Der HSV lernt nicht dazu – Walter vor dem Aus

Der HSV lernt nicht dazu – Walter vor dem Aus

Der HSV verliert gegen Hannover 96 mit 3:4. Nach dem identischen Ergebnis gegen den KSC vor zwei Wochen stellt der HSV aktuell die schwächste Defensive aller Zweitligisten. Und das, nachdem man im Winter als allererstes Ziel eine Stabilisierung der Defensive gefordert hatte. Gefordert von Trainer Tim Walter, der bislang immer betonte, wie gern er spektakuläre, torreiche Spiele sehe. Dass er damit Siege meint – logisch. Aber die sind eben zu selten das Ergebnis seiner spektakulären Spielweise. Und nicht erst angesichts der gescheiterten Umsetzung der Winteranalyse ist Walter aus meiner Sicht untragbar. Zumindest für all diejenigen, die das Ziel Aufstieg nicht weiter gefährden wollen.

„Zwei Mannschaften mit offenem Visier“ hat Gästetrainer Leitl heute gesehen. Und damit hatte er total Recht. Für sein Team darum ging es darum, gewinnen zu müssen, um den Anschluss an die Spitze nicht gänzlich zu verlieren. Von daher erklärt es sich schnell in Bezug auf Hannover 96. Die Frage ist nur: Warum auch der HSV? Weshalb schafft es Tim Walter nicht, zunächst einmal Sicherheit in das Spiel seiner Mannschaft zu bekommen, die sowieso IMMER trifft? 27 Spieltage in Folge hat der HSV vorn mindestens einmal getroffen, meistens sogar mehrfach. Und trotzdem ist man nicht aufgestiegen und droht auch jetzt wieder aus den Aufstiegsrängen zu fliegen.

Für mich ein Armutszeugnis für alle Entscheider beim HSV. Und damit meine ich nicht allein Tim Walter, sondern auch den Vorstand und den Aufsichtsrat, die diese Problematik seit Jahren tatenlos begleiten und mit dem Totschlagargument „Kontinuität“ ihr Festhalten an Walter begründen. Dass diese Kontinuität inzwischen längst zum Selbstzweck verkommen ist, ist dabei nicht mehr zu leugnen. Und wer heute Jonas Boldt („So können wir nicht weiterspielen“) nach dem Spiel bei Sky gehört hat, wird bemerkt haben, dass die Unzertrennlichkeit im Duo Walter/Boldt endlich ist.

Ich persönlich gehe sogar fest davon aus, dass der HSV sehr zeitnah nachholt, was man spätestens vor der Winterpause hätte machen müssen: Er wird den Trainer wechseln. Ob das sofort zu Stabilität in der Defensive führt? Eher nicht. Denn defensiv stabil zu stehen ist eine Sache, die sich über Wochen einspielt. Dafür hat der HSV nunmehr zweieinhalb Jahre defensiv alles vernachlässigt, was man vernachlässigen konnte. Die Winterpause zum Einspielen hat man offenkundig ungenutzt gelassen. Umso genauer muss man gucken, wen man holt. Aber dazu mehr, wenn der HSV tatsächlich die Entscheidung getroffen hat. 

Ich verabschiede mich jetzt und möchte noch mal ganz klar sagen: Ich fühle mich in meiner Meinung zu 100 Prozent bestätigt – aber das macht mich nicht glücklich. Ich will den HSV gewinnen sehen. Und gerade deshalb beharre ich hier auf meine Meinung.

Scholle

STIMMEN ZUM SPIEL: 

Robert Glatzel: Es tut sehr weh. Wir haben heute eine riesige Chance liegen gelassen. Das sieht man auch an der Reaktion der Fans, die ebenso wie wir extrem unzufrieden sind. Die 2. Liga ist zu gut, dass man jedes Mal Zwei-Tore-Rückstände aufholen kann. Es ist schwer zu begreifen, wie uns nach Karlsruhe erneut so ein Spiel passiert. Wir sind wieder zu spät aufgewacht und haben uns am Ende wieder selbst geschlagen.

Matheo Raab: Ich habe mich persönlich gefreut, heute im Tor zu stehen. Ich habe die ganze Zeit „Ferro“ unterstützt und er tut das Gleiche für mich, so und besonders auch heute. Da spreche ich für unser ganzes Torwartteam, das zeichnet uns aus. Jeder gönnt jedem alles. Abgesehen davon ist es brutal bitter, dass wir uns nach der Aufholjagd nicht belohnt haben. Wir sind nicht gut ins Spiel gekommen und haben zu viele einfache Gegentreffer bekommen. Hinzu kommt noch eine unnötige Rote Karte und das vierte Gegentor in den Schlussminuten. Wir müssen daraus lernen. Es ist in dem Moment dann auch etwas fehlende Cleverness. Wir haben immer den Anspruch, Spiele zu gewinnen, aber manchmal muss man auch einen Punkt mitnehmen und nicht zu viel ins Risiko gehen.

Laszlo Benes: Der Spieler lief vor mir und ich wollte verhindern, dass er allein auf die Kette zuläuft. Ich wollte den Ball spielen, habe ihn leider aber getroffen und das wollte ich so natürlich nicht. Das tut mir leid. Diese Rote Karte hat der Mannschaft geschadet. Es ist sehr bitter. Wir kassieren leider zu viele Gegentore. Mir fehlt die Erklärung, warum wir in der Hinrunde alles zuhause gewonnen haben und jetzt zweimal vier Gegentore kassiert haben.

Jonas Meffert: Wir haben jetzt zweimal in Folge daheim zu viele Gegentore bekommen. Da gibt es sicherlich mehrere Gründe für. Die Entschlossenheit, das Zutrauen im Rausspielen und teilweise die Konzentration haben heute gefehlt. Wir müssen besser werden: Dazu zählt dann auch beim Stand von 3:3 vielleicht einen Punkt mitzunehmen. Der Frust der Fans ist verständlich. Wir Spieler fühlen uns schließlich genauso. Niemand von uns ist heute glücklich, sondern maximal frustriert.   

HSV-Trainer Tim Walter: Es war ein ereignisreicher Abend. Wir sind nicht gut ins Spiel gekommen, sind durch eine Standardsituation und einen abgefälschten Ball doppelt in Rückstand geraten. Wir kommen dann sehr anständig zurück, ehe wir einen Flüchtigkeitsfehler in der Abwehr machen und mit 1:3 in die Pause gehen. Dann kommen wir stark mit dem 2:3 raus, ehe die lange Unterbrechung folgte. Dann sind wir zum zweiten Mal durch eine Standardsituation zum 3:3 gekommen. Die Rote Karte war der „Gamechanger“. Wir hatten auch in Unterzahl weiter gute Möglichkeiten nach vorn, machen aber den entscheidenden Fehler in der Defensive. Dann war es um uns geschehen. Wir müssen über die vielen Gegentore zuhause reden. Wir sind sehr enttäuscht. Es ist große Wut in uns, die es nun in Energie umzumünzen gilt.

Hannover-96-Coach Stefan Leitl: Wir sind sehr glücklich. Es war ein intensives Spiel. Kompliment an meine Jungs. Wir haben das umgesetzt, was wir uns vorgenommen haben: Wir waren hart, intensiv und haben trotzdem Fußball gespielt. Wir haben eine fantastische erste Hälfte gespielt. Dann kommt der HSV zurück. Das muss man auch akzeptieren, denn da steckt auch einfach ein guter Plan und eine gute Mannschaft dahinter. Beim Stand von 3:3 haben wir gewechselt, wollten „all-in“ gehen, um das Spiel noch zu gewinnen. Die Platzverweise haben uns in die Karten gespielt. Wir haben in Summe nicht unverdient gewonnen.

DIE DATEN ZUM SPIEL:

HSV: Raab – Van der Brempt (90.+13. Königsdörffer), Ramos, Ambrosius (46. Hadzikadunic), Muheim – Meffert, Pherai, Benes – Jatta, Glatzel (90.+4. Nemeth), Dompe (90.+4. Reis)

Hannover 96: Zieler – Muroya (90.+15. Börner), Neumann, Arrey-Mbi, Dehm – F. Kunze, Leopold, Schaub (83. Voglsammer), Ernst (90.+15. Christiansen) – Tresoldi (90.+3.Teuchert), Nielsen

Tore: 0:1 Tresoldi (11.), .0:2 Ernst (21.), 1:2 Benes (24.), 1:3 Schaub (32.), 2:3 Hadzikadunic (47.), 3:3 Glatzel (86.), 3:4 Ernst (90.+8.)

Zuschauer: 57.000

Schiedsrichter: Sören Storks (Velen)

Gelbe Karten: – / Nielsen, Teuchert

Gelb-Rote Karten: Hadzikadunic (90.+16, wiederholtes Foulspiel) / –

Rote Karten: Benes (88., grobes Foulspiel) / –

Walter fordert Serie – und hat ein ungewohntes Problem

Walter fordert Serie – und hat ein ungewohntes Problem

Es ist die Situation, die eigentlich jeder Trainer am liebsten mag – auch wenn sie nicht einfach wird. Zumindest hatte Tim Walter schon lange nicht mehr die Situation, ein absolutes Überangebot und mehrere Härtefälle zu haben.  Als er heute auf den Trainingsplatz kam, konnte Walter das erste Mal seit langem wieder mit dem beinahe kompletten Kader trainieren. Also berste personelle Voraussetzungen vor dem Nordduell am Freitag im Volksparkstadion, das aller Voraussicht nach ausverkauft sein wird. Bislang wurden schon 55.000 Tickets abgesetzt. 

Wobei, so ganz stimmt das natürlich nicht, denn gegen Hannover 96 fehlen dem HSV-Trainer weiterhin Kapitän Sebastian Schonlau und Mario Vuskovic. Aber diese beiden Ausfälle sind eigentlich schon eingeplant. Denn während der Kroate auf seine Fortsetzung im Dopingverfahren vor dem CAS wartet, müht sich der Abwehrchef nach seiner Dauer-Wadenverletzung nur ganz langsam wieder heran. „Ich bin froh, dass wir so viele gute Spieler haben. Das ist ein Segen. Ich freue mich über die, die wir haben. Und die sind gut“, sagte Walter heute auf der Pressekonferenz über seine ungewohnt große Auswahl. Er selbst habe in dieser Saison bisher nicht die Situation gehabt, für fast alle Positionen gleich mehrere vielversprechende Optionen zu haben. 

Besonders hart dürfte es für einen der Mittelfeldspieler werden. Dort streiten Laszlo Benes, Ludovit Reis und Immanuel Pherai um zwei Positionen. Ergo: Einer der drei wird zunächst auf der Bank Platz nehmen müssen. Aller Voraussicht nach dürfte das wieder Reis werden, da dieser aus einer längeren Verletzung zurückkehrt und Walter immer wieder betont, ihn nicht „verheizen“ zu wollen. Eine aus meiner Sicht absolut logische und gute Entscheidung, zumal ich aus eigener Erfahrung weiß, wie schwierig komplexe Schulterverletzungen auch nach den dafür notwendigen Operationen sein können.

Es wird für Walter also Härtefälle geben, auch wenn er diesen Begriff negativ belastet sieht. Spieler, die in dieser Saison schon überzeugt haben, könnten sich zwar plötzlich auf der Bank oder sogar auf der Tribüne wiederfinden. Aber Walter sieht die schwierigen Entscheidungen positiv. „Es ist doch schön, wenn man Luxus hat. Das beinhaltet ja auch etwas sehr Schönes“, sagte er. Man merke es auch im Training, wenn fast alle da sind.

Hintergrund: Dann könne gezielter trainiert werden. Ein Hauptaugenmerk dabei sind Zweikämpfe. Dort hat der HSV statistisch starke Werte, aber auch Walter merkte heute an, dass man hier noch besser werden müsse, da man „leider trotz der guten Werte die wichtigen, entscheidenden Zweikämpfe noch zu oft verlieren würde. Walter ist überzeugt: „Wenn alle auf dem Platz sind, dann kann man daran arbeiten. Und das sieht man dann auch.“

Die Voraussetzungen für den HSV sind also gut, um die Serie zu starten, die auch Walter nach dem Auswärtssieg bei Hertha BSC gefordert hat – und die notwendig sein wird, wenn man sich oben auf einem direkten Aufstiegsplatz behaupten will.  Nach dem 2:1 am vergangenen Samstag bei Hertha BSC ist der HSV hinter dem Stadtrivalen FC St. Pauli auf dem zweiten Rang und damit auf einem direkten Aufstiegsplatz.

Ich persönlich freue mich auf das Duell am Freitag echt. Deutlich mehr als auf viele andere Spiele, weil Hannover 96 ein Gegner ist, der viel kann, einen entsprechenden Eigenanspruch hat und dementsprechend nicht nur tief stehen wird. Diesen Eigenanspruch hat Hannover mit zwei Siegen und einem Remis in dieser Rückrunde bislang unterstrichen und hofft, noch einmal an die Aufstiegsplätze heranzukommen.  Dafür muss beim HSV Zählbares herausspringen.

Auf eines werden Walter und sein 96-Kollege Stefan Leitl ihre jeweilige Mannschaft wieder vorbereiten müssen: Auch bei dieser Partie werden etliche Fans gegen den Einstieg eines Investors bei der Deutschen Fußball Liga mit Spruchbändern und dem Werfen von Tennisbällen protestieren. Walter zeigte Verständnis für die Proteste. Doch sein Augenmerk liege in der Situation auf dem Sportlichen, wie er betonte. „Es geht darum, die Spieler rein körperlich auf einem Level zu halten, dass sie erwärmt sind und erwärmt bleiben“, meinte er. Das hätten sie auch in Berlin in der 30-minütigen Zwangspause in den Katakomben gemacht. „Ich hoffe, dass es diesmal nicht so lange Ausfallzeiten gibt“, sagte er. Es bestehe sonst die Gefahr, dass die Spieler sich verletzen könnten. Gerade jetzt, da der HSV-Kader so gut gefüllt ist, wäre das bitter.

Aber die Proteste in Berlin und allen anderen Stadien zeigen Wirkung – bei den Clubs zumindest. Präsident Claus Vogt vom VfB Stuttgart spricht sich für eine Wiederholung der Abstimmung über den Einstieg eines Investors in der Deutschen Fußball Liga aus. „Unser Verständnis von Demokratie – auch im Fußball – sollte sein: Die Mehrheit entscheidet“, schrieb der 54-Jährige am Mittwoch auf der Social-Media-Plattform X – ehemals Twitter. „Kann aber nicht sichergestellt werden, dass ein demokratisch zustande gekommenes Abstimmungsergebnis korrekt ist, sollte man im Sinne der Demokratie und im Sinne unseres Fußballs miteinander diskutieren, ob eine erneute, transparente Abstimmung aller 36 Vereine in der DFL notwendig ist. Ich meine: ja, es ist notwendig!“

Pikanterweise hatte auch Martin Kind, der Mehrheitsgesellschafter vom HSV-Gegner Hannover 96 eine gewichtige Rolle bei der Abstimmung gespielt, die äußerst knapp für die Zulassung von Investoren stimmte. Auch wegen des schlechten Verhältnisses zwischen Kind und dem 96-Stammverein hatte es eine Debatte um das Abstimmungsverhalten des 79-Jährigen gegeben. Kind war vom Verein angewiesen worden, gegen den Einstieg von Investoren zu stimmen. Nach der Abstimmung weigerte sich der 96-Chef zu verraten, ob er mit Ja oder Nein gestimmt hatte. Kind verwies auf die geheime Abstimmung.

Auf Nachfrage meiner Kollegen von der dpa hielt sich Kind zurück und verwies nach dem Vorschlag von Vogt auf die DFL: „Darüber muss das Präsidium und die Geschäftsführung entscheiden. Und das muss sich mit allen Szenarien auseinandersetzen. Ob der Deal kippen könnte, weiß ich nicht.“ Er glaube nicht, dass die Gegner des Deals die Mehrheit in den Stadien ausmachen.

Eine erstaunliche These. Zuletzt hatte es in zahlreichen Stadien Proteste der Fanszene gegeben. Am massivsten wie gesagt beim Spiel Hertha BSC gegen den HSV. Diese Partie stand im Gegensatz zu den anderen Partien wegen der außergewöhnlich lang anhaltenden Proteste sogar kurz vor dem Abbruch. Auch vor diesem Hintergrund erscheint der Vorschlag des VfB-Präsidenten Vogt ebenso spannend – wie wohl unwahrscheinlich. Aber den Protesten der Fans dürfte Vogt neuen Antrieb geliefert haben…

In diesem Sinne, Euch allen einen schönen Abend. Und: Bleibt gesund!

Scholle

HSV siegt in Marathonmatch 2:1 bei Hertha – (nicht nur) Walter fordert eine Serie

HSV siegt in Marathonmatch 2:1 bei Hertha – (nicht nur) Walter fordert eine Serie

Erst viele Tennisbälle, dann drei Tore und ein HSV, der endlich wieder auf einen Aufstiegsplatz springt: Eine mehr als halbstündige Unterbrechung wegen Protesten gegen die Investoren-Pläne der Deutschen Fußball Liga (DFL) hat den Sieg des HSV bei Hertha BSC zwar überschattet – ihn aber dennoch nicht verhindern können. Denn der HSV war über die reine Spielzeit betrachtet das bessere Team. Dass die Partie kurz vor dem Abbruch stand, als unzählige Tennisbälle auf das Spielfeld geworfen worden waren, bleibt daher eine nicht unwesentliche Randnotiz. Für mich aber ist etwas anderes viel wichtiger: Der erneute Schritt nach vorn.

Ein Schritt vorwärts (beim 2:0 auf Schalke), ein Schritt zurück (gegen den KSC) – und jetzt wieder ein Schritt vorwärts – das ist zwar längst noch keine Konstanz, aber lässt zumindest mal wieder etwas hoffen. Hoffen, dass der HSV es diesmal schafft, das Ganze in eine Serie zu verwandeln, wie es Trainer Tim Walzer nach Spielschluss auch einforderte. Dass sein Team zuvor dem Druck trotzte und mit diesem 2:1-Auswärtssieg auf Rang zwei springen konnte „ist eine schöne Momentaufnahme“, so Walter nach Spielschluss. „Für uns ist es aber wichtig in den Flow zu kommen und eine Serie zu starten. Meine Mannschaft hat das sehr gut gemacht, war sehr konzentriert und hat am Ende verdient gewonnen. Ich glaube, dass wir die aktivere Mannschaft waren. Meine Mannschaft war sehr abgezockt.“

Sehr gut und abgezockt – kann man so oder so sehen. Wichtig ist nur, dass der HSV in jedem Spiel mindestens einmal trifft. Zumeist sogar doppelt oder dreifach. Ergo: Hinten sicher stehen, und du gewinnst den Großteil der Spiele. So sch…. einfach ist die Rechnung, die Walter jetzt weiter lösen muss. Jetzt gilt es (mal wieder) schlicht und einfach, das Ganze zu konservieren und zu standardisieren. 

Aber noch mal kurz zurück zum Spielverlauf: „Es kamen immer mehr Bälle, von der einen und der anderen Seite. Wir haben versucht zu warten. Wir haben versucht einzuwirken, über die Spieler und den Trainer. Irgendwann mussten wir Konsequenzen ziehen“, erklärte Schiedsrichter Daniel Schlager bei Sport1 und ergänzte: „Kein Schiedsrichter möchte, dass deswegen ein Spiel abgebrochen wird.“ Bei einer weiteren Unterbrechung hätte Schlager demnach keine Wahl mehr gehabt. Hintergrund: Immer wieder flogen ab der 53. Minute aus der Hertha-Kurve Tennisbälle auf das Feld.

Appelle von Hertha-Coach Pal Dardai und dem Stadionsprecher brachten zunächst nichts. Nachdem das Spiel schon rund 20 Minuten unterbrochen war, schickte Schiedsrichter Schlager die Spieler vom Feld. Er habe „ein bisschen das Gefüh gehabt, dass es zu einem Abbruch kommen könnte“, meinte Dardai: „Ich habe mit den Fans gesprochen, das wollten sie auch nicht. Da haben sie Wort gehalten.“ 

Beide Mannschaften kehrten nach Ende der Würfe zurück und die Spieluhr wurde auf 52:30 Minuten zurückgesetzt. Die Hertha-Fans hatten ihr Banner mit der Aufschrift „Investorenwahnsinn endlich stoppen, ob in der DFL oder in den Vereinen“ kurz zuvor eingerollt. Nach Wiederanpfiff ging der HSV, der auch in der ersten Hälfte die deutlich bessere Mannschaft war, durch einen leicht aufsetzenden Distanzschuss von Miro Muheim in Führung (57.). 

Und dann kam Reese. Einen Schuss von Herthas gerade erst eingewechselten Schlüsselspieler konnte Daniel Heuer Fernandes nur zu kurz und zu mittig abklatschen. Tabakovic staubte zum Ausgleich ab (62.). Aber der HSV legte nach und kam durch den ebenfalls erst kurz zuvor ins Spiel gekommene Ludovit Reis per Kopf (nach traumhaft getimter Flanke von Immanuel Pherai) in der Schlussphase zum verdienten Sieg (83.).

DIE DATEN ZUM SPIEL:

Hertha BSC: Ernst – Kenny, Leistner, Kempf, Karbownik – Bouchalakis, Barkok, P. Dardai (60. Reese), Niederlechner (70.Prevljak), Winkler (60.Scherhant) – Tabakovic

HSV: Heuer Fernandes – Van der Brempt, Ramos, Ambrosius, Muheim – Meffert, Pherai, Benes (80.Reis) – Jatta (80.Königsdörffer), Nemeth (76.Glatzel), Dompe

Tore: 0:1 Muheim (57.), 1:1 Tabakovic (62.), 1:2 Reis (82.)

Zuschauer: 60.000

Schiedsrichter: Daniel Schlager (Hügelsheim)

Gelbe Karten: Kempf (40.), Bouchalakis (69.), Leistner (72.), Niederlechner (81.) / Pherai (45.+2), Muheim (62.)

Gelb-Rote Karten: – / –

STIMMEN ZUM SPIEL:

Tim Walter: Es war klar, dass wir heute geduldig bleiben müssen. Der Gegner hat sehr tief verteidigt. Wir hatten die Doppelchance durch Andras Nemeth und würden ihm so sehr das Tor gönnen. Er hat es in vielen Bereichen gut gemacht, der Ball wollte nicht reinfallen. Wir sind dennoch danach drangeblieben und waren auch nach der Halbzeit beharrlich. Es war für beide Teams aufgrund der langen Unterbrechung kein leichtes Spiel. Wir sind gut beraten, die Dinge, die wir im Winter angepackt haben, weiter voranzutreiben. Wir wollen im Zweikampfverhalten noch griffiger und wachsamer sein. Wir wollen eine Serie starten, alles andere ist eine Momentaufnahme. 

Pal Dardai: Es gab zwei verschiedene Halbzeiten. Im ersten Durchgang hatten beide Teams eine große Torchance. Wir sind dann in der zweiten Hälfte etwas besser reingekommen, ehe die Spielunterbrechung folgte. Dann treffen beide Teams einmal und wir waren in meinen Augen dem zweiten Tor zunächst näher. Dann wäre es spannend gewesen, was passiert wäre, wenn wir hätten kontern können. Am Ende war Hamburg aber die bessere Mannschaft. Sie haben etwas besser gespielt und haben ein sauberes zweites Tor erzielt. Wir haben alles getan, ich kann der Mannschaft keinen Vorwurf machen.

Immanuel Pherai: Es war ein komisches Spiel, weil es so lange unterbrochen war, aber letztlich haben wir verdient gewonnen. Ich habe mich gefreut, wieder auf dem Platz zu stehen. Beim 2:1 habe ich Ludo im Rückraum gesehen. Mir war klar, dass er den Kopfball setzen wird. Wir wollen jedes Spiel gewinnen und müssen zeigen, dass wir es auch können. Ich denke, dass wir mehr draufhaben als wir bisher gezeigt haben.

Ludovit Reis: Es war für mich ein schöner Moment, dass ich nach den vier Monaten Verletzungspause wieder ein Tor erzielt habe. Ich hatte „Manu“ schon zwei Minuten zuvor gesagt, dass er auf mich gucken muss – es war eine Top-Vorlage. Insgesamt war es ein ganz wichtiger Sieg gegen eine gute Mannschaft. Wir wollen jedes Spiel gewinnen, hätten dies auch gern am vergangenen Spieltag gemacht. Wir waren nur fokussiert auf dieses Spiel. 

Jonas Meffert: Wir haben sehr dominant gespielt, hatten viel Ballbesitz, ohne vielleicht die größten Chancen herauszuspielen. Man hat dann auf dem Feld gespürt, dass uns die Wechsel nochmal Aufschwung geben. Da sieht man die Stärke, die wir im Kader haben. Es ist nun unser Ziel, jetzt eine Serie zu starten. Das ist der nächste Schritt.

Der HSV 2024: Worthülsen schlagen Realität

Der HSV 2024: Worthülsen schlagen Realität

Es kommt wie erwartet. Der HSV will seiner Fußball-Profiabteilung in eine neue Rechtsform umwandeln. So lautet zumindest der Vorschlag der Arbeitsgruppe Rechtsform, die seit Mai 2022 tätig ist. Bei der für den 23. März geplanten, außerordentlichen Mitgliederversammlung soll aus der bisherigen HSV Fußball AG die HSV Fußball AG & Co. KGaA werden. Die Zustimmung zur Rechtsformänderung muss dabei mit einer Dreiviertelmehrheit beschlossen werden. Alles andere würde nicht reichen. „Dabei ging es um die Stärkung der Mitgliederrechte, gleichzeitig aber auch um die Schaffung einer Möglichkeit, neues Kapital für den HSV einzuwerben und die Kapitalbasis zu stärken“, sagte HSV e.V.-Vizepräsident und Aufsichtsratsboss Michael Papenfuß.

Die neue HSV Fußball AG & Co. KGaA soll die gleiche Anteils- und Kapitalstruktur haben wie die bisherige HSV Fußball AG. 75,1 Prozent liegen beim HSV e.V. Die größten Anteilseigner der übrigen 24,9 Prozent sind die Holding von Club-Mäzen Klaus-Michael Kühne (13,53 Prozent) und die HanseMerkur Holding AG (6,76 Prozent). In der bisherigen Struktur können ohne Satzungsänderung keine weiteren Anteile verkauft werden, da die 24,9 als Höchstgrenze festgeschrieben sind. Das wird in der neuen Rechtsform anders.

In der Theorie könnten dabei sogar alle Anteile an der HSV Fußball AG & Co. KGaA verkauft werden, ohne dass dem e.V. die Entscheidungshoheit entzogen würde. Der e.V. will nach Papenfuß‘ Aussage jedoch auf jeden Fall 50 Prozent der Aktien behalten. Zudem wurde eine Höchstgrenze für Einzelinvestoren bei 25 Prozent festgelegt. Beide Punkte sollen in der Satzung festgeschrieben werden. Ziel ist es, die Hälfte der HSV Fußball AG & Co. KGaA nach aktuellem Stand für etwa 100 Millionen Euro zu verkaufen. 

Ähnliche Szenarien gab es schon 2014 bei der Ausgliederung. Um aber denselben, erfolglosen Weg dieser Ausgliederung zu vermeiden, soll die Entscheidungshoheit zur Verwendung des Kapitals und die operative Führung der Profi-Abteilung bei einer neu zu gründenden HSV Fußball Management AG liegen. Diese bleibt zu 100 Prozent in Besitz des HSV e.V. Das wiederum ist schon aus rechtlichen Gründen wichtig, da man so die Einhaltung der 50+1-Regel sichert, die den Einfluss externer Investoren begrenzen soll. 

Die handelnden Personen in dieser neuen Management GmbH würden die sein, die aktuell auch die AG führen: Jonas Boldt (Vorstand Sport und Kommunikation) sowie Eric Huwer (Vorstand Finanzen und Organisation). Sowohl die HSV Fußball Management AG als auch die HSV Fußball AG & Co. KGaA erhalten einen eigenen Aufsichtsrat. Die Kontrolle des Vorstands obliegt den Räten der Management AG. Wer diese am Ende werden, ist ebenso offen wie spannend.

Für Huwers Bilanz der Zukunft hätte diese Umwandlung einen weiteren sehr positiven Effekt, da mit einer solchen Rechtsformänderung die 30 Millionen Euro, die Kühne in Form einer Wandelschuldverschreibung im vergangenen Jahr zur Verfügung gestellt hat, zum Eigenkapital der HSV Fußball AG & Co. KGaA umgewandelt werden, da Kühne seine Wandelschuldverschreibung in weitere Anteile umwandeln würde. Kühne würde so etwa 21 Prozent halten, der HSV e.V. letztlich nur noch etwa 70 Prozent.

Sportlich hatte der HSV gestern noch zu vermelden, was ebenso erwartet wurde: Noah Katterbach wechselt vom Erstligisten 1. FC Köln per sofort zum HSV. Der Außenverteidiger war bereits im Januar 2023 auf Leihbasis von Köln nach Hamburg gewechselt und absolvierte bis zu seinem Kreuzbandriss im April 2023 elf Partien für den HSV unter Trainer Tim Walter in der 2. Liga. „Wir sind auch nach dem Ende der Leihe im Sommer 2023 stets mit Noah in Kontakt geblieben, da wir sportlich und menschlich absolut von ihm überzeugt sind“, wird Sportdirektor Claus Costa auf der Website des HSV zitiert.

Und ja, Katterbach ist sicher ein talentierter Spieler auf einer Position, auf der der HSV nicht überbesetzt ist. Aber der HSV hat ganz andere Positionen, auf denen er zuerst hätte nachrüsten müssen. Ok, der HSV hat sich auf den Tschechen Zima verlassen, mit dem man weitgehend klar war, ehe dieser samt Beraterteam einen Turnaround hinlegte und zu Slavia Prag wechselte. Aber keinen klaren Plan B zu haben scheint beim HSV nicht nur bei Tim Walter eine Schwäche zu sein!

Das alles soll bitte nicht Katterbachs Verpflichtung kleinreden. Katterbach ist nur einfach nicht die Lösung fürs Hauptproblem in der Defensive, die mit 39 Torschüssen in zwei Spielen die meisten Torabschlüsse der Gegner zugelassen hat – von allen Teams in der Zweiten Liga. Normalerweise würde ich eine solche Statistik nicht per se bewerten, da man hierbei die Qualität der Torschüsse nicht wirklich herauslesen kann. Angesichts der drei Alutreffer sowie dem Treffer des FC Schalke sowie den vier Gegentoren gegen den KSC ist diese Statistik aber allemal alarmierend. Zumal auf der Stabilisierung der Defensive das Hauptaugenmerk liegen soll, wie die „detailversessene Analyse“ der Winterpause ergeben hatte.

Dass man zudem die mit weitem Abstand schwächsten Laufwerte aller Zweitligisten hat, dürfte den HSV-Trainer Tim Walter nicht sicherer im Sattel sitzen lassen. Ganz im Gegenteil: Tim Walter steht mächtig unter Zugzwang. Nach dem 3:4 gegen den Karlsruher SC muss bei Bundesliga-Absteiger Hertha BSC am Sonnabend (20.30 Uhr/Sky und Sport1) wieder eine überzeigende Leistung her. Heute auf der Pressekonferenz gab sich der zuletzt mehrfach in die Kritik geratene Coach wie immer entspannt. „Dadurch, dass wir auf Schlagdistanz sind, nicht uneinholbar hinten dran liegen, sondern nur einen Punkt auf die vorderen Plätze haben, bin ich noch relativ gelassen“, sagte Walter. Es gehe nun darum, im Vergleich zum Spiel gegen den KSC „genau diese Fehler, die jeder auch gesehen hat, dann endgültig abzustellen“. Walter schob hinterher, sie zumindest „minimieren“ zu wollen.

Und allein hier ist schon zu erkennen, dass die nötige Leistungskultur schon nicht mehr vorhanden ist. Warum auch? Walter kann machen, was er will – er hat nichts zu befürchten. Selbst so hanebüchene Analysen wie nach der KSC-Pleite, wo jeweils lange Bälle den Badenern reichten, um ein Überzahlspiel mit Torerfolg herzustellen schob Walter auf „individuelle Fehler“, die man jetzt „zumindest minimieren“ wolle. Noch Fragen??

In der bisherigen Saison kassierte der HSV schon 26 Gegentreffer. Mehr als in den letzten Jahren. Trotzdem sagt Walter: „Wir haben viel daran gearbeitet, zu blocken. Viel daran gearbeitet, den Spieler vom Tor wegzubekommen. Das haben wir am Wochenende nicht ganz geschafft.“ Nicht ganz, stimmt! Minimum vier Mal nicht. Beim 2:0 beim FC Schalke 04 zum Rückrundenauftakt habe sein HSV das aber „gut geschafft.  Und daran werden wir weiter arbeiten“, so Walter. Und das alles am 20. Spieltag. Zu einem Zeitpunkt, wo sich die Mannschaft eingespielt präsentieren muss. Zu einem Zeitpunkt, an dem der HSV auch unter Walter in den letzten Jahren regelmäßig einbrach, steht Basisarbeit auf dem Programm. Und das alles mit einem nicht nur finanziell überqualifizierten Kader.

Dass man durch verschiedene Ausfälle keine Stammdefensive finden konnte, wird hier immer gern angeführt. Weshalb man dann aber in der Winterpause nicht nachlegte, sondern sich bei der Suche auf einen einzigen Innenverteidiger festlegte, der den HSV dann überraschend foppte – es ist aus Sicht der sportlichen Leitung ebenso unerklärlich wie Walters Analysen nach den vergeigten Spielen.

Und ja, liebe Leute, ich will einen HSV-Sieg in Berlin sehen. Ich kann genauso wenig aus meiner Haut, wie wahrscheinlich fast alle hier. Ich freue mich nie über HSV-Niederlagen und hoffe entsprechend auch in Berlin auf einen Sieg. Aber inzwischen haben HSV-Siege immer auch einen Beigeschmack, da sie die eigentliche Problematik scheinbar immer wieder stilllegen. Zumindest, bis das nächste Defensivdesaster folgt. Dann selbstverständlich, weil man einfach zu viele Ausfälle hat, die Spieler zu blöd waren und individuell versagten – und so weiter. Ich befürchte ehrlich gesagt, dass beim HSV erst dann bemerkt wird, dass Walters Taktik diese Fehler provoziert, wenn der Aufstieg unerreichbar ist.

Und trotzdem hoffe ich darauf, dass der HSV siegt…

In diesem Sinne, heute mal etwas länger, weil ich zuletzt aussetzen musste. Leider auch mit dem neuen Format „Scholle trifft Stahl“, das aber kommende Woche wieder für Euch da sein wird. Dann mit Euren Fragen, die wir vorher abfragen. Eine Art „Communitytalk zu zweit“. Euch allen jetzt aber erst einmal einen schönen Donnerstagabend!

Scholle

3:4 gegen den KSC – beim HSV steckt der Fehler tiefer im System

3:4 gegen den KSC – beim HSV steckt der Fehler tiefer im System

Es ist so schwer zu ertragen. Diese Sorglosigkeit, sich ein Spiel wie das heutige gleich dreimal aus der Hand nehmen zu lassen. Zweimal davon in den ersten Spielminuten der beiden Halbzeiten – und dann zu allem Überfluss auch noch in der Schlussphase. Noch schwerer zu ertragen sind die Kommentare einiger, die reflexartig den Trainer verteidigen und Sätze bringen wie „solche individuellen Fehler kann nicht mal ein Klopp an der Seitenlinie ausgleichen“. Meine Güte, wie wenig muss man von Fußball verstehen, wenn man ein solches Spiel heute allein einem Teil der Mannschaft zuschreiben will?

Nein, dieses 3:4 gegen wachere Karlsruher war ein Kollektiv-Versagen mit altbekannten Fehlern und enervierenden Wiederholungen. Zweimal die ersten Minuten der Halbzeiten so zu verpennen ist nicht mehr mit Momentversagen zu erklären. Das ist einfach nicht zu erklären – das ist dumm. Dass ein Miro Muheim zuletzt nicht gespielt hat, darf keine Entschuldigung dafür sein, dass er seine Seite gleich mehrfach komplett offenlässt. Dass der HSV aktuell einen weiteren Innenverteidiger sucht und in dem Tschechen David Zima vom FC Turin offensichtlich auch gefunden hat, darf keine Erklärung für das unerklärlich schwache Zweikampfverhalten der beiden Innenverteidiger Stephan Ambrosius und Guilherme Ramos sein. Beide hatten gute Zweikampfwerte, aber die entscheidenden Zweikämpfe haben sie nicht gewonnen. 

Nein – es gibt einfach keine andere Erklärung für dieses bittere 3:4 gegen den KSC als die, dass der HSV aktuell einfach nicht so stabil ist, wie es nötig wäre. Und dazu zählt eben auch der Trainer. Nicht er allein hat heute verloren. Aber er hat es nicht geschafft, den guten Auftakt auf Schalke ins Heimspiel zu transportieren. Und der Trainer hat Sorte dafür zu tragen, dass die Mannschaft richtig eingestellt in die Partie geht. Mindestens aber hätte er dafür sorgen MÜSSEN, dass der HSV zu Beginn der zweiten Halbzeit doppelt und dreifach so wach auf dem Platz beginnt, nachdem er sich in den ersten fünf Minuten gleich doppelt hatte übertölpeln lassen. Das aber ist nicht passiert. Im Gegenteil: Diese Defensivleistung ist eines potenziellen Aufstiegskandidaten mehr als unwürdig.

Dafür aber ist der HSV inzwischen das erste Mal nicht unter den Top 3 der Liga. Dem „ersten guten Schritt auf Schalke“ folgte ein alarmierender Rückschritt gegen den KSC. Vier Gegentore, dazu noch in einem Heimspiel – das ist hart. Und wenn man sich die Performances der Schalker ansieht (zuletzt 1:4 beim FCK verloren), erscheint der Sieg des HSV auch in einem anderen Licht. Dazu ergab die „knallharte“ Winteranalyse, dass man endlich wisse, woran es zu arbeiten gelte: dem eigenen Defensivverhalten. Im Ergebnis verteidigte der HSV heute so schwach wie in dieser Saison noch nie. Dieses Defensivverhalten (nicht allein die Viererkette!) war eine glatte Sechs.

Ich habe keine Lust, jetzt von Wochenende zu Wochenende dieselbe Diskussion zu starten, die ich hier seit Walters erstem Spiel führe. Ich habe im Winter mehr als deutlich geschrieben, was ich für richtig und logisch hielt. Die HSV-Führung hat sich anders entschieden und wird alles dafür tun, diese Entscheidung irgendwie als richtig darzustellen. Dass der Trainer von „individuellen Fehlern“ spricht, ist nicht neu. Aber ich bleibe dabei: Wer in jedem zweiten oder dritten Spiel über die zu vielen individuellen Fehler klagt und parallel die teuerste und nach eigenen Aussagen auch individuell stärkste Mannschaft zur Verfügung hat, der hat einen Fehler im System. Und das schon länger.

In diesem Sinne, Euch allen trotz allem noch einen schönen Rest-Sonntag. Zumindest einen weniger nervenden als ich ihn habe.

Scholle

So will der HSV den Sieg auf Schalke gegen den KSC bestätigen

So will der HSV den Sieg auf Schalke gegen den KSC bestätigen

Als wir nach dem Schalke-Spiel selbiges analysiert haben, war uns allen bewusst: Das war ein guter Beginn – aber es muss jetzt auch so weitergehen. Und zumindest personell geht es auch so weiter. Mit dem Innenverteidiger-Duo Guilherme Ramos und Stephan Ambrosius wird der Hamburger SV am Sonntag wohl in das Zweitliga-Heimspiel gegen den Karlsruher SC gehen. „Die Jungs haben es auf Schalke natürlich auch sehr gut gemacht“, sagte Trainer Tim Walter heute auf der Pressekonferenz vor dem ersten Heimspiel des Jahres am Sonntag (13.30 Uhr) im Volksparkstadion, für das bereits 51.000 Tickets verkauft wurden. 

Verlierer dieser Entscheidung ist Dennis Hadzikadunic, der erneut nur auf der Bank Platz nehmen wird. Der im Sommer vom russischen Erstligisten FK Rostov ausgeliehene Innenverteidiger stand zuletzt Mitte November beim Spiel gegen Holstein Kiel in der Startelf, musste die letzten beiden Spiele komplett von der Bank aus zusehen und scheint keine lange Zukunft beim HSV zu haben. „Dennis lässt sich nicht hängen. Im Training haut er sich total rein, versucht die Dinge umzusetzen, die wir von ihm erwarten“, lobt Walter zwar. Aber seine Entscheidung für die Innenverteidigung scheint gefallen zu sein. „Gerade in der Innenverteidigung wechselst du nicht, wenn nichts verletzungsmäßig dazukommt“, sagte Walter. „Von daher muss er auf seine Chance warten.“

Kommt Zima? HSV sucht weiter nach neuem Innenverteidiger

Und diese scheint angesichts der Tatsache, dass der HSV gerade am Transfer eines weiteren Innenverteidigers arbeitet, nicht besser zu werden. Im Gegenteil: Aktuell beschäftigt sich der HSV zusätzlich mit der Suche nach einem neuen Innenverteidiger und ist dabei angeblich bei David Zima vom FC Turin fündig geworden. „Es ist unsere Aufgabe, unsere Augen offenzuhalten und alles andere wird man dann auch sehen“, sagte Walter mit Blick auf einen möglichen Neuzugang ausweichend. Fakt ist aber, dass der Tscheche als Soforthilfe betrachtet wird und den Weg für Hadzikadunic in die Startelf zusätzlich verbauen dürfte.

Hinzu kommt noch der eigentlich in der Innenverteidigung gesetzte Kapitän Sebastian Schonlau, der seit Monaten mit Wadenproblemen zu kämpfen hat und erst vier der bisherigen 18 Spiele für den HSV in dieser Saison absolvieren konnte. Für das Spiel gegen Karlsruhe fällt Schonlau sicher aus, Besserung ist noch nicht zu vermelden. Beim Kapitän gelte es „immer noch abzuwarten“, sagte Walter, dem mit Marijo Vuskovic der nominell stärkste Innenverteidiger bekanntermaßen unverändert fehlt, vorsichtig.

Trotzdem soll und will der HSV gegen Karlsruhe den nächsten Schritt in Richtung Aufstieg machen. Und dafür bedarf es einer mindestens so kompakten Defensive wie zuletzt auf Schalke. Ob Walter so spielen lässt – abwarten. Aber es darf gehofft werden. Walter selbst rechnet mit einem Gegner in Topform. Sein Ex-Club Karlsruher SC habe „zurzeit seine beste Phase“, sagte Walter heute und führte aus: „Gerade in den letzten Spielen, auch vor der Pause, haben sie einige Punkte gesammelt. Es wird ein interessantes Spiel.“ Auch für Walter selbst, der von 2006 bis 2015 Jugendtrainer des badischen Clubs war.

HSV will Defensivleistung gegen den KSC bestätigen

Ebenso spannend ist aktuell, wie sich der HSV intern aufstellt. Denn während die Arbeitsgruppe Rechtsform am kommenden Donnerstag zur Infoveranstaltung einlädt, sortieren sich im Hintergrund die Aktionäre sowie der Vorstand und das Präsidium. Inhaltlich geht es vor allem darum, den durch das Protokoll öffentlich gewordenen Vorbehalt gegenüber dem Hauptsponsor (was für ein Widerspruch in sich…!!!) aus der Welt zu bekommen. Ein erstes Treffen zwischen Präsidium und Hanse Merkur hat bereits stattgefunden, wie es bei den Aktionären und Hanse Merkur weitergeht, ist noch offen. Da die Aktionäre aber „fehlenden Mehrwert“ beim Neu-Aktionär beanstandet und zudem den Verkauf Ihrer Anteile androhten, ist hier noch reichlich Brisanz gegeben.

Und bei allem Harmoniebedürfnis kann ich aus meiner Sicht nicht nachempfinden, weshalb der HSV sich hier so treiben lässt. Von den intern schon seit längerem sehr aktiven Thomas Böhme und Andreas Peters (AMPri Handelsgesellschaft mbh / rund 1,42%) sowie Maik Burmeister (4B GbR / knapp 1,33%), die auch im Protokoll explizit mit ihren Vorbehalten gegenüber HanseMerkur sowie Vereinspräsident Marcell Jansen genannt werden, würden mich nicht übermäßig stressen. Denn so, wie sich das Protokoll liest, lässt sich der HSV schon jetzt zu sehr von seinen Kleinaktionären beeinflussen. Zumindest so sehr, dass es am Ende sogar dazu führt, dass man sich nicht ausreichend zu seinem Hauptsponsor bekennt.

Aber alles das soll übers Wochenende ruhen. Denn da geht es darum, dass der HSV seinen auf Schalke begonnenen Weg fortsetzt und seine defensive Stabilität weiter festigt. Offensiv mache ich mir beim HSV eh keine Sorgen. Denn in dieser Saison hat der HSV bislang in jedem Zweitligaspiel getroffen. Das letzte Mal ohne eigenes Tor blieb man in der Zweiten Liga im April 2023 beim FC Kaiserslautern. Ich bin überzeugt davon, dass Toptorjäger Robert Glatzel in seinem 100. Spiel für den HSV auch seinen 60. Treffer für den HSV erzielen will – und erzielen wird. „Im Jubiläumsspiel soll er uns zum Sieg ballern“, fordert Walter und ich hätte da eine gute Idee: Mindestens einmal Glatzel, dazu hinten die Null – dann reicht es ganz sicher für die gewünschten drei Punkte! Auch ohne Spektakel.

In diesem Sinne, Euch allen einen schönen Abend mit einem hoffentlich erfolgreichen Spiel der deutschen Handball-Nationalmannschaft!

Scholle