuskovic-Ersatz sind ein Armutszeugnis fürs Scouting
Im Gegenteil: Ich hatte ich im Sommer ebenfalls geschrieben, dass der HSV sich sportlich ein neues Gesicht zulegen muss. Einen Trainerwechsel wie den zu Baumgart hatte man seinerzeit recht effektlos bereits vorgenommen. Und dementsprechend taumelte die Mannschaft mit altbekannten Schwächen durch eine gnadenlos schwache Vorbereitung. In der Innenverteidigung hatte man es erneut verpasst, einen schnellen zweiten Mann neben Schonlau zu setzen – obwohl auch der Kapitän das letzte Mal richtig funktionierte, als Mario Vuskovic noch neben ihm auflief. Dass ausgerechnet Schonlau als Kapitän jetzt auch noch öffentlich andere Spieler anprangert, anstatt sich verantwortungsbewusst höchstselbst in die erste Reihe zu stellen und von sich mehr zu verlangen – das ist schwach. Und es wird ihm nicht helfen, eine höhere Akzeptanz zu erfahren. Im Gegenteil.
Und im Mittelfeld fehlte abgesehen von Meffert jegliche Konstanz. Da Meffert aber ein ruhiger Typ und kein „Aggressive Leader“ und zudem der Typ Spieler ist, der unauffällig für die Kollegen Bälle erobert und geschickt Räume zuläuft, fehlte es dem gesamten HSV-Spiel an Inspiration nach vorn – wie zuvor schon in der abgelaufenen Saison 2023/24. Dem Druck auf Karabec, hier sofort zu führen, wurde dieser nachvollziehbar nicht gerecht. Zumal nicht, nachdem auch Reis neben ihm erneut verletzt ausfiel. Dass der als Wunschspieler angepriesene, ideenlose Not-Kauf Marco Richter nicht diese Rolle einnimmt, war abzusehen.
Wichtiger als alles das ist aber, dass die Führungsspieler alle den Makel haben, dass ihnen mehrfach Verantwortung übertragen wurde und sie diese angenommen haben – und trotzdem nicht aufgestiegen sind. Sie sind individuelle allesamt Spieler, die allen anderen Klubs helfen würden. Einzeln. Aber zusammen? Beim HSV hat das nicht funktioniert. Es reicht eben nicht, die vermeintlich besten Spieler zu holen. Es ist immer entscheidend, die beste Mannschaft auf den Platz zu bekommen. Und dafür bedarf es eines klaren Plans der sportlichen Führung samt Vorstand, Trainer und Kaderplaner. Der Walter-Fußball war es nicht – Baumgarts Planlos-Gekicke noch weniger. Jetzt rückt mit Polzin jemand an die oberste Position, der bei allen diesen Trainern und davor schon in Assistenz verantwortlich war und dementsprechend sogar noch länger als alle anderen erfolglos versucht, aufzusteigen. Und: Wer von den Neuen und jungen Spielern soll dem Coach und den „Führungsspielern“ denn abnehmen, dass sie wüssten, wie es geht?
Kuntz muss umgestalten, wenn er nicht früh scheitern will
Nein, der HSV hat Entscheidungen für den Kader getroffen, die jeweils allein für sich genommen vertretbar sind – aber das allein reicht eben nicht. Denn die Zusammensetzung ist entscheidend. Und das passt wiederholt nicht. Hier hat der HSV es in diesem Sommer verpasst, entscheidende Reizpunkte auf dem Feld zu setzen. Da kann er noch so oft Trainer austauschen. An denen allein liegt und lag es nicht. Wichtiger wäre, dass die sportliche Leitung unter Federführung von Kuntz und Costa eine klare Idee entwickelt und dafür gezielt die richtigen Charaktere holt. Übrigens: Angefangen auf der Position des Trainers! Und das alles unabhängig von Preis und Vorgeschichte. Wie das geht, haben in den letzten Jahren immer wieder die sogenannten „Überraschungs“-Teams wie seinerzeit Paderborn, Bielefeld, ganz früher Union, zuletzt Heidenheim, St. Pauli, Kiel und eben aktuell Elversberg vorgemacht. Und Spoiler: Ich würde anfangen mit einem schnellen, zweikampfstarken Innenverteidiger…
In diesem Sinne, dieser HSV bedarf einer generellen Überholung. Personell in und um die Mannschaft herum ebenso wie konzeptionell in der langfristigen Ausrichtung. Und damit wird auch Stefan Kuntz schon in diesem Winter beginnen müssen, wenn er sich nicht schnell in die lange Reihe der in Hamburg gescheiterten einreihen will.
Der SV Elversberg ist Tabellenführer. Und das ist ebenso überraschend wie es seinerzeit der Aufstieg von Heidenheim, Darmstadt und anderen war – nämlich eher nicht mehr. Es sind immer die Mannschaften, die defensiv stabil spielen, die am Ende oben stehen. Ob das für Elversberg auch nach 34 Spieltagen gelten wird, vermag zum jetzigen Zeitpunkt niemand zu sagen. Und ich will hier auch gar nicht hämisch wirken, sondern einfach nur einmal loswerden, wie sehr es mich nervt, dass beim HSV noch immer alle denken, dass sie mit überrollendem Offensivfußball alles in Schutt und Asche spielen können. Denn das hat jetzt auch im siebten Jahr Zweite Liga nicht funktioniert. Anstatt den Fokus auf einen Mittelfeldspieler zu legen, hätte der HSV endlich einen Vuskovic-Ersatz – einen schnellen, zweikampfstarken Verteidiger – dringend nötig.
Wobei man diesmal dazu sagen muss, dass Interimstrainer Merlin Polzin versucht, diese Balance aus stabiler Defensive und schneller Offensive beim HSV herzustellen. Er setzte zuletzt aber leider wiederholt auf’s falsche Personal. Wiederholt setzte Polzin Totalausfälle (Jatta, Richter) ein, die dem HSV die Balance nahmen, neben einer stabilen Defensive auch über schnelle Gegenstöße gefährlich zu werden. Einzig Jean-Luc Dompé und Ransford Königsdörffer zeigten zuletzt annähernd Normalform – und Letztgenannten ließ Polzin beim 1:1 in Ulm 86 Minuten auf der Bank. Warum auch immer.
So gehören Richter und Jatta nicht auf den Platz
Es ist kein Geheimnis, das ich die Rolle von Marco Richter im HSCV-System nicht verstehe. Von Beginn an habe ich diesen Transfer als problematisch angesehen. Richter war für mich ein Spieler mit einer Vita, die mehr verspricht, als er sportlich zu halten imstande ist. Seine technischen Vorzüge gehen im mangelnden Tempo verloren, seine Abschlussqualitäten, die ihm Sportvorstand Stefan Kuntz nachsagt, konnte er bislang noch nicht zeigen. Er legt zwar immer mit die meisten Kilometer pro Spiel (knapp 12 Kilometer) zurück, aber eben ohne entscheidende Wirkung. In Summe bleiben so neun Startelfeinsätze und drei Einwechslungen, die bis auf wenige Ausnahmen für den HSV keinen Mehrwert hatten. Im Gegenteil.
Dass in dieser Zeit ein Spieler wie Immanuel Pherai auf der Bank sitzt und teilweise gar nicht eingesetzt wird, erschließt sich mir nicht. Selbst Lukasz Poreba, der im Spiel gegen den Ball seine Kernqualitäten hat, ist ein belebenderer Faktor, wenn er reinkommt. hat für mich in jedem seiner Einsätze mehr Impact auf das HSV-Spiel gehabt als Richter. Und nein, dies ist kein Richter-Bashing, sondern mein ausgedrücktes Unverständnis. Selbst Emir Sahiti, dessen Auftritt beim HSV bislang auch sehr durchwachsen ist und dem noch eine ganze Menge zu fehlen scheint, wäre für mich eher einer der Spieler, die man über einen gewissen Zeitraum mit Spielzeit aufbaut.
Gleiches gilt für Bakery Jatta, dessen Auftreten seit seiner Rückkehr aus der Verletzung an Verweigerung grenzt. Wenn ein Spieler, der so mono-qualifiziert ist wie der Gambier, genau diese eine große Qualität einfach nicht mehr bereit ist, einzusetzen – dann darf er keine Einsatzzeiten erwarten. Dann darf er nicht mehr eingesetzt werden. Und so sehr ich Jatta in Normalform auch immer wieder verteidigt habe und verteidigen würde, bis dahin hatte sich Jatta immer auch über seinen Einsatzwillen definiert und sein Tempo genutzt, um den Gegner unter Druck zu setzen. Aber inzwischen macht er das einfach nicht mehr. Stattdessen ist Jatta seit seiner Vertragsverlängerung bis 2029 im Verwaltungsmodus unterwegs. Mehrwert: Null.
Der HSV hebelt das Leistungsprinzip wieder aus
Das so oft zitierte Leistungsprinzip hat beim HSV auch diese Saison kaum Durchsetzungsvermögen. Jatta, Richter – statt Pherai, Poreba oder ach ein Otto Stange. Der HSV verpasst es, durch interne Reizpunkte die eigene Mannschaft am Leben zu erhalten. Der Trainer wurde stattdessen gewechselt und erst einmal auf Bewährung im Amt bestätigt. Bis nach Fürth.
„Letzte Chance für Polzin“ – heißt es immer wieder. Und mich kotzt das ehrlich gesagt an. So ahnungslos und planlos darf eine Führung einfach nicht sein, dass sie eine solch elementare Entscheidung wie die des Trainers von einzelnen Spielen abhängig macht. Denn Fakt ist auch: Polzin ist alles andere als neu beim HSV. Er kam mit Thioune, blieb auch bei Walter und Baumgart und ist nun schon seit dreieinhalb Jahren im Trainerteam dabei. Da sollten ihn die sportlich Führenden wie Kuntz und vor allem auch Claus Costa so gut einschätzen können, dass sie unabhängig vom Ausgang dieses Fürth-Spiels eine Entscheidung treffen. So oder so.
Flickschusterei – dem HSV fehlt ein stringenter Plan
Nein, dieser HSV hat wieder keinen roten Faden. Anstatt hier etwas Neues mit Kuntz aufzubauen, flickschustert man so weiter wie in den letzten Jahren. Einen schnellen Innenverteidiger hat man seit drei Jahren nicht gefunden. Der einzig wirklich gelungene Transfer ist bislang Daniel Elfadli. Okay, Davie Selke trifft auch. Acht Tore und einen Schnitt von 110 Minuten pro Treffer sind gut. Leider vergab er zuletzt aber auch entscheidende Chancen und nimmt ansonsten nur sehr bedingt am Spiel teil. Der Vergleich zu dem verletzten Robert Glatzel kann er so nicht standhalten, aber im Ligavergleich ist er einer der Topangreifer. Dagegen sind Hefti, Sahiti und Karabec alles Spieler, bei denen man immer noch sagt, dass sie ganz großartiges Potenzial haben und eigentlich viel mehr könnten, als sie bislang zeigen. Und das nach dem 16. Spieltag…
Aber noch mal zu Polzin: Dass sich der HSV noch nicht für oder gegen Polzin entschieden hat, schreibe ich dem Umstand zu, dass man seinen absoluten Wunschtrainer noch nicht hat festmachen können. Denn eines ist auch klar: Auf der Trainerposition darf Kuntz nicht noch mal eine Kompromissentscheidung durchgehen lassen. Von dieser Position hängt einfach zu viel ab. Dass sich der Sportvorstand im Sommer wider eigene Meinung zur Zusammenarbeit mit Steffen Baumgart überreden ließ, dürfte er schnell bereut haben. Jetzt muss der nächste Griff sitzen – auch wenn es der erste eigene Wunschkandidat ist. Dass er sich via Polzin als Interimscoach etwas Zeit verschafft hat – okay. Aber auch nur, wenn der nächste Trainer passt. Und das wiederum wird sicher nicht das eine Spiel gegen Fürth klarmachen können.
In diesem Sinne, ich hoffe sehr auf ein erfolgreiches Spiel am Wochenende gegen Fürth. Noch mehr aber hoffe ich darauf, dass die sportliche Führung des HSV einen deutlich klareren, durchdachteren Plan hat, als es aktuell den Anschein macht.
Merlin Polzin ist ein junger Trainer, in allen Belangen. Denn trotz seiner X Jahre beim HSV als Cotrainer in der Zweiten Bundesliga, ist die Rolle als Cheftrainer eben noch mal eine ganz andere Nummer. Dass er diese Rolle bis Winter innehaben wird, wurde unlängst von Sportvorstand Stefan Kuntz verkündet. Wie es danach weitergeht? Darüber haben Mats Beckmann von Createfootball.com und ich uns offenbar mehr Gedanken gemacht als Polzin selbst.
Dass er nachts häufiger wachliegt, schiebt der Interims-Chef des HSV zumindest nicht auf seine nach der Winterpause noch ungewisse Zukunft. Stattdessen sei es seine Motivation, den Fußball-Zweitligisten erfolgreich wieder an die Tabellenspitze zu führen. „Wir wollen für einen Fußball stehen, für den die Leute ins Stadion kommen und auf den der HSV dann auch stolz sein kann. Und das ist der Antrieb, der uns Tag und Nacht wachhält“, so der der 34-Jährige vor dem Auswärtsspiel beim Aufsteiger SSV Ulm am Sonnabend (Anpfiff 13 Uhr.
Polzin will Dauerlösung werden
Polzin versucht, aus seiner Bewährungszeit eine Daueranstellung als Cheftrainer zu machen. Seine bisherige Bilanz: ein besseres 3:1 beim Karlsruher SC und ein durchwachsenes Remis (2:2) gegen den starken SV Darmstadt 98. Nach den beiden Spielen gegen vermeintlich größere Teams folgen nun also zwei Spiele gegen Teams aus der unteren Tabellenhälfte. Mit Personalformen. Denn der HSV hat auf der Torhüterposition Probleme. Matheo Raab, zuletzt durchaus gleichwertiger Ersatz für Stammtorwart Daniel Heuer Fernandes, fehlt dem HSV monatelang wegen seines Handbruchs, der dritte Torwart Tom Mickel fällt krankheitsbedingt aus.
Polzin deshalb den gerade erst 19 Jahre jungen U21-Spieler Hannes Hermann in den Profikader hoch. „Bei Hannes ist es ja so, dass er auch jetzt jahrelang schon im Verein ist, eine fantastische Entwicklung genommen hat“, lobte Polzin den jungen Mann, der sonst zwischen den Pfosten bei der zweiten HSV-Auswahl in der Regionalliga steht. Auf Profi-Niveau hat er bislang noch keine Erfahrungen in Spielen gesammelt. Eine Notlösung – aber im Normalfall dürfte sich das nicht bemerkbar machen.
Anders steht es offenbar um die interne Aufstellung der HSV-Verantwortlichen. Und damit meine ich weniger Polzin, der selbst sagte: „Ich halte wenig davon, jetzt zu viel in die Zukunft zu denken. Es ist eher besonders, weil wir mit fantastischen Spielern zusammenarbeiten dürfen, weil wir wissen, wie vielen Menschen der HSV etwas bedeutet. Und das ist das, was uns antreibt. Und es ist weniger so, dass wir uns da viele Gedanken darüber machen, was passieren könnte und was auch nicht passieren könnte.“
Anders steht es hierbei um die Aufstellung um die Profimannschaft herum. Die Verantwortlichen um Sportvorstand Kuntz möchten unbedingt, dass der Plan mit dem jungen Coach aufgeht. Viele namhafte Trainer haben es seit dem Abstieg 2018 nicht geschafft, den Verein zurück in die erste Liga zu führen. Wie das Hamburger Abendblatt berichtet, erwägt der Traditionsverein die Installation eines technischen Direktors neben Profifußball-Direktor Claus Costa. Der Club wolle offenbar „mehr Führung in die Kabine bringen“, hieß es- und das ist eher kein Kompliment an Polzin. Denn diese Führung soll auch dem bislang als Cheftrainer eher unerfahrenen Polzin helfen.
Aber okay, der HSV macht es mal wieder wie immer: Ziele verpassen – und aufstocken. Mehr Kosten, bei gleichem (oder weniger) sportlichen Ertrag. Denn noch ist der HSV nicht auf Erstligakurs. Dass man einen Sportvorstand, einen Sportdirektor und jetzt auch noch einen Technischen Direktor braucht – ich halte es für ein weniger großes Problem, als es sportlich die Innenverteidigung darstellt. Einen schnellen, zweikampfstarken Innenverteidiger zu finden ist dem HSV jetzt seit Vuskovic nicht gelungen. Vielleicht sollte man das aber endlich mal priorisieren, bevor man wieder Leute teuer einkauft, die andere teure Leute finden sollen…
Kommt ein Technischer Direktor? Polzin soll Hilfe für die Kabine bekommen
Dass man parallel die Kaderkosten senken will, ist ebenso wenig neu wie sinnvoll. Zuletzt wurden mit Öztunali und Heyer bereits zwei Spieler aussortiert, nachdem bekannt geworden war, dass Suhonen und Oliveira den HSV auf Leihbasis verlassen dürften. Sollte man alle vier zum Teil ganz und zum anderen Teil partiell von der Gehaltsliste streichen können, sollte dennoch erst einmal in neues Personal auf dem Platz investiert werden. Und auch auf die Gefahr hin, dass ich mich wiederhole: Ich sehe in der Verteidigung (zuerst innen, dann rechts) den mit weitem Abstand größten Handlungsbedarf. Oder wie seht Ihr das?
Merlin Polzin hätte sich sein Heimdebüt als Interimstrainer des HSV sicherlich erfolgreicher vorgestellt. Immerhin verpasste der HSV im zweiten Spiel unter der Regie des 34-Jährigen die Rückkehr auf den zweiten Tabellenplatz. Aber das nach hochklassigen 90 Minuten gegen das vielleicht aktuell formstärkste Zweitligateam Darmstadt 98, die seit Ende September ungeschlagenen sind. „Gemischte Gefühle“ also beim HSV nach dem 2:2 gegen Darmstadt. Ein Spiel, das beide Teams durchaus hätten gewinnen können. Der HSV in der letzten Situation des Spiels sogar hätte gewinnen müssen – aber Selke vergab.
„Natürlich ist es für mich eine besondere Situation, an der Seitenlinien stehen zu dürfen“, sagte Polzin, der ein intensives Spiel gesehen habe. Der Interimstrainer bis zur Winterpause bezeichnete das Ergebnis als „leistungsgerechtes Remis“ – und ich stimme ihm da zu 100 Prozent zu. Mittelfeldspieler Daniel Elfadli hatte „gemischte Gefühle“. So richtig freuen können man sich aus HSV-Sicht nicht, fügte der defensive Mittelfeldspieler hinzu, der per Kopf fast den Siegtreffer erzielte – aber an der Latte scheiterte. Mit den Chancen, insbesondere zum Ende des Spiels, sei mehr drin gewesen.
Dompé und Karabec“s Traumtor bringen Halbzeitführung
Und das stimmt. Zur Wahrheit gehört aber eben auch, dass man das absolut sehenswerte, unterhaltsame Spiel durchaus hätte verlieren können. Ransford-Yeboah Königsdörffer (10. Minute) traf nach einer schönen Kombination mit Jean-Luc Dompé, während Adam Karabec (45.) per Traumtor die 2:1-Pausenführung herausschoss. Aleksandar Vukotic (33.) und Killian Corredor (63.) glichen jeweils für die Lilien aus.
„Man kann schon zufrieden sein mit dem 2:2“, sagte Kapitän Sebastian Schonlau. Das Ergebnis sei angesichts der Stärke des Gegners „in Ordnung“. Aber von den Punkten her zu wenig, denn der HSV fiel von Rang zwei auf Rang sieben zurück, was noch einmal verdeutlicht, wie eng es in der Spitze der Zweiten Liga ist.
Der HSV begann heute wie zuletzt beim 3:1-Sieg in Karlsruhe, aber vom konsequenten Offensivfußball wie beim KSC war gegen Darmstadt über weite Strecken kaum etwas zu sehen. Die Hessen, die am Dienstag ihr DFB-Pokal-Achtelfinale in Bremen 0:1 verloren hatten, erspielten sich deutlich mehr Ballbesitzanteile in der ersten Hälfte. Aber: Der HSV hat Jean-Luc Dompé, der das 1:0 schön vorbereitete und auch sonst ein ständiger Unruheherd war. Sehr schön dann auch das 2:1 zu Pause, als Adam Karabec schlenzte den Ball unwiderstehlich ins linke obere Eck schlenzte, nachdem der HSV einen Freistoß schnell ausführte.
Heuer Fernandes rettet Punkt – Selke vergibt Sieg
Im zweiten Durchgang waren die Gäste in vielen Belangen weiter leicht überlegen. Der starke Corredor traf zum Ausgleich. Elfadli scheiterte aufseiten des HSV mit einem Kopfball an die Latte. Hamburgs Torwart Daniel Heuer Fernandes bewahrte seine Mannschaft kurz vor Schluss mit zwei Paraden vor dem erneuten Gegentreffer. Am Ende reichte es aber nur zu einem 2:2, weil der eingewechselte Otto Stande den potenziellen Siegtreffer vorbereitete – aber Selke leider kläglich vergab.
DIE EINZELBEWERTUNGEN:
Daniel Heuer-Fernandes: Dieses sch…. Rumgedaddel hinten hat ihn heute eine richtig gute Note gekostet. Bis auf einen Wackler in der ersten Halbzeit hielt er gut, in der Schlussphase gleich mehrmals sogar richtig gut und rettete den einen Punkt! Aber das Aufbauspiel ist mir zu riskant. Note: 3
William Mikelbrencis: Sehr bemüht, keine Frage. Er spürt das Vertrauen, das neuerdings in ihn gesteckt wird und versucht sich auch mutiger in die Offensive mit einzuschalten, was sehr gut ist. Trotzdem ist da insgesamt noch viel Luft nach oben. Technisch, taktisch – und physisch! Leider reicht es defensiv einfach noch nicht. Dass er dazu noch so einen Bock wie vor dem 2:2 der Darmstädter macht, ist extrem bitter. Aber damit muss man bei ihm leider immer noch rechnen. Mal sehen, wann sich das auch noch legt. Note: 4
Denis Hadzikadunic: Er ist kein Aufbauspieler – und will das auch gar nicht sein. Es wirkt immer so, als wolle er den Ball eigentlich nur wegverteidigien, aber ansonsten lieber nicht am Spiel teilnehmen. Als Gegner würde ich ihn möglichst oft im Aufbauspiel freilassen, um Anspiele auf ihn zu provozieren. Als Mitspieler würde ich ihn so selten wie möglich in diese Situation bringen. Note: 3
Sebastian Schonlau: Gegen Vukotic im Kopfball hoffnungslos unterlegen, ansonsten unauffällig. In der zweiten Halbzeit bekam er die Abwehr auch besser in den Griff. Note: 3
Miro Muheim: Er hatte seine Seite gut im Griff und war offensiv sehr belebend. Und er hat Luft, um 90 Minuten Vollgas zu gehen, was man längst nicht von allen HSVern sagen kann. Schade, dass seine Flanke auf Elfadli nicht zum Siegtreffer führt. Note: 2,5
Jean-Luc Dompé (bis 89.): Er ist der Unterschied, wenn es eng ist. Seine individuelle Klasse ist bekannt und zieht immer mindesten zwei Gegenspieler auf sich, wodurch dahinter Räume für andere entstehen. Wenn er diese Räume dann auch noch so genial freispielt wie vor Königsdörffers 1:0, verdient er sich Bestnoten. Defensiv wie immer grausam – aber das scheint man in Kauf nehmen zu müssen. Musste angeschlagen kurz vor Schluss vom Platz. Also: Daumen drücken! Denn seinen Ausfall kann der HSV fatal aktuell nicht gleichwertig auffangen. Note: 2
Otto Stange (ab 90.): Hatte gleich die Siegchance auf dem Fuß bzw. bereitete sie vor. Er bringt vieles mit und ich wäre sehr gespannt, wie er sich über einen längeren Zeitraum schlagen würde. Vielleicht hätte der Youngster statt des Passes lieber den Elfer ziehen sollen – aber es zeichnet Stürmer eben auch aus, immer den Zug zum Tor zu haben…
Daniel Elfadli: Defensiv ist er wichtig, um Lücken zuzulaufen und schnelle Gegenstöße zu unterbrechen. Im Ballbesitz ist der aktivere Meffert. Schade, dass sein Kopfball nur an die Latte ging. Aber in der Summe war das gut. Note: 2
Adam Karabec (bis 72.): Sensationell schönes Tor zum 2:1 und auch sonst sehr aktiv. Ich bleibe dabei, dass da (mit etwas mehr Adrenalin vielleicht) noch deutlich mehr ginge. Aber auch nur, wenn er denn auch mutiger wird. Also: Gutes Spiel, das demonstriert, das bei ihm hier noch mehr geht! Note: 3
Lukasz Poreba (ab 72.): Guter Mann für die Schlussphase, weil er Defensive und Offensive vereint und viel unterwegs ist. Manchmal noch etwas zu wild, weshalb er eben auch noch nur von der Bank kommt. Aber wichtiger Spieler für die Breite im Kader. Note: 3
Marco Richter (bis 72.): Das war doch ordentlich! Immer wieder schleppte er Bälle, verteilte sie, versuchte sich offensiv einzubringen und Abschlüsse zu suchen. Hier und da etwas aktionistische Grätschen, aber der Einsatz stimmte absolut. Das war gut! Note: 3
Immanuel Pherai (ab 72.): Er brachte Schwung, obwohl er selbst keine richtig gute, gefährliche Szene hatte. Aber in der Schlussphase noch einmal so einen Wirbeler zu bringen, tut den Gegnern weh. Siehe heute Darmstadt. Note: 3
Bakery Jatta (bis 65.): Besser als zuletzt, was so ungefähr gar nichts aussagt. Dafür reichte im Vergleich zu seinen letzten Auftritten aber schon eine gutsitzende Frisur. Aber er war zumindest aktiver und versuchte mehr. Leider wieder nicht mit der notwendigen Entschlossenheit. Er wirkt immer wieder so, als hätte er nur 60% seiner normalen Energie parat. Note: 4
Fabio Baldé (ab 65.): Seine Zielstrebigkeit ist gut. Dass dabei nicht alles gelingt, logisch! Aber er ist jemand, dem man Geduld schenken darf, weil da was richtig Gutes bei herauskommen kann! Note: 3
Ransford Yeboah Königsdörffer (bis 65.): Ich habe bei ihm immer den ersten Ballkontakt kritisiert – heute war dieser entscheidend fürs 1:0. Das war schon richtig gut, wenn das alles genau so gewollt war. Bei seiner Auswechslung habe ich mich geärgert, weil er einer der wenige ist, die Power hat. Note: 3
Davie Selke (ab 65.): Geht der Kopfball in der 87. zum 3:2 rein, hat er alles richtig gemacht. Und der Kopfball war wirklich stark – Darmstadts Keeper Schuhen in der Situation aber eben einfach noch stärker. In der Nachspielzeit auf Pass von Stange MUSS Selke dann aber treffen!Hätte er den linken Fuß genommen, hätte er wohl auch getroffen. Note: 3,5