Analyse: Das macht der HSV gut – und das nicht…

Analyse: Das macht der HSV gut – und das nicht…

Hamburger SV

Analyse des Saisonstarts

In den letzten Tagen haben wir hier viel über „Entwicklung“ philosophiert, bzw. darüber, dass diese eben nicht zu erkennen ist. Nun ist das Gesehene das eine, die Zahlen dahinter das andere. Nichts von beidem ist für sich allein aussagekräftig genug, daher habe ich mich dazu entschlossen, bei unseren Analyse-Freunden von Createfootball.com noch einmal eine Analyse zu bestellen, die aufzeigt, was die Zahlen hinter dem Gesehenen aussagen. Hier haben wir auch mit unserem Analysten „Muti“ gesprochen, der den HSV als Außenstehender noch einmal rationaler bewertet, als wir hier.

Und in allen Analysen wird deutlich, dass der HSV immer ausreichend Torchancen kreiert, um Spiele zu gewinnen – und dass er defensiv stabiler geworden ist. Allerdings muss er sich in beiden Bereichen noch steigern, wenn man am Saisonende zu den Aufsteigern zählen will. Anbei die Analyse. Viel Spaß damit! Angefangen mit:

Was läuft schon gut?

Flaches Angriffsspiel

  1. Der HSV spielt die wenigsten langen Bälle der Liga, baut Angriffe konsequent flach auf, löst auch Pressingsituationen spielerisch  durch die hohe individuelle Qualität und die höchste Präzision an Pässen ins letzte Drittel (73%), erspielt sich die Mannschaft die zweitmeisten Abschlüsse der Liga (14.6)
  2. Dabei dringt kein Team häufiger als der HSV aus dem Zentrum in gefährliche Schusspositionen (1.4 xG pro 90 Min. aus der Spielfeldmitte kreiert)
  3. Insgesamt kommt der HSV auf die drittmeisten Ballaktionen im gegn. Strafraum (22) und die viertbesten Schusspositionen (0.14 xG pro Schuss)  kein Team spielt mehr Positionsangriffe erfolgreich zu Ende (11) und kommt häufiger aus dem Spiel heraus zum Torschuss
  • Der HSV kreiert elf Torschüsse aus Positionsangriffen pro 90 Minuten – Ligabestwert!
  • Pressingeffizienz
  • Der HSV besitzt den zweitniedrigsten PPDA-Wert der Liga, lässt gerade einmal 9.3 Pässe des Gegners bis zur ersten Abwehraktion zu, nur Magdeburg unter Ex-HSV-Coach Titz läuft den Gegner früher an
  • Dazu gewinnt der HSV die zweitmeisten Defensivduelle (64%), zeigt sich in diesem Aspekt im Vergleich zur Vorsaison (60%) stark verbessert!
  • Flankenverteidigung
  • Hamburg kassierte noch kein einziges Kopfball-Gegentor in der laufenden Zweitligasaison, die Zuordnung bei gegn. Flanken ist mehr als stimmig
  • Besonders die Neuzugänge Hadzikadunic und Ramos sind enorm stark im Luftduell, gewinnen 64%, bzw. 50% ihrer Kopfballduelle und liegen damit deutlich über dem Ligaschnitt von 46%

Wo muss sich der HSV verbessern?

Chancenverwertung

  1. Den xG-Wert von 20.8 erwarteten Toren übertrifft kein Zweitligist, daraus konnte der HSV jedoch „nur“ 17 Tore erzielen, trotz guter Schusspositionen und -präzision ist die Chancenverwertung nicht optimal  besonders Glatzel kann seine Ausbeute noch steigern (5 Tore aus 7 xG)

Defensiver Zugriff

  • Obwohl die Gegner des HSV zu weniger als zehn Abschlüssen pro 90 Minuten kommen, ist die Qualität der Torchancen wie schon in der Vorsaison deutlich zu hoch, wodurch der HSV zu einfach Gegentore kassiert  Der Expected Goals Against-Wert liegt mit 13.3 sogar noch deutlich über dem realen Wert von 10 Gegentoren, zu viel für ein Top-Team!
  • Tiefe im Angriff
  • Der HSV spielt die zweitwenigsten raumgewinnenden Pässe der Liga (46 /90 Min., weist dabei auch eine extrem schwache Genauigkeit von 71% auf  Ballbesitz gegen defensive Gegner häufig sehr lateral
  • Steckpässe in die Schnittstellen werden kaum gespielt, weisen mit 22% Präzision die geringste Genauigkeit der Liga auf (Ligaschnitt 37%)  um gegen tiefstehende Gegner in der Chancenkreation versatiler zu sein, muss diese Qualität gesteigert werden und besonders Pherai und Jatta häufiger den Ball zwischen die Ketten des Gegners spielen
  • Ähnlich verhält es sich im Flankenspiel, besonders Halbfeldflanken von Pherai und Benes sind bisher überhaupt kein Mittel, werden aber 10x /90 Min. gespielt  aus tieferen Positionen sind Hereingaben von bspw. van der Brempt, Dompé und Muheim deutlich gefährlicherer
  • Nur 14.5% aller Pässe sind raumgewinnend und überspielen Gegenspieler – der niedrigste Wert der Liga

Benchmarking der relevanten Daten (Defensive)

  Hamburger SV22/23Hamburger SV23/24Durchschnitt2. Bundesliga 23/24
Gegentore1.211.4
Expected Goals Against  (pro Schuss)1.4 (0.12)1.5 (0.13)1.7 (0.12)
Gegnerische Schüsse (% aufs Tor)10.9 (39%)9.9 (38%)12.2 (36%)
Defensivzweikämpfe (% erfolgreich)57 (60%)51.3 (64%)58 (60%)
Kopfballduelle (% erfolgreich)33.4 (45%)29.2 (50%)37.5 (46%)
Abgefangene Pässe3731.937.8
Balleroberungen83.278.983.1
PPDA8.69.311.6
Alle Daten pro 90 Minuten aus der 2. Bundesliga 2022-23 respektive 2023-24.

Benchmarking der relevanten Daten (Offensive)

  Hamburger SV22/23Hamburger SV23/24Durchschnitt2. Bundesliga 23/24
Tore1.91.71.4
Expected Goals (pro Schuss)1.9 (0.14)2.3 (0.14)1.6 (0.13)
Schüsse (aufs Tor)12.8 (39%)14.6 (41%)12.2 (36%)
Passquote84%85%83%
Schlüsselpässe4.143.5
Lange Pässe (% angekommen)32.5 (51%)31.5 (55%)43 (59%)
Pässe ins letzte Drittel (% angekommen)46.5 (69%)47.4 (73%)43.4 (67%)
Flanken (% angekommen)19.2 (37%)18.8 (31%)13.8 (35%)
Alle Daten pro 90 Minuten aus der 2. Bundesliga 2022-23 respektive 2023-24.

Was muss Tim Walter verbessern?

Defensive

  • Die Konterabsicherung muss Tim Walter eindeutig in den Griff kriegen, dass der HSV vergleichsweise einfache Gegentore kassiert, war in der Vorsaison bereits ein Riesenproblem  besonders bei solch einer hohen Verteidigungslinie muss die Absicherung auf Gegenangriffe besser greifen, aus dem offenen Spiel heraus lässt der HSV kaum Chancen zu

Offensive

  • Die Qualität der Torchancen ist die beste der Liga, deren Verwertung ist es bislang noch nicht. Pro Spiel schießt der HSV 0.5 Tore weniger als erwartet, vor dem Tor ist also noch reichlich Steigerungsbedarf vorhanden

Übergangsspiel

  • Besonders gegen tief stehende Gegner muss der HSV mehr Räume mit progressiven Pässen öffnen. Insbesondere Reis und Muheim müssen die Präzision ihrer insgesamt 2.4 Versuche (13%) deutlich steigern. Von Benes und Pherai kommen bisher fast gar keine Steckpässe. Verbessert sich der HSV in diesem Aspekt, wird die Qualität der Torchancen weiter zunehmen.

Dieser Text stammt von der Fußball-Consultancy CREATEFOOTBALL GmbH, die national wie international Profivereine, Berateragenturen sowie Medienanstalten in den Themenfeldern Datenscouting und -analyse berät.

Ich schreibe, was ich sehe. Nicht, was Ihr lesen wollt

Ich schreibe, was ich sehe. Nicht, was Ihr lesen wollt

Ich hatte es vor ein paar Tagen angekündigt und werde es in dieser Woche auch so handhaben, einige Eurer Posts hier zu beantworten bzw. auf einige Thesen Eurerseits einzugehen. Einige werde ich direkt im Forum beantworten, andere hier via Blogbeitrag. Los geht es:

Meine Antwort auf Jörg Brettschneiders Post (sein Text ist fettgedruckt, meiner normal): 

Scholle, es kann doch nicht sein, dass du dem Kernproblem wieder aus dem Weg gehst!

Es kann doch nicht Dein Ernst sein, dass Du Dich allein zum Maßstab auserkoren hast…! Ich habe vom ersten Walter-Tag an dessen taktisches Spiel mit dem HSV kritisiert – und mache das noch immer, wenn Walter wieder in sein Phlegma verfällt. Und das im Gegensatz zu Dir übrigens, der Walter am Anfang für diesen Hurra-Fußball gelobt und mich für meine Kritik kritisiert hat. Lies mal nach!

Wehen hat vier Niederlagen in Folge einstecken müssen. Dann kommt der große Aufstiegsfavorit mit seiner teuren Truppe und schafft gerade mal ein Unentschieden. Nachdem man schon im Saarland und in Osnabrück „outperformt“ hatte…

Noch mal ganz deutlich: Ich bewerte die Spiele in den Blitzfazits immer zuerst für sich. Im Talk unter der Woche werden dann die Entwicklungen zum Kernthema. Und das Spiel in Wehen hat den positiven Ansatz, defensiv stabiler zu stehen, geliefert. Allein offensiv war der HSV in diesem Spiel nicht effektiv (genug). Und ganz nebenbei: Trotzdem hatte man die 100-prozentige Chance, das Spiel zu gewinnen

Wo soll da noch irgendetwas gut sein? Dass man einen biederen Aufsteiger dominiert, darf ja wohl erwartet werden! Warum hebst du das überhaupt hervor, Scholle?

Weil ich im Gegensatz zu Dir offenbar weiß, wie schwer es ist, gegen vermeintlich kleine Gegner zu spielen, die sich sehr tief in der eigenen Defensive verschanzen und dann kontern. Ich kenne es auch, wie eine Mannschaft verkopft, wenn es nicht läuft. Da wieder rausziko0mmen wie nach dem völlig unverdienten Treffer der Wiesbadener zum 1:0 war zwar etwas, was man grundsätzlich erwarten darf. Es war aber etwas, was in der aktuellen Phase (nach Elversberg und Osnabrück) schwer für die Mannschaft war. Und: Ich habe nicht hervorgehoben, dass man dominiert hat, sondern dass man defensiv stabil stand und eben nicht so anfällig für Konter war wie in den letzten Saisons.

Wovor hast du Angst? Wem bist du was schuldig?

Ich habe nur vor Dir und Deiner enttarnenden Analyse Angst… 😉 Und im Ernst: Ich schulde niemandem etwas. Weder beim HSV, noch hier. Also auch Dir schulde ich gar nichts. Und trotzdem mache ich mir die Mühe und antworte Dir ausführlich.
Man kann sich doch nicht jahrelang an den nackten Fakten vorbeirelativieren. Man muss sich doch als Journalist – und das gilt noch mehr für die anderen lokalen Schreiber – mal an den Fakten und Ergebnissen orientieren! Die sprechen eine mehr als deutliche Sprache. Ein Punkt von möglichen neun gegen die Aufsteiger. Auswärts bisher generell ungenügend. Hannover war die Ausnahme. So kann man nie und nimmer aufsteigen!

Dass ein Punkt aus drei Auswärtsspielen bei Aufsteigern für den Aufstieg zu wenig ist, ist klar. Fünf Punkte aus fünf Auswärtsspielen zeigt, dass der HSV hier ein Problem nicht in den Griff bekommt. Wobei das Spiel in Wiesbaden hier noch ebenso wie die Partie in Hannover gute Ansätze in der Defensive geliefert hat. Und ich wiederhole mich zwar, aber ich muss es offenbar auch: Ich analysiere jedes Spiel für sich. Und sobald Walter die Offensive UND die Defensive zusammen funktionieren lässt, sind wir da, wo es wirklich GUT ist. Bis dahin sprechen wir hier nur über Entwicklungen in die richtige und/oder eben falsche Richtung. 

Die Truppe spielt sich einen Wolf, spielt aber kaum echte Chancen heraus. Es sieht doch wirklich jede(r), dass es so nicht funktionieren wird.

Der HSV erspielt sich ligaweit am zweitmeisten Großchancen und schießt am zweitmeisten auf das gegnerische Tor. Offensiv war es in Wiesbaden nicht effektiv – aber dass der HSV in jedem Spiel seine Torchancen bekommt, ist wohl unbestritten.

Die Mannschaft braucht neue Impulse von einem richtigen Trainer und einem richtigen Sportvorstand!

Alles neu – und das wird dann so schnell besser, dass der HSV ganz oben dranbleibt? Das halte ich für eine steile These. Ich sehe aber zwingend Veränderungsbedarf im taktischen Bereich beim HSV. Wie zuletzt ansatzweise zu sehen. Sollte sich Walter dem aber wieder verschließen, bin ich bei Dir und würde zum Winter hin Walters Position diskutieren. 

Die Spieler würden es selbst nie einräumen, stehen aber nach dem Spiel völlig ratlos in Wiesbaden auf der Wiese und baden in ihren Wehen. Sie wissen nicht weiter. Die kurzen Ecken funktionieren anscheinend auch nur bei Wiesbaden. Beim HSV nie. Was soll diese Shice?

Keine Ahnung. Ich halte kurze Ecken für ein gutes Stilmittel, wenn man daraus einen Raumgewinn erzielt. Dieser fehlte mir beim HSV. Von daher stimme ich Dir hier zu.
Jeder, der mal Fußball gespielt hat, weiß ganz genau, dass kurze Ecken Blödsinn sind. Wenn nicht gerade der dumme HSV der Gegner ist…

Das halte ich so pauschal für haltlos.

Das Gegentor war kein Zufall. Walter hatte kurz zuvor die Defensive per Auswechselungen liquidiert. Was für Schwachsinnswechsel!

Auch ich war über die wilden Wechsel überrascht. Und dass sie für kurzzeitige Verwirrung gesorgt haben können, ist eine These, die ich nicht widerlegen kann. 
Vorne stehen sich die Offensivleute gegenseitig im Weg, hinten steht kaum noch jemand.

Falsch. Der HSV steht defensiv insgesamt deutlich stabiler und besser als in den letzten Jahren. Zumindest läuft man nicht mehr so oft blind in Konter. 

Deshalb konnte die Ausnahmetruppe aus Hessen auch ihre kurze Ecke völlig unbedrängt ausführen. Ordnung in der HSV-Defensive war zu diesem Zeitpunkt nicht mehr vorhanden. Walter hatte ja – s. o. – entsprechend ausgewechselt.

Andererseits passieren Fehler im HSV-Spiel, die sich schwer erklären lassen. Warum beispielsweise stört Glatzel bei dieser kurzen Ecke nicht den Kopfball spielenden Gegner? Warum lässt Heuer Fernandes den Ball nach vorn prallen, anstatt ihn zur Seite zu lenken? Und warum pennt van der Brempt komplett beim Nachsetzen?

Man kann nicht so viel essen, wie man kot… möchte, weil dieser „Trainer“ nicht mehr zu ertragen ist. Weder auf der PK noch auf der Bank. Die rotzigen Antworten auf der PK spiegeln nur seine Performance auf der Bank. Einfach nur niveaulos, unverschämt und respektlos.

Dass Walter bei den Pressekonferenzen ist, wie er ist, ist einer meiner Gründe, weshalb ich diese Pks nicht mehr besuche. Ich halte sie in großen Teilen für Zeitverschwendung, weil Walter eben nicht auf Fragen eingeht, sondern seine Standards wiederholt. Das respektlose Verhalten sehe ich allerdings nicht als dauerhaft – aber dafür zuletzt als gegeben an. Hier muss ein Trainer mit Walters Erfahrung meiner Meinung nach souveräner agieren und antworten.

Es muss doch irgendjemanden im HSV geben, der die diese glasklaren Dinge erkennt.
Ist der HSV wirklich auf allen Ebenen verblödet?

Sicher nicht.

Und warum legt immer nur der Kicker – die einzige objektive unparteiliche mediale Instanz – den Finger in die Wunde?

Oh Mann, erst kritisierst Du mich als zu kritisch, jetzt als zu wenig kritisch? Nehme ich so hin. Aber ich werde weiterhin nur das schreiben, was ich sehe und meine. Ich werde sicher nicht  schreiben, was Du und andere hören bzw. lesen wollen.

Wovor hat die Hamburger Journaille eigentlich Angst? Hat Boldt alle – außer den Braunschweiger Sebastian Wolff vom Kicker – „aufgeschaltet“?

Nein.
Die PK zu boykottieren ist wie desertieren. Lautstark, ehrlich und objektiv Kommentieren wäre die bessere Lösung.

Zur Wahrheit gehört aber eben auch, dass vor der Pressekonferenz immer auch Fragerunden mit dem Trainer am Trainingsrand stattfinden, auf der man sehr gerade und ehrliche Fragen stellt. Dort werden die richtigen Fragen gestellt und teilweise beantwortet. Die Pressekonferenzen sind eine DFL-Auflage und eigentlich nur noch für die interessant, die sonst nicht dazu kommen, den Trainer zu befragen.

Und bitte ein Update zum Aufsichtsrat, Scholle: Was machen die eigentlich? Was macht Jansen? Was sagt Kühnes Abgesandter? Wozu ist Hasenfuß eigentlich AR-Boss?

Der Aufsichtsrat ist operativ nicht verantwortlich, von daher ist es gut, dass hier nicht wieder wilde Statements wie zuletzt von Kühne selbst kommen. Allerdings habe auch ich das Gefühl, dass der in sich unstimmige Aufsichtsrat längst politisiert hat und wie viele vorige Zusammenstellungen auch nichts Gutes bewirkt.
Das ist doch nur noch blamabel und lächerlich. Man kann doch nicht einfach abtauchen, wenn man so ein Amt inne hat. Oder ist die Schwäche und Ahnungslosigkeit der Räte doch noch viel schlimmer, als wir bisher geglaubt haben? Wobei das eigentlich nicht mehr möglich ist. Die können es doch nicht einfach so laufen lassen.

Das stimmt, sie müssen immer kontrollieren und ggf. eingreifen, wenn gefährliche Tendenzen zu erkennen sind.

Also Scholle, einmal drüber schlafen und dann bitte Klartext!

Ich hoffe, dass ich Dir ein wenig erklären konnte, warum ich in einigen Punkten eine offensichtlich andere Meinung als Du vertrete.

Ergebnisse are the real thing, nicht dieses dominante Quergeschiebe mit kurzen Ecken. Das kann man sich nicht mehr geben.

Aber nur Ergebnisse sind kein guter Ratgeber. Es geht immer um die Entwicklung. Wenn die stagniert (was schon der Fall war) oder sogar ins Negative verkehrt, dann muss etwas geändert werden. Und sobald das der Fall ist bzw. sobald ich das so sehe, werde ich es so sagen und schreiben.

BATMAN schrieb: 

Oh mein Gott. Was für ein Block ist das denn bitte Scholle. Dann schreib lieber was über die HSV Frauen denn die wollen den sportlichen Erfolg, haben ein klares Ziel und spielen auch so Ihre Spiele. Es trennen Welten von der Einstellung der Frauen und der Männer.

Ich habe tatsächlich noch kein Spiel der Frauen gesehen, daher schreibe ich auch nicht darüber. Aber wenn Du so viele Spiele siehst, würde es mich freuen, Deine Analysen hier zu lesen. Im Ernst!

Der Bericht spielgelt das wieder was beim HSV abgeht. Friede, Freude ,Eierkuchen. Es geht seit mehr als 1 Jahr gar nicht mehr um den sportlichen Ehrgeiz sondern nur noch um eine Show zu bieten um medial immer im Rampenlicht zu stehen, damit gut Leute ins Stadion kommen um nachher sagen zu können war doch ein Spektakel. Das spielgelt sich auch durch die Hamburger Medien wieder. Es wird doch nichts mehr wirklich hinterfragt.

In meinem Artikel beschreibe ich das Spiel in Wiesbaden, nicht die gesamte Saison und schon gar nicht die Geschehnisse der letzten fünf Jahre. Den Showfaktor habe ich so oft kritisiert, dass es mich schon selbst nervt. Denn hier geht es nicht um Show oder Spektakel, sondern darum, aufzusteigen.  

Auch die Benotungen weichen sowas von der Realität ab. Wie kann man immer nur alles schönreden bei bestimmten Spieler. Beispiel Jatta: Erfüllt seine defensive Aufgaben ganz gut. Aber bitte wenn von 10 Flanken 9,5 Kreisklassen Format haben was bringt das denn? Und das seit Jahren. Würden nur 2-3 gezielt kommen würden eventuell Tore daraus fallen.

Steht sinngemäß so in meiner Einzelkritik.
Beispiel Meffert: Der langsamste und torungefährlichste Spieler bis runter in die Regionalliga. Sorry das ich so. Zu sagen er hält die defensive zusammen kann gar nicht stimmen denn sonst hätten wir nicht so viele Gegentore.

Das ist mal eine Schlussfolgerung. Ein Meffert kann nicht gut spielen, wenn der HSV viele Gegentore kriegt? Im Walter-Fußball? Meinst Du das ernst oder war das ironisch? Zu Meffert: Statistisch holt der HSV ohne ihn exponentiell weniger Punkte als mit ihm. Bedeutet das im Umkehrschluss, dass er der wichtigste Spieler des Teams ist? Sicher nicht. Es zeigt aber, dass Meffert eine Qualität ins Team bringt, die nicht so offenkundig ist wie Tore von Glatzel oder Glanzparaden von heuer Fernandes.
Beispiel Reis: Ja er läuft viel und kämpft und versucht das Spiel anzutreiben, aber er verliert über 50 % seiner gewonnen Zweikämpfe wieder sofort durch blindes Dribbeln oder schlampige Pässe zum Mitspieler. Und er fordert viel zu viel den Ball. Für mich gehört er auf die 6 und nur mit der Aufgabe den Ball zu erobern und sofort abzuspielen . Das ist effektiver.

Reist ist in den letzten Jahren vom Sechser zum Achter geworden und einer der torgefährlichen Mittelfeldspieler. Dass Reis die Bälle zu leicht verliert, halte ich für inhaltlich falsch. 
Man kann zu mindestens 5-7 Leuten was sagen wo die Realität was anders sagt als geschrieben wird.

Das verstehe ich leider inhaltlich nicht. Was meinst Du hier genau? 

Nein dieser HSV wird unter Walter/Boldt es nicht ansatzweise schaffen, den HSV irgendwann mal in die 1 Liga zu bringen. So sieht die Realität aus. Nur ein Trainer, der weiss worauf es heutzutage ankommt beim Fussball, der würde Erfolg bringen. So ein Typ wie Sandro Wagner.

Ja – und nein. Welche Qualitäten zeichnen denn beispielsweise Sandro Wagner so aus, dass er den Aufstieg mit dem HSV sicher schaffen würde? Allerdings bin ich bei Dir, dass der HSV in Person von Walter und  Boldt schon etliche Entwicklungsschritte deutlich aufgezeigt und fälschlich ignoriert hat.

In diesem Sinne Schönen Sonntag. 

Danke. Hatte ich. Dir einen schönen Start in die neue Woche!

Darum ist der Nachbar aktuell besser als der HSV

Darum ist der Nachbar aktuell besser als der HSV

Liebe Leute,

mit viel Freude, noch mehr Erstaunen und teilweise auch einer gewissen Portion Unverständnis habe ich Eure Kommentare nach dem Spiel in Wiesbaden gelesen. Ich werde die Länderspielpause auch dazu nutzen, darauf einzugehen. Allerdings nicht heute. Denn heute will ich nur vorab über den Gedanken sprechen, ich hätte irgendwas „schöngeredet“. Denn hier scheinen viele von Euch nicht bemerkt zu haben, dass Blitzfazits und auch Spielberichte vor allem Momentaufnahmen sind. Und in diesem Fall hat der HSV in Wiesbaden sehr vieles von dem umgesetzt, was ich nach Elversberg und Osnabrück so kritisiert hatte. Aber der Reihe nach.

In Wiesbaden hat der HSV nicht deshalb zwei Punkte zu wenig geholt, weil er ins offene Messer gerannt ist, wie zuvor des Öfteren bei den sehr tief stehenden Gegnern der Fall war. Im Gegenteil: In Wiesbaden hat der HSV sehr konsequent verteidigt, stand sicher und stabil – allein die Tore zu schießen wurde verpasst. Und dann kam, was immer passiert, wenn man sich zu oft über etwas unterhält: Es tritt genau das ein, was nicht eintreten darf – in diesem Fall der Rückstand mit dem in der 81. Minute gerade erst zweiten (!) Schuss aufs HSV-Tor – oder besser gesagt: per Kopfball, den Robert Glatzel nicht zu verhindern wusste, während Heuer Fernandes den Ball prallen lässt und van der Brempt nicht auf den Abpraller reagiert. Ergo: Es kam sehr viel zusammen, was taktisch nicht zu vermeiden ist.

Deshalb habe ich das Spiel auch nicht in Gänze schlecht gesehen, sondern als Fortschritt. Denn so muss der HSV spielen, wenn er gegen Aufsteiger und andere Defensivkünstler dauerhaft punkten will. Diese Geduld braucht es – und die war weder in Elversberg noch in Osnabrück vorhanden. Dass ein Punkt in Wiesbaden enttäuschend ist – keine Frage. In meinem Fazit und in meinem Blog aber bewerte ich den Spielverlauf. Und wenn wir ganz ehrlich sind: Der HSV hätte auch dieses Spiel gewinnen MÜSSEN. Ebenfalls sicher ist: Hätte Benes wie sonst sicher verwandelt, hätten sich auch die Kommentare hier gänzlich anders gelesen.

Ich sehe meine Aufgabe aber nicht darin, nach Siegen zu jubeln und nach Niederlagen zu pöbeln. Denn es gibt ebenso schlechte Spiel, die zum Sieg führen, wie es gute Spiele gibt, die im Misserfolg enden. Ich habe in den Siegphasen mit Walters Hurra-Fußball eben diesen als untauglich für den Aufstieg kritisiert, wie ich das Spiel in Wiesbaden jetzt verteidige. Ich fordere seit jeher Stabilität im Spiel mehr als alles andere. Denn so spannend Spiele wie gegen Schalke auch sein mögen – das darin enthaltene Risikospiel ist zu hoch.

Wer mal beim Nachbarn hingeschaut hat, wird gesehen haben, wie es geht. Denn der FC St. Pauli hat trotz der vielen Unentschieden zu Saisonbeginn immer das Gleiche gespielt. Und das war aus einer sicheren Defensive heraus der Fußball, den Walter auch sehen will. Ein Spiel, in dem jeder Spieler auf dem Platz zu jeder Zeit den Ball haben möchte, was automatisch zu viel Ballbesitz führt, wenn man gut in Bewegung ist. Der FC St. Pauli ist offensiv flexibel, defensiv stabil. Das ist die Mischung, die es braucht, um aufzusteigen.

Und obgleich es nur zwei Punkte Unterschied sind, ist der FC St. Pauli dem HSV trotz eines deutlich geringeren Kaderwertes eines voraus: Die Mannschaft hat die weitaus variablere Taktik automatisiert. Das wiederum führt dazu, dass sich alle Spieler im System ihres Coaches wohlfühlen und sicherer werden. Anders als ein Levin Öztunali beispielsweise. Aber, um das auch in diesem Zusammenhang klar zu sagen: Der HSV ist individuell keinen Deut schwächer als der FC St. Pauli oder alle anderen Zweitligisten. Er ist allerdings nicht so stabil. Weil Walter diese Stabilität erst in dieser Saison spielen lässt – und auch das auch noch nicht durchgehend.  Aber genau das ist das vorrangige Thema für den Trainer. Schon lange. 

In diesem Sinne, ich werde in den nächsten Tagen auf einzelne Posts eingehen. Sicher nicht auf alle. Aber auf einige von denen, die diskutabel sind. Euch allen einen schönen Mittwochabend!

Scholle

Der HSV macht vieles richtig, aber auch einen Fehler zu viel

Der HSV macht vieles richtig, aber auch einen Fehler zu viel

Der HSV hat seine Antwort auf die Frage geliefert, inwieweit man gegen die besonders tief stehenden, besonders destruktiv agierenden Gegner spielen muss. Und dabei meine ich vor allem die ersten 45 Minuten, in denen die Mannschaft von Trainer Tim Walter defensiv nichts zuließ und offensiv immer wieder einen Weg zum Tor suchte – obgleich man diesen nicht allzu oft fand. Dennoch: Genau so, wie es der HSV in der ersten Halbzeit spielt, ist es richtig. Geduldig, organisiert und defensiv stabil (Reis ragte im Mittelfeld heraus, Ramos war defensiv eine Wand) den Gegner müde spielen und dann ggf. mit neuen Kräften von der Bank die entscheidenden Impulse für den Sieg setzen. So zumindest habe ich es in der Halbzeit in meine HSV-Gruppe geschrieben

Und dann kam die zweite Halbzeit, die ne gute halbe Stunde so weiterlief wie die erste Halbzeit endete. Aber sie nahm einen Verlauf, der die Zeiten beim HSV nicht ruhiger werden lässt. Denn erst gelang den Gastgebern mit deren zweiten Schuss aufs Tor der überraschende Führungstreffer, dann glich der HSV aus und bekam in der Nachspielzeit die Hundertprozentige per Strafstoß, den durchaus verdienten Sieg einzufahren. Aber Benes traf zum zweiten Mal in diesem Spiel die Latte. Ein bitterer Nachmittag für den HSV, der es in der eigenen Hand hatte, mit einem Auswärtssieg in die Länderspielpause zu gehen.

„Wenn man das gesamte Spiel sieht, dann hatten wir gute Chancen. Wir müssen diese Möglichkeiten nutzen und in Führung gehen. Es ist ärgerlich, dass wir uns am Ende nicht belohnt haben, denn für mich hätte es heute nur einen Sieger geben dürfen“, resümierte Sportvorstand Jonas Boldt nach dem Spiel. Und Trainer Tim Walter ergänzte: „Wir sind genauso aufgetreten, wie wir es uns vorgenommen hatten. Wir haben es die letzten Wochen schon erlebt, dass wir auf einen ganz tiefstehenden Gegner getroffen sind. Wir haben diesen gut bespielt, leider haben wir uns mit den vielen Abschlüssen auf das Tor nicht belohnt. Wir hatten aber viele, das ist für uns das Entscheidende. Wenn wir da mehr Konsequenz haben, geht es letztendlich anders aus. Wenn wir genauer und präziser gewesen wären, hätte es uns mehr als nur das Unentschieden gebracht. Die Jungs wollten diesen Sieg unbedingt und haben alles investiert. Wir haben heute aber ein bis zwei Fehler zu viel gemacht.“ Stimmt.

DIE SPIELERBEWERTUNGEN:


DANIEL HEUER FERNANDES: 
Dass er eigentlich nur durch den eigenen Mann (Ramos mit verunglückter Abwehr 1. Hz.) wirklich geprüft wurde, durfte er seiner Vordermannschaft verdanken. Fehlerfrei bis zum Gegentor, wo er den Ball unnötig nach vorn prallen ließ. Note: 4

IGNACE VAN DER BREMPT: Er versuchte, das Tempo hochzuhalten. Manchmal fehlt mir dabei das schnellere Abspiel, aber die Tendenz bei ihm war heute in den ersten 45 Minuten positiv. In der zweiten Halbzeit zu stumpf im Zweikampf – oder eben gar nicht richtig drin im Zweikampf, wie beim Gegentreffer. Note: 4

DENNIS HADZIKADUNIC: Souverän bis zur verletzungsbedingten Auswechslung. Note: 3
GUILHERME RAMOS: 
Machte wieder genau das, was er am besten kann: Rustikal Zweikämpfe im Infight gewinnen. Die Mischung mit einem rein defensiv agierenden und defensiv denkenden Spieler in der Innenverteidigung bleibt meine favorisierte Konstellation für die HSV-Defensive. Also mit ihm oder Ambrosius. Und: aktuell liefert Ramos. Dass er im Passspiel nach vorn noch eine Menge Luft hat – für den Moment nicht entscheidend… Note: 2,5

MIRO MUHEIM: Er war defensiv wenig gefordert, und offensiv manchmal noch etwas zu zaghaft. Aber: Er versuchte es immer wieder, auch mal aus der zweiten Reihe zu schießen. Und das kann er mit am besten beim HSV, wie er beim Ausgleich in der 89. Minute fast aus dem Stand schießend – bewies. Tendenz bei ihm ist absolut positiv.  Note: 2,5

JONAS MEFFERT (bis 79.): Sehr durchwachsene erste Halbzeit ohne positive Akzente. Danach stabiler und etwas aktiver. Aber gut war das nicht heute. Er kann es zumindest deutlich besser.  Note: 4

JEAN-LUC DOMPE (ab 79.): Ich hätte ihn gern früher für Öztunali auf dem Platz gesehen. So blieb er ohne die Wirkung, die eine frühe Einwechslung vielleicht gebracht hätte. Note: 4

LUDOVIT REIS: Saustarke erste Halbzeit des Kapitäns. Er holte defensiv stark die Zweikämpfe, trieb den Ball unermüdlich, legte vor (wie auf Benes vor dessen Lattentreffer) und war omnipräsent. In der zweiten Halbzeit immer noch einer der aktiveren. Wenn auch nicht mehr so stark wie in den ersten 45 Minuten. Note: 2

LEVIN ÖZTUNALI (bis 53.): Er wirkt weiterhin wie ein Fremdkörper. So, als würde er immer erst dann aktiv werden, wenn er dazu gezwungen wird. Proaktives Anbieten, Finten, schlaue Pässe, mutige Ideen – alles aktuell nicht im Repertoire des Außenstürmers. Dompés Verletzungspause unter der Woche war das einzige Argument für ihn heute in der Startelf. Und mit diesem Spiel hat er keine weiteren Argumente für sich sammeln können. Note: 4,5

RANSFORD KÖNIGSDÖRFFER (ab 53.): Hatte in seinen ersten drei Minuten mehr gute Aktionen, als sein Vorgänger zuvor insgesamt. Trotzdem fehlt ihm die Technik, um aus seinem physischen Vorteil noch mehr Kapital zu schlagen. Zumindest ist und bleibt sein erster Kontakt zu schwach. 
LASZLO BENES: 
Er ist der Spieler auf dem Platz, von dem man sich immer wieder diese eine, entscheidende Aktion erhofft. In den ersten 45 Minuten verhinderte dies die Latte. In der zweiten Halbzeit tauchte er ab und vergab in der letzten Minute den sicheren Sieg, als er seinen  Elferan die Latte schoss. Bitter für ihn und den HSV, der dadurch die drei sicheren Punkte liegen ließ. Note: 4

BAKERY JATTA (bis 74.): Er versuchte viel, aber es klappte wenig. Zusammen mit van der Brempt stellt er die vielleicht sprintstärkste rechte Seite der Liga – aber neben den defensiv guten Aktionen muss er eben auch offensiv liefern. Auf jeden Fall deutlich mehr als heute. Note: 4

IMMANUEL PHERAI (ab 74.): Brachte erst überhaupt keinen Schwung– und holte dann den Elfer heraus. Note: 3

ANDRAS NEMETH (ab 85.): Er hatte den Sieg auf dem Fuß, vergab aber. Es fehlt einfach noch die nötige Durchschlagskraft bei dem jungen Angreifer. Note: 4

ROBERT GLATZEL: Er wirkt müde und lange nicht so präsent wie sonst. Dazu der fehlende Zweikampf vor dem 0:1 und überflüssige Ballverluste. Ohne ihn – und das war der HSV heute weitestgehend – ist der HSV vorn zu zahnlos. Note: 4,5

TRAINER TIM WALTER: Er hat die Mannschaft richtig eingestellt. Und normalerweise MUSS der HSV diese Partie so auch gewinnen. Seine Wechsel in der zweiten Halbzeit waren etwas wild. Trotzdem war die gesamte Spielausrichtung aus meiner Sicht ein Schritt in die richtige Richtung. Allein offensiv war der HSV heute ob des blutleeren Auftrittes von Glatzel und natürlich durch den vergebenen Elfer zu ineffektiv, um hier einen verdienten Sieg einzufahren. Note: 2

DIE STATISTIK ZUM SPIEL:

SV Wehen Wiesbaden: Stritzel – Angha, Mathisen (83. Mockenhaupt), Vukotic – Goppel (75. Catic), Fechner, Heußer, Günther (46. Rieble), Bätzner, Lee (61. Froese) – Kovacevic (46. Jonjic)

HSV: Heuer Fernandes – van der Brempt, Hadzikadunic (79. Nemeth), Ramos, Muheim – Meffert (79. Dompe), Reis, Benes – Jatta (74. Pherai), Glatzel, Öztunali (54. Königsdörffer)

Tore: 1:0 Vukotic (81.), 1:1 Muheim (89.)

Zuschauer: 12.500 (ausverkauft)

Schiedsrichter: Wolfgang Haslberger (St. Wolfgang)

Gelbe Karten: Fechner / Muheim, Reis

Hoffentlich wird das bald besser…

Hoffentlich wird das bald besser…

Ich muss zugeben, dass es für jeden Trainer schwer wird, wenn er seit Jahren auf dem Podium dieselben Fragen beantworten muss. Und HSV-Trainer Tim Walter hat in den letzten Jahren sehr oft dasselbe gesagt. So auch heute. „Wenn wir Angst hätten, würden wir aufhören, Fußball zu spielen und den Laden dichtmachen“, sagte der 47-Jährige auf der heutigen Pressekonferenz, die im Verlauf abdriftete. Sicherlich getrieben von einem nicht besonders gut vorbereiteten Rundfunkkollegen, den Walter mit Nichtbeantwortung abstrafte. Eine Aktion, die Walter souveräner hätte lösen müssen. Zumindest sehe ich das so. Denn dem jungen Kollegen, der offensichtlich zum ersten Mal da war, war die Nervosität anzumerken.

Ehrlich gesagt wirkte die Pressekonferenz heute wie ein Sinnbild für das zunehmend festgefahrene HSV-Konstrukt. Personell hat der HSV allemal das Zeug dazu (um hier nicht von einem zwingenden Ziel zu sprechen), selbst dann aufzusteigen, wenn man nicht immer an seine 100 Prozent heranzukommen. Aber der HSV wird sein Image, etwas großspurig zu sein, nicht los, wenn der Trainer es weiter so befeuert. Denn Walter betonte zwar, dass man Siege gegen andere Teams nie voraussetzen darf. Egal gegen wen es geht. Aber abgesehen davon, dass er hier die Frage schlichtweg nicht verstanden hatte, konterkarierte er seine Aussage, indem er betonte, wie unwichtig für ihn der Blick auf die Gegner sei, weil man selbst der HSV sei und sich nur auf sein Spiel fkoussiere.

Die heutige PK war das beste Beispiel dafür, weshalb sich immer weniger Leute auf selbiger einfinden. Sie sind selten informativ und vermehrt Veranstaltungen, die verdeutlichen, wie unverändert viele Dinge beim HSV sind. Die einen freuen sich in solchen Zusammenhängen immer wieder darüber und loben das „endlich mal Konstanz beim HSV“. Ich persönlich sehe hier eher fehlende Reizpunkte, um eine notwendige Entwicklung zu erreichen.

Insbesondere jetzt vor dem dritten Spiel gegen einen Aufsteiger binnen drei Wochen sollte auch Walter wissen, dass es eben nicht reicht, immer dasselbe zu sagen und zu machen. So, wie er zuletzt mit einer stabileren Defensive überzeugen konnte, waren die Erfahrungen mit Neulingen gleichbleibend unerfreulich. Sowohl bei der SV Elversberg als auch beim VfL Osnabrück kassierten die Walter-Schützlinge jeweils eine 1:2-Niederlage. Und die Partie am Sonnabend wird zeigen, inwieweit Walter und sein Trainerteam die überfällige Lösung für das Bespielen der tief stehenden Mannschaften gefunden haben. Wie Walter das sieht? Der Coach setzt nach eigener Aussage vor allem auf die tägliche Arbeit auf dem Trainingsplatz. „Es gibt immer Dinge, die man tagtäglich verbessern kann“, sagte der Coach. Für das Spiel am in Wiesbaden, in dem der Trainer einen „tief stehenden Gegner“ erwartet, gelte das beispielsweise für die Ballgeschwindigkeit.

Weiterhin fehlen werden HSV-Kapitän Sebastian Schonlau und Anssi Suhonen (jeweils wegen einer Wadenverletzung). Dafür stehen Ludovit Reis (Infekt) und Jean-Luc Dompé (Muskulatur) wieder zur Verfügung. Ich persönlich bin sehr gespannt, ob Walter am Sonnabend in Wiesbaden einen Weg mit seiner Mannschaft findet, die vermeintlich „Kleinen“ zu bespielen. Es wird zweifellos allein schon wegen der Beobachtung, unter der neben der Mannschaft auch Walters Entwicklung beim HSV stehen muss, ein Spiel mit erhöhtem Druck. 

In diesem Sinne, es ist heute leider wieder sehr spät geworden und ich bin müde. Trotzdem hoffe ich, dass Walter und sein Team am Sonnabend viele Gründe liefern, die eine Entwicklung andeuten oder gar unter Beweis stellen.

Scholle

Warum kommt Levin Öztunali beim HSV nicht in Fahrt?

Warum kommt Levin Öztunali beim HSV nicht in Fahrt?

Der HSV hat weiter personell zu knabbern. Gegen Wehen Wiesbaden am kommenden Sonnabend fällt Kapitän Sebastian Schonlau erneut aus. Heute gesellten sich auch Ludovit Reis und Jean-Luc Dompé zum Lazarett. Zeit also für die zweite Reihe, sich zu zeigen. Also auch für Levin Öztunali? Eher nicht. Denn der Sommerzugang von Union Berlin ist absolut noch nicht im Wettkampfmodus angekommen. Wie Ihr erinnert, war ich zu Saisonbeginn in den ersten Blogs sehr skeptisch, inwieweit die schöne Geschichte mit der Rückkehr von Uwe Seelers Enkel Levin Öztunali auch sportlich ein solch schönes Happy End haben würde. Denn der junge Außenstürmer hatte zuvor leidliche Erstligajahre hinter sich gebracht und wenig bis keine Spielpraxis mitgebracht. Wie man Statistiken dennoch falsch bzw. nur so auslegt, wie man sie gerade braucht, wurde im Anschluss unter Beweis gestellt, als ihm „Champions-League-Erfahrung“ attestiert wurde.

Dass hierbei der Eindruck entstand, Öztunali sei besser als Zweite Liga – es wurde billigend in Kauf genommen. Ergebnis: Öztunali enttäuschte. Und damit meine ich nicht, dass er wegen der Schlagzeilen zuvor zu viel Druck hatte. Im Gegenteil: Das muss er abkönnen. Aber ähnlich wie bei Jahrhunderttalent Fiete Arp wurde hier eine viel zu hoch gestochene Geschichte verbreitet, die sich nicht im Ansatz bewahrheiten konnte.  Denn Öztunali kam als Spieler, der sportlich gebrochen scheint. Der Seeler-Enkel, wie er immer nur genannt wird, wird auch in Zukunft die hohen Ansprüche von Champions League etc. nicht bedienen können. Warum auch? Er konnte es zumindest bis heute nirgendwo.

Ich bleibe dabei, dass man bei dem Rechtsfuß die Messlatte deutlich niedriger hängen muss. Beim HSV ist er nun da, wo er aktuell wohl steht: Eine Option von der Bank – die allerdings absolut noch nicht funktioniert. Von ihm zu erwarten, dass er das HSV-Spiel sofort verbessert, erscheint zu optimistisch. Wobei er ganz klar und aus meiner Sicht auch offensichtlich jede Menge Zutaten hat, die dem HSV sehr helfen können. Ich glaube, das ist unbestritten, wie auch die untenstehende Transferanalyse von unseren Analysten von Createfootball.com zeigt. Aber das galt zuvor auch schon für viele andere. Beispielsweise auch für Arp, der heute seinerseits  bei Holstein Kiel nur noch Ergänzungsspieler ist und öffentlich an sich selbst zweifelt.

Was also tun? 

Am wichtigsten ist, dass man sich ein paar Fragen ehrlich beantwortet. Zum Beispiel: Bekommt man Öztunali zum vollwertigen Stammspieler gepusht, oder wird das eh nichts? Und natürlich: Wo steht Öztunali heute – wie bekommen wir den Anspruch an ihn mit der Realität in Einklang? Denn alles andere führt nur zu Enttäuschungen, Druck, falsche Erwartungen. Das hilft niemandem. Ergo: Man muss Öztunali aus meiner Sicht tatsächlich einmal wieder von Null an aufbauen. Er muss sich seiner Situation klar sein und diese annehmen. Tut er das nicht, wird er es hier nicht schaffen. Vor allem ist der HSV auch aus psychologischer Sicht jetzt gefragt. Denn sollte man Öztunali dem Druck aussetzen, einem Champions-League- oder wenigstens einem Erstligakicker zu entsprechen, wird er scheitern. Stück für Stück. Und in etwa so, wie es aktuell der Fall zu sein scheint.

Der HSV muss es schaffen, sowohl nach außen als auch für ihn nach innen den Erwartungsdruck realistisch anzupassen. Alles ohne Freibrief, denn auch hier gilt: Der Spieler selbst ist für sich verantwortlich – und Fußball ist sein Job. Er muss also täglich so hart wie möglich an sich selbst arbeiten und zusehen, die eigenen Mängel abzustellen und Qualitäten auszubauen. Parallel hierzu wäre die PR-Abteilung des HSV gut beraten, Öztunali öffentlich so zu positionieren, wie es aktuell ist.

Und ja, jetzt werden hier viele wieder anfangen, über „Fehleinkauf“ und anderen Begrifflichkeiten zu philosophieren. Der Sportvorstand sowie seine Scoutingabteilung werden in Frage gestellt und am Ende heißt es wieder: „Warum scheitern alle Spieler beim HSV und funktionieren woanders?“ Ich glaube, dass ich meine Antwort in diesem Fall für Oztunali gefunden habe. Er kann werden, was man ihm zu Saisonbeginn nachgesagt hat – aber er ist es längst nicht mehr. Vielmehr ist er ein Projekt, dass der HSV-Trainerstab jetzt schnellstmöglich aufsetzen und entwickeln muss.

Anbei findet Ihr die Transferanalyse Levin Öztunalis von Createfootball.com – und das so, wie die Kollegen ihn vor der Saison unmittelbar nach seiner Verpflichtung gesehen haben:

Transferanalyse

Levin Öztunali

Von create football.com

Stärken

  • Vielseitigkeit
  • Vertikalspiel
  • Chancenkreation

Schwächen

  • Entscheidungsfindung
  • Passgenauigkeit
  • Effizienz

Spielstil – Winger

Levin Öztunali kehrte nach zehn Jahren und 190 Bundesligaspielen zum HSV zurück. In den letzten zwei Spielzeiten kam er bei Union nur auf knapp 600 Spielminuten, war zuvor aber jahrelang Leistungsträger bei Mainz 05, für die er zwischen 2016 und 2021 123 Bundesliga- Einsätze absolvierte. Der gebürtigeHamburger ist zwar im rechten Mittelfeld zuhause, kann aber sehr vielseitig eingesetzt werden, kam bei Mainz und Union des Öfteren als zentraler oder zentral offensiver Mittelfeldspieler zum Einsatz. Die Spielweise des gebürtigen Hamburgers ist geprägt durch seine vertikale Ausrichtung.

Mit seinem hohen Tempo sucht er häufig den direkten Weg nach vorne, entweder als progressivem Lauf mit dem Ball oder per Pass. Öztunali spielt überdurchschnittlich viele progressive Pässe, 4.5 pro 90 Minuten mit einer Präzision von 76%, sucht häufig nach dem ersten Kontakt den Weg in die Tiefe und sorgt so für hohen Raumgewinn im Spiel seiner Mannschaft. Chancen kreiert er, indem er mit progressiven Läufen Gegner auf sich zieht und dann im richtigen Moment einen Steckpass ins letzte Drittel oder einen präzisen Querpass zum freien Mitspieler spielt.

Gegen tiefstehende Gegner nutzt er häufig auch Flanken, um den Ball in den Strafraum zu bringen. Diese Spielintelligenz macht ihn im Offensivspiel durchaus wertvoll, seine risikoreiche Ausrichtung birgt jedoch auch Risiken. So ist der 1.84m große Rechtsfuß im Dribbling viel zu ineffizient und obwohl er aktiv das Duell mit dem Gegenspieler sucht, gewinnt er gerade einmal 40% seiner 1v1-Duelle. Ähnlich verhält es sich mit seinem Passspiel, seine direkte Spielweise sorgt zwar für viel Torgefahr, jedoch ist der Großteil seiner Pässe deutlich zu unpräzise, wodurch er viele Bälle verliert und eigenes Angriffspotenzial verschenkt wird.

An seiner Entscheidungsfindung muss der 27-Jährige also eindeutig arbeiten. Er selbst sucht eher selten den Abschluss, 1.3 Abschlüsse pro 90 Minuten sind ebenso wie nur zwei Ballaktionen im Strafraum für einen Flügelspieler der Bundesliga deutlich unterdurchschnittlich. Gegen den Ball präsentiert sich der Enkel von HSV-Ikone Uwe Seeler als fleißiger Arbeiter, gewinnt die deutliche Mehrheit seiner sechs Defensivduelle pro 90 Minuten. Hier besticht der ehemalige U21-Nationalspieler mit aggressiver Zweikampfführung, gutem Timing und seinem energischen Nachsetzen. Nach erfolgtem Ballgewinn schaltet er dann jeweils schnellum und sucht den Weg nach vorne.

Benchmarking der relevanten Daten

 Levin Öztunali *Avg.Bundesliga OM 22/23 **
Offensivzweikämpfe(%gewonnen)10.8 (32%)9.1 (41%) 
Defensivzweikämpfe(%gewonnen)5.9 (57%)4.4 (56%) 
Luftduelle (% gewonnen)2.9 (34%)6.6 (37%) 
Balleroberungen4.54.3 
Pressingaktionen5.36.6 
Pässe (% angekommen)22.4 (70%)29.4 (76%) 
Pässe in den Strafraum2.42.7 
Torschussvorlagen1.01.3 
Dribblings (% erfolgreich)5.4 (40%)4.0 (53%) 
Erhaltene Pässe14.121.7 
Strafraumaktionen2.02.8 
Schüsse1.31.9 
Durchschnittliche Positionierung von Levin Öztunali während seiner gesamten Karriere. Je rötlicher die Farbe, umso häufiger hielt er sich in diesem Bereich auf (Heatmap)

*Daten für Levin Öztunali pro 90 Minuten aus seiner gesamten Bundesligazeit (2013-2023, 190 Spiele, 9619 Minuten)

**Durchschnittlicher Wert pro 90 Minuten aller offensiven Mittelfeldspieler der Bundesliga mit mehr als 1500 Spielminuten in der Saison 2022/23 (23 Spieler)

Wie gut passt Öztunali zum HSV?

Von Öztunali kann man erwarten, dass er sich als gebürtiger Hamburger schnell wieder beim HSV einleben wird. Der verlorene Sohn“ soll dabei helfen, den HSV zurück in die Bundesliga zu befördern. Dabei darf davon auszugehen sein, dass er zunächst mit einem Bankplatz Vorliebe nehmen wird, aufgrund der fehlenden Spielpraxis der letzten Jahre. Mit seiner Vielseitigkeit und seinem riesigen Erfahrungsschatz wird er aber auf alle Fälle eine sinnvolle Verstärkung der Kadertiefe darstellen. Seine angestammte Position auf dem rechten Flügel ist bereits mit dem schnelleren und deutlich torgefährlicheren Bakery Jatta auf sehr hohem Zweitliganiveau besetzt. Ähnlich verhält es sich auf der Achterposition, wo Reis, Benes und Pherai zunächst die Nase vorn haben dürften. Eine spannende Konstellation könnte sich für Öztunali dadurch auf der Rechtsverteidigerposition ergeben. Hier sucht der HSV noch nach einer neuen, qualitativ besseren Besetzung als dem zuletzt schwachen Moritz Heyer. Mit seiner robusten Physis, seinem hohen Arbeitspensum und vor allem seiner auffällig guten Werte im Defensivzweikampf könnte Öztunali diese Planstelle durchaus bekleiden. Im Spiel nach vorne könnte Öztunali aus dieser Position dann situativ gefährlichen Vertikalbälle auf Jatta oder Glatzel einstreuen und dem HSV so ein zusätzliches Element im Übergangsspiel bieten. Insgesamt wird sich Öztunali jedoch etwas zurückhalten müssen in seiner Risikobereitschaft, da der HSV unter Tim Walter auf einen deutlich geduldigeren, horizontaleren Spielaufbau setzt als Mainz 05 oder Union Berlin.

Die CREATEFOOTBALL GmbH ist eine Fußball-Consultancy, die national wie international Profivereine, Berateragenturen sowie Medienanstalten in den Themenfeldern Datenscouting und -analyse berät.