Der HSV bleibt stabil. Zumindest eine Halbzeit lang. Oder besser formuliert: Leider nur eine Halbzeit lang. Denn beim 2:2 (1:0) im Nordduell gegen Hannover 96 musste der zuletzt stabiler werdende HSV einen kleinen Rückschlag im siebten Spiel unter dem jungen Cheftrainer Merlin Polzin hinnehmen, weil man die zweite Halbzeit mehr oder weniger an die Hannoveraner abschenkte. Am Ende musste man fast noch froh sein, dass man noch einen Punkt mitnehmen konnte. Das das Remis den Verlust der Tabellenführung nach dem 20. Spieltag bedeutet, werte ich nicht zu hoch. Dafür ist da oben alles noch viel zu eng beieinander. Allein die Hoffnung, dass der HSV seinen fast schon traditionellen Einbruch in den Rückrunden wie in den letzten sechs Zweitliga-Saisons vermeiden kann, bleibt.
„Jeder Punkt hilft auf dem Weg zum großen Ziel. Von daher nehmen wir den Punkt mit“, sagte HSV-Trainer Polzin nach dem Spiel. „Wir müssen uns einfach vorwerfen, dass wir das Spiel in der ersten Halbzeit nicht klarer gestaltet haben», sagte Polzin. Nicolo Tresoldi (53.) und Winter-Zugang Rabbi Matondo (79.) drehten die Partie, nachdem Muheim-Ersatz Silvan Hefti den HSV in Führung gebracht hatte. Doch Jean-Luc Dompé (84.) besorgte mit einem schönen Freistoßtor noch den Ausgleich für die Gastgeber. Polzin: „Wir haben schon häufiger gesehen, was für ein Unterschiedsspieler Dompé ist. Wir sind sehr glücklich, dass wir ihn im Team haben.“
Der HSV rutscht durch dieses Remis auf Rang zwei zurück, zwei Punkte hinter dem 1. FC Köln und punktgleich mit Magdeburg sowie dem 1. FC Kaiserslautern.
DIE EINZELKRITIKEN:
Daniel Heuer-Fernandes: Bei den Gegentoren war er chancenlos, ansonsten war er da, wenn er gebraucht wurde. Weiter eine feste Größe. Note: 3
William Mikelbrencis: Dass er zusammen mit dem defensiv oft wilden Sahiti die rechte Seite sichern sollte, machte mir vor Spielbeginn Sorgen. Im Spiel machten die beiden das in der ersten Hälfte nach ein paar Eingewöhnungsminuten gut. Aber: Sein Laufweg beim Konter von Sahiti (44.) war fatal, da muss er Sahiti außen überholen und den Verteidiger vor die Entscheidung stellen, einen der beiden zu attackieren. So machte er den Konter kaputt. Dazu seine sehr unglückliche Aktion beim 1:1 und ein unnötiger Ballverlust sowie ein verlorener Zweikampf im eigenen Sechzehner zum 1:2 – bitter! In der zweiten Hälfte war das auch sonst zu wenig von ihm. Er ist einfach noch zu inkonstant, zu wackelig. Note: 5
Denis Hadzikadunic (bis 66.): Er scheint sich unter dem neuen Cheftrainer wohler zu fühlen – oder ist es Nebenmann Daniel Elfadli? Egal wie, er macht das momentan gut und rettet immer wieder auch in brenzligsten Situationen (48.). Die Entscheidung Polzins, ihn auszuwechseln erschloss sich mir nicht. Note: 3
Sebastian Schonlau (ab 67.): Der Kapitän sollte hinten stabilisieren und konnte sich schon mal warmspielen, da er durch Elfadlis Sperre am kommenden Wochenende wieder beginnen dürfte. Note: 4
Daniel Elfadli: Er hat Übersicht, ist aggressiv im Zweikampf, hat einen sehr guten Spielaufbau – kein Wunder, dass der HSV defensiv stabiler ist mit ihm. Bitter für Schonlau, das Allerdings hat er arge Probleme, wenn der Gegner hoch presst. Aber: Seine heute eingeholte fünfte Gelbe tut weh, er wird in Münster fehlen. Note 3
Silvan Hefti: Erstmals in der Startelf und dann macht er, was Muheim macht: Er ist an einem Tor beteiligt, nein: er erzielt es sogar selbst! Dass er in einigen Situationen noch unsicher ist – nach so wenig Spielzeit normal. Aber er wurde im Laufe des Spiels sicherer. Auch dank des Treffers. Ich würde als Trainer überlegen, ihn als Rechtsfuß auch als Rechtsverteidiger zu bringen, wenn Muheim links wieder zur Verfügung steht. Note: 3
Jonas Meffert: Deutlich besser als zuletzt. Sogar richtig gut, vor allem auch im Zusammenspiel mit Richter. Er muss aber zusehen, auch nach Wechseln seine Mitspieler sofort zu stellen und das Zentrum zu organisieren. Note: 3
Marco Richter (bis 66.): Er hätte seinen guten Beginn mit einem Torassist krönen können/müssen (14.), aber auch so war das für mich seine beste erste Halbzeit bislang. Sowohl nach vorn als auch nach hinten sehr aktiv. Ballgewinne, schlaue Pässe, gute Zweikampfführung und sich so lange auspowern, bis nichts mehr geht – so geht das! Hoffentlich kann Richter diese Leistung konservieren und immer wieder einbringen. Note: 2,5
Ludovit Reis (ab 67.): Schade, dass er den Ball in der 76. Minute nicht auf Sahiti weitergespielt bekommt – das wäre eine Hundertprozentige geworden. Aber er wird in den nächsten Wochen über die Kurzeinsätze kommen. Hoffentlich! Note: 3
Adam Karabec (bis 85.): Nach zehn Minuten machte er endlich mal das, was ich mir von ihm viel mehr erhoffe: Er ging dahin, wo es gefährlich werden kann. Und es wurde gefährlich. Erst scheiterte er selbst knapp, während Meffert den daraus resultierenden Eckball per Kopf nur knapp verfehlte. Leider bekommt er sein gutes Spiel immer wieder nur eine Halbzeit auf den Platz, auch heute. Note: 4
Lukasz Poreba (ab 86.): Durfte noch ein wenig mitspielen.
Jean-Luc Dompé: Immer gefährlich. Er ist das personifizierte Grauen für jede Zweitliga-Defensive. Dass er Freistöße schießen kann, ist ebenso bekannt wie es für den HSV am Ende ein ganz wichtiger Faktor werden kann. Bester HSVer heute. Note: 2
Emir Sahiti (bis 85.): Sehr guter Start ins Spiel für ihn. Seine Eins-gegen-Eins-Qualitäten werden immer sichtbarer. Defensive kann er nicht, das muss der HSV-Trainer so einplanen. Leider war die Kombi mit Mikelbrencis heute nur die ersten 45 Minuten funktional. Aber: Offensiv ist er ein Spieler, der noch sehr spannend werden kann für den HSV. Note: 3
Adedire Mebude (ab 86.): Durfte noch ein paar erste Minuten im Volkspark sammeln und erinnerte mich in seinen Abläufen sehr stark an Fabio Baldé. Aber abwarten…
Ransford Yeboah Königsdörffer (bis 75.): Er war sehr viel unterwegs, bot sich an, wurde gesucht – aber er fand nicht ins Spiel, weil die Hannoveraner ihn gut zustellten. Note: 5
Otto Stange (ab 75.): Er ist sofort im Spiel, legt einen Ball zum Konter super auf, holt den Freistoß zum 2:2 raus – das passt! Hoffentlich bekommt er auch in den nächsten Wochen und Monaten immer wieder Spielzeit, um sich zu weiterzuentwickeln. Note: 3
Trainer Merlin Polzin: Nach zwei Siegen in Folge wieder ohne Kapitän Sebastian Schonlau zu beginnen ist konsequent und vermittelt eine Art Leistungsgedanken. Ihn zu bringen, um hinten Ruhe reinzubringen, war falsch – zumindest, dass er dafür den überrascht wirkenden Hadzikadunic rausgenommen hat. Wie gut Letztgenannter werden kann, wenn er Vertrauen geschenkt bekommt, hat man bis zu seiner Auswechslung in bislang allen Spielminuten 2025 gesehen. Hoffentlich denkt Hadzikadunic nicht zu intensiv darüber nach. Polzin wird sich fragen müssen, weshalb man nur eine gute Halbzeit gespielt hat und in der zweiten Halbzeit auf Hannovers Umstellungen nicht entsprechend zu reagieren wusste. Note: 4
Er macht es richtig. Angesichts der Dichte und der Nähe aller Teams in der Tabellenspitze sagt die aktuelle Position nur sehr bedingt etwas aus. „Die Tabellenkonstellation ist für uns nicht so wirklich entscheidend, weil die Liga einfach verdammt eng ist, und sie wird doch bis zum Ende der Saison eng bleiben“, sagt Merlin Polzin heute auf der Spieltags-Pressekonferenz vor dem Top-Spiel am Sonntag gegen Hannover 96.
Seitdem Polzin die Chefrolle des beurlaubten Steffen Baumgart übernommen hat, holte die Mannschaft vier Siege und zwei Unentschieden. Man ist also weiterhin ungeschlagen. Der Rückrundenstart mit den Erfolgen gegen die mitfavorisierten 1. FC Köln und Hertha BSC war ergebnistechnisch sehr gelungen – und letztlich geht es um Ergebnisse. Aber ich weiß, dass der Trainer und seine Assistenten mit dem Auftritt in Berlin nur bedingt zufrieden waren. Und das wurde in der zurückliegenden Trainingswoche intern auch klar angesprochen. Von einem Polzin-Flow will beim HSV niemand sprechen. Zumindest der Trainer selbst nicht. „Es geht eher darum, dass wir als Mannschaft einen Fußball auf den Platz bringen wollen, der uns möglichst erfolgreich macht“, sagt Polzin selbst.
Nach einem Einbruch des HSV in der Rückrunde – wie in den vergangenen Jahren immer wieder – sieht es derzeit nicht aus – auch wenn Hannovers Trainer André Breitenreiter das hofft. „Es gibt zwei, drei Vereine, die, wenn sie über die ganze Rückrunde hinweg normal abliefern und konstant bleiben, andere Voraussetzungen haben. Dann wird es auch schwer sein, sie einzuholen“, sagte der frühere HSV-Stürmer und meint damit auch seinen Exklub HSV. „Aber das ist in den letzten Jahren nicht passiert. Und vielleicht passiert es auch dieses Jahr nicht, sodass man in diesen Momenten da sein muss“, sagt der 51-Jährige, der mit seiner Mannschaft Tabellenfünfter nach Hamburg reist und sich weiter große Chancen im Kampf um die Aufstiegsplätze ausrechnet.
Und das, obwohl sein Team auswärts zuletzt schwächelte. Das 1:0 beim Tabellenletzten Jahn Regensburg und das 2:2 gegen Aufsteiger Preußen Münster waren nicht vielversprechend. Jetzt könnten Breitenreiter und seine Mannen im Falle einer Niederlage schon ein wenig den Anschluss an die vorderen Ränge verlieren. „Es geht darum, sich bis zum Ende der Saison in eine Position zu bringen, in der man attackieren kann. Siege gegen direkte Konkurrenten helfen da umso mehr“, so Breitenreiter, der ankündigt, bis zum Ende ein gewichtiges Wort um den Aufstieg mitsprechen zu wollen. „Wir können eine sehr gute Rolle spielen“, sagt Breitenreiter selbstbewusst.
Aber wie gesagt, auswärts hakts bislang. Mit acht Zählern sind die 96er die viertschlechteste Auswärts-Mannschaft – und der HSV ist mit 20 Zählern zu Hause der zweitbeste Gastgeber – passenderweise hinter Hannover 96, die es im eigenen Stadion auf 23 Punkte bringen. Aber das sind nur Statistiken, die am Spieltag selbst nahezu nichts mehr wert sind. Zumal beim HSV nach den Langzeitausfällen von Jatta und vor allem Robert Glatzel der Ausfall von Davie Selke (Jochbeinbruch) schwer wiegt. Oder kann er doch spielen?
Zuletzt wurde rund um den HSV nur darüber berichtet und spekuliert, ob der Angreifer mit einer Spezialmaske eventuell doch schon im HSV-Derby auflaufen kann. Kann Davie Selke am Sonntag nur acht Tage nach seinem Jochbeinbruch spielen oder nicht? HSV-Trainer Polzin will die Hoffnung noch nicht aufgegeben. „Wir versuchen natürlich alles zusammen mit Davie und mit unserer medizinischen Abteilung, dass er uns helfen kann“, sagte er. Das Gute sei, dass bei Selke nichts am Körper kaputt sei, „sondern er braucht eine Maske, um funktionieren zu können“.
Die Mediziner des HSV hatten einem Einsatz gerade acht Tage nach dem Unfall zuletzt einen Riegel vorgeschoben. Ich kann es mir schwer vorstellen, dass der HSV dieses Risko geht. Zumal man Ransford Königsdörffer hat. Was passiert denn, wenn sich Selke trotz Maske schwerer verletzt? Was, wenn Selke trotz seiner Bekundungen, unbedingt auflaufen zu wollen, doch ein wenig gehemmt ins Spiel ginge? Es wäre beides unvernünftig und wenig hilfreich. Vorstellen könnte ich mir indes, dass man Selke mit in den Kader nimmt – und im Notfall zum Ende hin tatsächlich bringt. Laut Polzin soll der elf Mal erfolgreiche Torschütze am Sonnabend abschließend trainieren und danach würde entschieden. Polzin: „Wir warten mal den morgigen Tag ab und gucken dann, ob es für Sonntag reicht.“
Profiteur der Ausfälle in der HSV-Offensive kann der letzte Zugang werden: Winter-Zugang Adedire Mebude, der bis Saisonende ausgeliehen ist. Der 20-jährige Schotte kommt vom belgischen Erstligisten KVC Westerlo gilt als Option für die Außenbahn. „Der Junge ist flink unterwegs“, sagte Polzin über seine ersten Trainingseindrücke des Rechtsfußes. „Er ist am Sonntag definitiv im Kader und natürlich auch eine Option, dann auf möglichst viele Spielminuten zu kommen.“
Einen neuen Innenverteidiger hat der HSV noch immer nicht. Die Gerüchte über den talentierten kroatischen Innenverteidiger Dominik Prpic (20) von Hajduk Split wollte Polzin heute nicht kommentieren. Aber: Der HSV bemüht sich weiter, wie zu hören ist. Daumen drücken also!
Spannend wird, wie Polzin diesmal mit Abwehrchef Sebastian Schonlau plant. Ich persönlich gehe ganz fest davon aus, dass Schonlau wieder in die Startelf zurückkehrt. Sorgen bereitet mir, dass der HSV links auf Miro Muheim (5. Gelbe Karte) verzichten muss und der HSV inklusive Schonlau gleich zwei von vier Positionen tauschen muss. Dass Silvan Hefti dort reinrutschen könnte, macht es nicht weniger spannend. Und ich könnte an dieser Stelle (das gilt generell für eine stabile Defensive, die bei mir immer ganz weit vorn auf der Prio-Liste steht!) komplett auf jegliche Spannung gut verzichten…
Wen würdet ihr hinten links spielen lassen? Oder würdet Ihr auf Dreierkette umstellen mit Elfadli neben Hadzikadunic und Schonlau? Oder habt Ihr eine ganz andere Idee? Schreibt mal in die Kommentare, wie Ihr beginnen würdet.
Bis dahin Euch allen einen schönen Freitagabend und ein schönes Wochenende!
Es passiert doch noch etwas. Kurz vor dem Ende der Transferperiode gab es heute gleich drei Personalien. Moritz Heyer verlässt den Hamburger SV und wechselt innerhalb der 2. Fußball-Bundesliga zu Aufstiegskonkurrent Fortuna Düsseldorf mit Ex-Trainer Daniel Thioune, der Heyer seinerzeit auch mit zum HSV gelotst hatte. Wie die Rheinländer mitteilten, hat der 29 Jahre alte Verteidiger seinen Vertrag beim HSV aufgelöst und wechselt ablösefrei vom Spitzenreiter zum Tabellen-Siebten.
Bei der Fortuna trifft Heyer auf seinen Ex-Trainer: „Daniel Thioune kenne ich aus gemeinsamen Zeiten in Hamburg und Osnabrück. Der Kontakt zwischen uns ist nie wirklich abgerissen. Das war auch ein Punkt, der es mir extrem leicht gemacht hat, hier herzuwechseln.“ Für den HSV bestritt Heyer 126 Pflichtspiele und galt als Allrounder, was erst einmal positiv klingt. De facto wurde ihm das aber zum Verhängnis, da man ihm im Gegenzug auf keiner Position als Spezialisten ansah.
Heyer wechselt ablösefrei nach Düsseldorf – geht auch Perrin
Auch nicht auf der Position des Innenverteidigers, die Heyer mehrfach spielen musste. Deshalb verpflichtete der HSV im Sommer Lucas Perrin, den wir hier schon vor der Unterschrift zusammen mit unserem Datenanalysten Mats Beckmann analysierten und ihn damals schon für nicht geeignet beurteilten. Ein halbes Jahr und drei sieglose Startelfeinsätze später ist erst einmal wieder Schluss für den Franzosen in Hamburg – zumindest deutet sich das an. Dem Vernehmen nach sollen sich zwei belgische Erstligisten um ein Leihgeschäft bemühen.
Moritz Heyer nach seinem Treffer im Derby gegen den FC St. Pauli am 21.04.2023 FOTO: Witters
Wobei die erste belgische Liga für den HSV auch aus anderer Sicht sehr interessant zu sein scheint. Der HSV hat seinen Ersatz für den am Sprunggelenk verletzten Flügelstürmer Bakery Jatta gefunden. Vom belgischen Erstligisten KVC Westerlo kommt der 20-jährige Adedire Mebude auf Leihbasis bis Saisonende. Was der Spieler kann, lässt sich schwerlich sagen. Sicher ist, dass der schottische U21-Nationalspieler in der Jugend von Manchester City ausgebildet wurde, dort sogar unter Pep Guardiola trainieren durfte, und 2023 nach Belgien wechselte. In der laufenden Spielzeit erzielte er bei 17 Erstligaeinsätzen für Westerlo zwei Tore und bereitete einen weiteren Treffer vor. Zudem kommt der Spieler vor allem über seine Schnelligkeit gepaart mit einer vernünftigen in Technik für Eins-gegen-Eins-Situationen. Ich bin gespannt, ob das die erhoffte Verstärkung wird.
Dass die HSV-Verantwortlichen überzeugt sind, liegt in der Natur der Sache. „Mit der Leihe von Adedire Mebude können wir die Kernkompetenzen auf dieser Position ersetzen, zudem sehen wir in ihm großes Entwicklungspotenzial“, erklärt Sportvorstand Stefan Kuntz, und Direktor Sport Claus Costa ergänzt: „Adedire ist mit seiner Explosivität und Schnelligkeit sowie seinen Stärken im Umschaltspiel und seinen Tiefenläufen ein Spieler, der uns in vielen Spielphasen helfen kann und unsere anderen Flügelprofile ideal ergänzt.“
Der junge Außenstürmer „Dire“ soll Tempo machen
Der Spieler selbst würde am liebsten schon am Sonntag gegen Hannover 96 sein Debüt für den HSV feiern. „Ich bin sehr glücklich, jetzt ein Teil des HSV zu sein und dieses Stadion, für das ich kaum Worte finde, nun mein Zuhause nennen zu dürfen“, sagt „Dire“, wie er gerufen wird. „In einem Heimspiel hoffentlich mein Debüt geben zu können, das wäre fantastisch.“ Welche Qualitäten er mitbringt und wie er dem HSV helfen möchte? „Dire“ ist noch zurückhaltend: „Ich möchte immer meine Mitspieler in Position bringen und den Fans Freude bereiten, darum geht es. Und darum, dass der HSV sein großes Ziel erreicht. Dazu möchte ich meinen Teil beitragen und dafür mein Bestes geben.“
Herzlich Willkommen, Adedire!
Dass man sich parallel hierzu jetzt offenbar gegen eine Verpflichtung eines weiteren Stürmers entschieden hat, das hat einen sehr erfreulichen Grund: Davie Selke, der ebenso wie Bakery Jatta frisch und erfolgreich operiert worden ist, soll schon binnen zwei Wochen wieder voll einsteigen und spielen können. Zumindest ist das sein Wunsch – und wohl auch der Plan des HSV. Helfen soll dabei eine bereits in Auftrag gegebene spezielle Maske, die Selke so lange tragen soll, bis der Jochbeinbruch komplett verheilt ist. Bis dahin wird Ransford Königsdörffer, in der laufenden Saison mit neun Treffern nur zwei Tore hinter Selke, den verletzten Angreifer im Sturmzentrum ersetzen. Mit dem jungen Otto Stange als Backup.
Kein Selke-Ersatz, stattdessen Hoffnung auf schnelles Comeback
Schwieriger zu ersetzen ist aus meiner Sicht die Position hinten links in der Viererkette, wo Miro Muheim ob seiner fünften gelben Karte gegen Hannover 96 am Sonntag gesperrt fehlen wird. Hier läuft es darauf hinaus, das Silvan Hefti seine Chance bekommt. Ein Spieler, der zuletzt zweimal nur für wenige Minuten in der Schlussphase eingewechselt wurde. Inwieweit ja matchfähig ist und den stabilen Muheim ersetzen kann, vermag ich nicht zu sagen. Aber zugegeben: hier hoffe ich mehr darauf, dass er es hinbekommt, als dass ich davon überzeugt bin. Aber das soll nichts bedeuten, im Gegenteil: Ich würde mich sehr freuen, wenn ich mich hier irre.
In diesem Sinne, Euch allen noch einen schönen Abend und nach dem Willkommensgruß an Abedire Mebude geht auch noch ein ganz besonders herzlicher Gruß raus an Mo Heyer, den ich persönlich nicht abgegeben hätte. Aber, es ist jetzt so und wir wünschen Mo alles erdenklich Gute bei der Fortuna, solange diese hinter dem HSV bleibt…
Der HSV hat das Topspiel des Spieltages bei Hertha BSC mit 3:2 gewonnen und damit die Tabellenführung nach kurzzeitiger Übernahme des 1. FC Köln (1:0 gegen Elversberg am Nachmittag) zurückerobert. Und das mit einer brutalen Effektivität. Bei 0,6 Expected Goals schaffte der HSV drei Treffer, während die Hertha in der Anfangs- und Schlussphase mehrere klare Gelegenheiten liegen ließen. Daniel Heuer Fernandes rettete hinten mit sensationellen Reflexen, während Sahiti den Siegtreffer nach Konterlauf besorgte. Zuvor hatten für den HSV Ransford Königsdörffer und Davie Selke, für den Königsdörffer eingewechselt worden war, getroffen.
Aber: So sehr wir uns über diesen Sieg freuen dürfen, so schwierig wird es personell, wenn Davie Selke den befürchteten Jochbeinbruch (und danach sah es aus) davongetragen hat. Von daher: Daumen drücken! Einmal, dass Selke sich nicht so schwer verletzt hat. Und dann, dass der HSV nicht wieder so unvorbereitet ist, wenn er personell reagieren muss… Zumal im Spitzenspiel am kommenden Wochenende gegen Hannover 96 auch Muheim durch seine heute eingehandelte 5. Gelbe Karte fehlen wird.
DIE EINZELKRITIKEN:
Daniel Heuer-Fernandes: Souverän, wenn er gefordert war. Sensationelle Reflexe in der 76. Und in der 92.Minute! Note: 1+
Schlussjubel v.l. Torwarttrainer Sven Hoeh, Torwart Daniel Heuer Fernandes (HSV)
Berlin, 25.01.2025, Fussball, 2. Bundesliga, Hertha BSC Berlin – Hamburger SV
William Mikelbrencis: Er ist mutig, er versucht einiges – und das ist auch gut so! Aber er ist oft noch viel zu fahrig, zu wild und mit falschem Stellungsspiel unterwegs. Er legte Reese den Ball (unfreiwillig) in den Lauf vor dem 1:2 und pennte beim 2:2 – das ist dann in der Summe einfach schlecht. Dass die Trainer nach Reeses Einwechslung weiter mit ihm und dem Null-Defensiven Sahiti die rechte Seite bespielen ließen, war fahrlässig. Note: 4,5
Denis Hadzikadunic: Er war noch einer der Besseren in der ersten Hälfte! Und auch in der zweiten Hälfte war das okay – bis Reese auch ihn überlief. Note: 3
Daniel Elfadli: Oha, heute wurde er früh auf die Probe gestellt und schaffte es – im Doppelpack mit dem ebenso schwimmenden Meffert – nicht, seine Mannschaft auf die Berliner Offensive einzustellen. Steht es nach zehn Minuten 0:2 darf sich niemand beschweren. Aber gute Spieler zeichnet es eben auch aus, dass sie sich selbst zurückholen in solche Spiele – und das schaffte Elfadli. Die zweite Halbzeit war er da – aber eben auch überfordert, als Resse die rechte HSV-Seite überlief. Note 3,5
Miro Muheim: Er schwamm in der ersten Hälfte in der insgesamt schwachen Viererkette mächtig mit. Zweite Hälfte wurde er besser, kassierte aber die 5. Gelbe und komplettiert das Personalfiasko. Note: 3,5
Jonas Meffert (bis 86.): Er steckt aktuell in einem Formtief. Heute war er auch defensiv nicht so effektiv, wie sonst. Er war in allem – mit wie ohne Ball – heute zu langsam. Am Ball brauchte er wieder zu lang. Und geordnet bekam er das Mittelfeld als Interimskapitän auch nicht. Note: 4
Sebastian Schonlau (ab 86.): Sollte mit absichern, was im Ergebnis gelang.
Marco Richter: Ich wiederhole mich: Was bitte sehen die Trainer in Richter? Er ist kein Sechser, kein klarer Achter (dafür fehlt der defensive Teil) und kein klarer Zehner, weil er fast immer das Tempo verschleppt. Auch seine oft so gerühmte Abschlussstärke geht ihm beim HSV bislang verloren. Dass er am Ball viel kann, ist super. Aber wenn er diese Fähigkeit nicht gewinnbringend auf dem Platz einbringen kann, bringt das gar nichts! So ist er in dieser HSV-Mannschaft fehlt der Platz für seine Spielweise. Langsam wird das schon fahrlässig vom HSV, immer wieder freiwillig mit einem Mann (heute mit Sahiti 2) weniger zu spielen. Hart von Polzin, ihn auf dem Platz zu lassen und stattdessen Karabec runterzunehmen! **Korrektur: Mit dem Pass auf Sahiti hatte er dann doch entscheidende Wirkung. Asche auf mein Haupt, das nicht gesehen zu gaben. Die Note verbessert so eine Aktion natürlich: Note: 4
Silvan Hefti (ab 87.): Nur noch dabei. Ohne Aktion.
Adam Karabec: Bereitete das 1:0 wunderbar vor und zeigte dabei, was für ein feines Füßchen er hat. Das kommt auch immer wieder vor. Aber: Auch heute fehlte wieder der unbedingte Wille, in die Gefahrenzone zu kommen. Sowohl mit Ball als auch per Pass. Ich hätte ihn dennoch niemals vor Richter vom Platz geholt, weil er einfach mehr Wirkung hat als Richter. Note: 3
Jean-Luc Dompé: Was für eine katastrophale erste Halbzeit von ihm. Und das wurde in der zweiten Halbzeit kaum besser. So schlecht habe ich ihn ehrlich gesagt noch nie gesehen… Aber wer weiß, vielleicht hat er sich ein paar Aktionen fürs kommende Wochenende aufbewahrt, wenn Hannover 96 in den Volkspark kommt. Note: 5
Emir Sahiti (bis 86.): Wild, ohne defensives Zweikampfverhalten, zu körperlos generell, und dann auch noch zu früh gelbverwarnt – das war kein gutes Startelfdebüt. Vor allem, weil es Themen sind, die er schon lange kennt. Härte kann man antrainieren, taktisches Verhalten muss er umsetzen – und das schafft er (noch immer) nicht ausreichend gut. Dass er dann das 3:2 macht – okay. Sehr wichtig und gut abgeschlossen. Aber in der Verfassung ist er eben ein Mann für die letzten 15 Minuten, wenn die Gegner müde werden. Mehr noch nicht. Aber: Macht er dann immer wieder solche Aktionen wie heute mit dem 3:2 werde ich ihn gern loben bis zum Abwinken… Note: 3
Ludovit Reis (ab 87.): Endlich wieder zurück.
Davie Selke (bis 55.): Er triff einfach. Und das ist gut. Sein Treffer war für den HSV der Weckruf und gab ein wenig Sicherheit, nachdem man so schlecht begann wie lange nicht mehr. In seiner alten Heimat machte er sich damit heute nicht beliebt – aber das spricht ja für sein Spiel. Und dieses Spiel ist und bleibt sehr effektiv vor dem Tor. Er hat sich rein, motovierte seine Mitspieler und schont sich in keinem Zweikampf – was heute leider zu seiner Verletzung nach einem Kopf-Zusammenstoß mit Toni Leistner. Die Verletzung sah nicht gut aus. Hoffentlich ist es nicht der befürchtete Jochbeinbruch (würde ca. sechs Wochen Zwangspause bedeuten). Gute Besserung von dieser Seite! Note: 2
Ransford Yeboah Königsdörffer (ab 56.): Alter Ghanaer, was für ein herrliches Tor! Und was für ein wichtiger Treffer! Dieses 2:0 war nötig, wie wir am Endergebnis erkennen! Top, dass er sich trotz seiner Nichtberücksichtigungen weiter in einer solchen Verfassung präsentiert. Note: 2
Trainer Merlin Polzin: Solange Marco Richter mit solchen Leistungen in der Startelf steht, kann nicht alles richtig sein. Dann rechts mit dem defensiv-scheuen Sahiti und dem wilden Mikelbrencis auch nach Reeses Einwechslung zu agieren war nicht mehr mutig, sondern fahrlässig. Auch die Wechselreihenfolge ist ausbaufähig. Aber: Die Moral der Mannschaft ist intakt, und das ist auch ihm zuzuschreiben. So viel Glück er auch aktuell mit seiner Mannschaft beansprucht, es steckt immer auch ehrliche Arbeit dahinter, weil die Mannschaft alles reinhaut. Ich hoffe zudem, dass er seiner Mannschaft vorführt, wie sie sich trotz Führung auswärts unnötigerweise hat auskontern lassen. Aber, wer 14 Punkte aus sechs Spielen holt, muss schon einiges richtig machen. Insgesamt ist es die Note 2 – heute war es eine 3
DIE STATISTIK ZUM SPIEL:
DAS SPIEL IM STENOGRAMM:
Hertha BSC: Gersbeck – Zeefuik, Leistner, Klemens, M. Dardai – Karbownik (66. Reese), Cuisance, Maza (85. Sessa) – P. Dardai (66. Winkler), Niederlechner (66. Prevljak), Scherhant
Es ist tatsächlich mehr als 16 Monate schon her, dass der HSV zuletzt die Tabelle der zweiten Bundesliga angeführt hat. Aber wer sich die aktuelle Tabelle in der zweiten Bundesliga anguckt, der weiß auch die Situation sehr gut einzuschätzen. So auch HSV Cheftrainer Merlin Polzin, der die Rolle als Gejagter ja noch nicht annehmen mag. „Bei der Situation, die wir vorfinden, davon zu sprechen, dass die eine Mannschaft die andere jagt, ist vielleicht von außen ein Thema. Intern ist es das nicht“, sagte der 34-Jährige bei der heutigen Vor-Spieltags-Pressekonferenz vor dem Spiel bei Hertha BSC (Sbd., 20.30 Uhr).
Der ebenso knappe wie verdiente Heimsieg am vergangenen Sonnabend gegen den ersten FC Köln hat den HSV de facto das erste Mal seit September 2023 wieder an die Tabellenspitze der zweiten Bundesliga gespült. Ein trügerischer Zustand, wenn man beachtet, wie eng hier noch alle Mannschaften beieinander sind. Bis Platz 8, wo der SC Paderborn rangiert, sind es gerade einmal 3 Punkte. Polzin: „Wir wollen jedes Spiel gewinnen. Das ist unser Anspruch. Wir wollen das auf unsere Art und Weise tun. Deshalb ist der Fokus immer auf dem nächsten Spiel.“ Er und die Spieler würden keine Gedanken an die Tabellenkonstellation verschwenden.
Nach Jatta-Ausfall: Platziert Polzin Transferwünsche beim HSV-Vorstand?
Mehr Gedanken macht sich der Coach des HSV indes um sein Personal. Zumal sich in dieser Woche die Personalsituation noch einmal verschärft hat. Bakery Jatta zog sich am Mittwoch im Training einen Syndesmoseriss am Sprunggelenk zu und fällt für den Rest der Saison aus. Er ist nach Noah Katterbach (Kreuzbandriss) der zweite fehlende Außenbahnspieler, der langfristig fehlt. Ob er bei der sportlichen Leitung bereits Transferwünsche hinterlegt hätte, wurde Polzin heute gefragt – und dieser antwortete ein wenig ausweichend. Er schloss einen oder mehr Zugänge bis zum Ende des Transferfensters am 3. Februar nicht aus, betonte aber zugleich. „Wir haben Flügelspieler im Kader. Wir haben auch Jungs auf anderen Positionen eingesetzt, die auf den Flügelpositionen – links wie rechts – auch schon gespielt haben“, so Polzin.
So schön dieser Vertrauensbeweis in Richtung der eigenen Spieler auch sein mag, er ist nicht ohne Risiko. Rein wirtschaftlich betrachtet ist es nahezu unumgänglich für den HSV, personell zu reagieren. Die Frage, die sich hierbei stellt, ist: haben die Scouting Abteilung im Zusammenspiel mit dem Sportdirektor und dem Vorstand Sport ihre Hausaufgaben gemacht? Ich weiß – und damit geht ein besonders lieb gemeinter Gruß an meinen Freund Marc R. raus -, ich nerve schon seit Jahren mit der Forderung nach einem schnellen und zweikampfstarken Innenverteidiger als Ersatz für den weiterhin wegen Dopings gesperrten Mario Vuskovic. Aber jetzt noch einmal für die vakante Außenposition nachzulegen und dafür einen kleinen Betrag auszugeben ist allemal günstiger, als im Sommer erneut den Aufstieg in die Bundesliga zu verpassen.
Diskussionen, die Polzin heute nicht groß kommentieren wollte. Jetzt gelte der Fokus auf das Hertha-Spiel. Der junge HSV-Coach sicherte allen Anwesenden heute trotzdem zu: „Im Hintergrund laufen aber die Dinge, dass wir uns so aufstellen, dass wir die Ziele bestmöglich erreichen können.“ Der Austausch mit der Scouting-Abteilung sei sehr intensiv. Und ja, das sind die Worte, die wir in den letzten Jahren immer wieder gehört haben, die allerdings nur selten dazu führten, dass sich der HSV im Winter tatsächlich noch einmal sportlich zu verstärken wusste.
„Anspruch des HSV muss sein, in Hamburg sportlich die Nummer Eins zu sein“
Wobei der HSV in einem weiterhin sehr stark ist: In der Theorie. Genauer gesagt im Reden. „Der Anspruch des HSV muss es sein, in Hamburg sportlich die Nummer Eins zu sein“, sagte HSV-Aufsichtsratsboss Michael Papenfuß jüngst in der aktuellen „Sport Bild“, um dann zumindest noch hinterherzuschicken: „Das müssen wir uns wieder erarbeiten. Worte allein – auch diese hier von mir – bringen uns nicht nach vorne.“ Warum er es dann doch sagt? Ganz einfach: Der Wahlkampf um die neuen Aufsichtsratspositionen beginnt, nachdem die „BILD“ gestern schon zwei potenziell neue AR-Kandidaten (Eric Bussert von Hauptsponsor HanseMerkur und Ex-DFL-Chefin Donata Hopfen) ins Spiel gebracht hatte. Jetzt bringen sich die Kandidaten alle schon mal langsam in Position. Aber dazu zu gegebener Zeit mehr.
In diesem Sinne, Euch allen jetzt erst einmal einen schönen Abend!
Ich hatte mich eigentlich zu heute mit einem Blog-Kompagnon aus Köln zu einem gemeinsamen Talk verabredet, in dem wir die aktuellen Geschehnisse rund um das Spitzenspiel gegen Köln am Sonnabend einordnen wollten. Leider ist der Kollege aus privaten Gründen verhindert (von dieser Stelle hierfür noch mal alles Gute!!), daher werde ich das allein aus meiner Sicht machen. Wobei: Nicht ganz. Selbstverständlich werde ich die Reaktionen der Verantwortlichen mit einbeziehen. Auf diese musste man entweder sehr lange warten – oder sie stehen noch immer aus.
Reagiert hat beispielsweise Hamburgs Innensenator Andy Grote (SPD). Der hat die brutalen Attacken von HSV-Anhängern auf Fans des 1. FC Köln verurteilt und Fanvertretungen kritisiert. „Es zeigt wieder einmal, dass der Fußball ein Gewaltproblem hat“, sagte der Politiker der Deutschen Presse-Agentur. Und selbst wenn man dem inhaltlich gar nicht widersprechen kann, macht Grote, was Politiker so machen: Er instrumentalisiert diesen Vorfall, um andere Themen zu seinen Bedürfnissen zu pushen: „Dass die Fanvertretungen, die sich letzte Woche noch lautstark über das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zur Kostenbeteiligung der Vereine bei Hochrisikospielen beklagt haben, jetzt kein Wort der Distanzierung oder der Kritik äußern, zeigt außerdem, dass diese Gewalt offenbar toleriert wird“, bemängelte Grote die zögerliche Reaktion des HSV, der einen ganzen Tag brauchte, um am Montagnachmittag über Fanvertreter Cornelius Göbel die dann aus meiner Sicht richtigen Worte zu finden.
Späte HSV-Reaktion: Richtige Wortwahl, aber folgen auch Konsequenzen?
Der Direktor Fans des HSV hatte sich am Montagnachmittag über die eigene Homepage zitieren lassen. Unter anderem mit den Worten: „Das alles, selbst wenn es womöglich Angriffe auf HSV-Anhänger gab, rechtfertigt aber niemals ein solch brutales Vorgehen, wie es auf den diversen Videos zu sehen ist. Hier sind viele Grenzen überschritten worden.“ Zudem kündigte er an, dass sich der Verein mit den ermittelnden Behörden ebenso wie mit der eigenen Fanszene austauschen. „Wir pflegen seit mehreren Jahren einen guten und konstruktiven Austausch mit unserer aktiven Fanszene. Das ist mit Vertrauen, aber auch mit Verantwortungsübernahme verbunden. Entsprechend werden wir nun auch sehr kritisch in den internen Austausch gehen. Diese Bilder… haben Schaden angerichtet – zunächst schlimmen körperlichen und psychischen bei den Opfern dieser Gewaltattacken. Aber auch Schaden für den HSV, dessen organisierte Fanszene nun landesweit mit solchen Aktionen in Verbindung gebracht wird, was natürlich auf die Raute abstrahlt.“
Grote lobte indes die Reaktion von HSV-Sportvorstand Stefan Kuntz. „Ich bin froh, dass sich der Sportvorstand des Hamburger SV entschuldigt und die richtigen Worte gefunden hat, allerdings müssen diesen Worten jetzt auch Taten folgen“, forderte er. Und mahnte gleichzeitig an, die Strafen für die Täter konsequent umzusetzen: „Es liegt in der Verantwortung der Vereine, diese Stadionverbote dann auch umsetzen. Das war in der Vergangenheit nicht immer der Fall und das muss sich ändern.“
Ich habe es heute morgen als Talkgast in einem anderen Podcast auch schon gesagt: Wer die Entwicklung der HSV-Fanszene seit den späten Achtzigern im alten Volksparkstadion bis heute miterlebt hat, wird sich um Lichtjahre zurückgeworfen fühlen. Dieses Bild in der Westkurve, wo immer wieder neo-faschistische Äußerungen zu hören und zu sehen waren hatte den HSV bzw. seine Anhänger – ich vermeide in diesem Zusammenhang bewusst den Begriff „Fans“ – in ein schlechtes Licht gerückt. Auch wenn es immer nur ein paar wenige Idioten waren, es kam immer wieder vor und blieb ohne Konsequenzen. Jahrelang. Und hätte sich die Fanszene nicht in sich stark verändert, wir hätten hier vielleicht ähnliche Probleme wie andere Klubs.
Die HSV-Fanszene hat sich schon einmal selbst reguliert
Wobei: Jetzt haben wir wieder eines. Diesmal ist es kein Neo-Faschismus, sondern eine unkontrollierte Gewaltbereitschaft. Dieser Überfall auf dem Kiez wird dem HSV lange anhängen, wenn es hier wieder keine Konsequenzen gibt. Und ob es diese geben kann, ist schwer zu sagen. Denn Fans untereinander werden sich nicht verpfeifen. Und von HSV-Seite ist dieses Thema höchst politisch, da man sich die Unterstützung der eigenen Anhänger – in diesem Fall sind es offenbar etliche Impulsgeber aus der Kurve gewesen, die auf dem Kiez dabei waren – nicht gefährden will.
Was bleibt also? Antwort: Offenbar nur die Hoffnung auf eine Wiederholung dessen, was sich zwischen Ende der Neunziger und Anfang der 2000er abgespielt hatte: Ein Selbstreinigungsprozess, aus der Fan-Mitte entstehend. Dass sich die HSV-Fans mit diesem Verhalten einiger Hooligans nicht anfreunden können, ist klar. Aber wirkliche Empörung, wie sie bei Polizeiübergriffen oder anderen Ärgernissen blitzschnell in epischen Längen per Textform veröffentlicht wurden, gab es bislang nicht. Warum nicht, liebe HSV-Ultras? Wo bleibt diesmal die Empörung? Sollte das so bleiben, darf sich die HSV-Fanszene nicht darüber wundern, wenn ihnen künftig als gefährlicher eingestuft wird und dementsprechend weniger Vertrauen seitens der Polizei und anderen Verantwortungsträgern entgegengebracht wird. Und ich könnte wetten: Dann wird die Empörung blitzschnell groß und laut sein. Anders als jetzt…
Aber: Auch beim HSV hat man (zu) lang gebraucht, um dann aber wenigstens die richtigen Worte zu finden, vielleicht kommen die HSV-Ultras und anderen Fan-Gruppierungen ja auch noch auf den Trichter, hier entsprechend zu reagieren und dieses Verhalten ihrerseits zu verurteilen und derartige Fangruppierungen künftig auszugrenzen. Denn entscheidend ist, dass man es diesmal nicht nur bei Worten belassen darf. dass die HSV-Fans das können, haben sie schon einmal bewiesen.
In diesem Sinne, Euch allen eine gute Nacht. Ich gebe die Hoffnung auf Vernunft nicht auf. Auch wenn sie in der aktuell sehr aufgeregten, immer aggressiver werdenden Zeit schwerfällt. Oder anders. Gerade in dieser Zeit sollte der Sport der Ort sein, an dem man sich ablenken und die Zeit genießen kann…