In der Vorbereitung auf die große Prüfung gegen den HSV war Dieter Hecking als Tippgeber beim 1. FC Nürnberg mehr gefragt als sonst. „Er konnte ein-, zweimal mehr in dieser Woche Input geben“, berichtete FCN-Trainer Robert Klauß vor dem Spiel am Sonnabend (13 Uhr), das beim „Club“ nicht nur für Sportvorstand Hecking speziell wird. Denn Heckings damaliger Assistent in Hamburg war bekanntermaßen Tobias Schweinsteiger. Und der ältere Bruder von 2014-Weltmeister Bastian Schweinsteiger rückt beim Wiedersehen im Max-Morlock-Stadion schon allein deswegen in den Fokus, weil er gemeinsam mit dem Co-Trainer-Kollegen Frank Steinmetz in der Coaching-Zone den nach seiner Roten Karte in Heidenheim für ein Spiel gesperrten Chefcoach Klauß vertreten muss. „Bei Tobi merkt man, dass es ein besonderes Spiel ist“, sagte Klauß am Freitag den Nürnberger Kollegen.
Vor allem Thioune will der gebürtige Rosenheimer Schweinsteiger beweisen, dass er mehr als nur ein zweiter Co-Trainer ist. Diese Rolle war Schweinsteiger von Thioune angetragen worden, als der frühere Osnabrück-Coach im vergangenen Juli den Trainerposten beim HSV übernahm. Schweinsteiger lehnte ab. Thioune sprach von „unterschiedlichen Auffassungen“, Schweinsteiger meinte, dass die ihm zugedachte Rolle „für beide Seiten keinen Sinn gehabt hätte“. Übersetzt heißt das so viel wie: Schweinsteiger wollte nicht mehr zweiter Cotrainer sein wie unter Hecking. Stattdessen hat sich der 38-Jährige auf den Weg gemacht, bald selbst Chef zu sein.
Klauß indes war bemüht, im Vorfeld der Aufgabe gegen das Topteam der Liga möglichst viel Normalität auszustrahlen. Ähnlich, wie es Thioune auf der HSV-Spieltags-Pressekonferenz versucht hatte. „Ich falle in dem Sinn nicht aus“, sagte der 36-Jährige. Er werde bis 30 Minuten vor dem Anpfiff bei der Mannschaft sein und auch wie üblich die Ansprache an die Profis halten. Das Spiel selbst werde er dann leider aus einer Loge im Max-Morlock-Stadion „über sich ergehen lassen müssen“, sagte der „Club“-Coach. Klauß erwartet dabei schon „ein komisches Gefühl“. Mit seinen Assistenten Schweinsteiger und Steinmetz werde er alle möglichen Maßnahmen vorbesprechen. Während der 90 Minuten und in der Halbzeitpause „müssen sie dann selbst entscheiden“, sagte Klauß.
Die „Expertise“ von Hecking und Schweinsteiger und deren „besseren individuellen Blick“ auf einzelne HSV-Akteure nahm er gerne in den Matchplan mit auf. Klauß äußerte großen Respekt vor dem Gegner: „Der HSV hat zu einer Stabilität gefunden.“ Lieber hätte er den Topfavoriten auf den Aufstieg in einer anderen Saisonphase erwischt. Aber Ziel müsse es sein, den HSV und vor allem Toptorjäger Simon Terodde möglichst weit vom eigenen Tor wegzuhalten und insgesamt „Stress gegen den Gegner zu erzeugen“.
Fehlen wird dem „Club“ in der Offensive weiterhin Felix Lohkemper. Nach Adduktoren- und Hüftproblemen sei das Risiko eines Einsatzes zu groß, sagte Klauß. Adam Zrelak steht nach einem Schlag auf den Fuß dagegen zur Verfügung. Keine Offensivhilfe mehr ist der so häufig verletzte Virgil Misidjan. Der 27 Jahre alte Angreifer wechselt zurück in seine niederländische Heimat zum Erstligisten PEC Zwolle. Der Wechselwunsch des Spielers sei überraschend gekommen, berichtete Klauß. Auf dem Transfermarkt sei im Winter deshalb aber nicht zwingend etwas geplant: „Wir können das schon auffangen.“
Denken sie zumindest. Wobei auch den Nürnbergern klar ist, dass es gegen den HSV alles andere als leicht wird. Der HSV hat nach seiner Sieglos-Phase von fünf Spielen mit zuletzt vier Siegen in Serie längst wieder in die Spur gefunden. Und auch abseits des Platzes gab es mit der Vertragsverlängerung von Stephan Ambrosius grundsätzlich Gutes zu vermelden. „Grundsätzlich“, weil ich Ambrosius für einen Eckpfeiler der aktuellen Abwehr wähne. Aber wenn ich lese, dass der Innenverteidiger schon mit dem Aufstieg in die Erste Bundesliga 1,2 Millionen Euro verdienen soll, fühle ich mich in alte Zeiten zurückversetzt. Dabei erinnere ich noch einige Gespräche vor der Saison 2019/20, in denen die Beteiligten allesamt betonten, dass es beim HSV eine Art Gehaltsobergrenze geben werde. Mit einer Zahlung von 1,2 Millionen Euro für einen 22 Jahre jungen Spieler, der gerade 14 Profieinsätze hinter sich hat, hat man die Messlatte bedenklich tief angesetzt. Oder was meint Ihr, was passiert, wenn der HSV aufsteigt und einen arrivierten Erstligaverteidiger dazuholt? Was der dann wohl an Gehalt einfordert…
Wobei ich eines auch ganz klar sagen will: Abgesehen vom Gehalt halte ich die Vertragsverpflichtung bei Ambrosius für ein gutes Zeichen. Er hat allemal das Zeug dazu, sich in den nächsten Monaten und den Spielen so zu entwickeln, dass er auch für die Erste Liga – allemal aber für die Zweite Liga – eine absolute Verstärkung ist. Und den ersten Beweis dafür wird er schon morgen gegen Nürnberg liefern. Das hoffe und glaube ich. Zumindest dürfte dieses kampfbetonte Spiel gegen Stürmer wie Manuel Schäffler und/oder Robin Hack ihm durchaus entgegenkommen.
Wie Thioune morgen spielen lassen will, kann ich ehrlich nicht sagen. Im Abschlusstraining mischt der Trainer eh immer bunt durch, sodass keine A-Elf zu entziffern ist. Aber auch heute hat sich bei meiner erhofften Startelf nichts verändert. Ich würde folgendermaßen offensiv ausgerichtet spielen lassen:
Ulreich – Vagnoman, Leistner, Ambroius, Leibold – Heyer – Kinsombi, Dudziak – Wintzheimer, Terodde, Jatta.
Apropos entgegenkommen – ich wurde heute mehrfach der Auswärtscouch gefragt. Was uns herbei so gar nicht entgegenkommt, sind die verschärften Corona-Auflagen. Denn so werden wir auch in den nächsten Wochen keine größeren Zusammenkünfte vor der Kamera stattfinden lassen – dementsprechend auch keine Auswärtscouch morgen beim Spiel in Nürnberg. Stattdessen wird es via Facebook und Instagram vor dem Spiel wieder unsere Redaktions-Spieltipps geben – und hier natürlich nach dem Spiel und der anschließenden Pressekonferenz den Blog sowie mein dazugehöriges Spielfazit.
In diesem Sinne, bis morgen!
Scholle
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