Grundsätzlich ist es nicht schlecht, beim 1. FC Nürnberg einen Punkt zu holen. Aber ich musste mich heute schon ein paarmal zwingen, das Spiel mit voller Aufmerksamkeit weiterzuverfolgen. Denn das, was der HSV heute anbot, war das Mindestmaß dessen, was man erwarten kann. Dass das am Ende zu einem Punkt reiuchte, lag zum einen daran, dass der 1. FC Nürnberg aktuell noch nicht stärker ist. Und zum anderen lag es daran, dass der HSV vorn mit Simon Terodde einen Angreifer hat, der eben immer da ist, wenn man ihn braucht. Heute nach schöner Vorarbeit von Tim Leibold und Bakery Jatta. Aber auch das darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass das Spiel des HSV heute in vielen Phasen zu statisch war. Und, dass der HSV alte Probleme einfach nicht abgestellt bekommt.
Thioune lässt Startelf erstmals unverändert
Meine Gedanken bei Anpfiff, als ich gesehen habe, dass Daniel Thioune das erste Mal in dieser Saison mit der identischen Startelf der Vorwoche beginnt? Ok, das ist doch gar keine dumme Entscheidung. Lass einfach die Startelf vom Sieg am vergangenen Wochenende auf dem Platz, dann kannste hintenraus noch mal ordentlich nachlegen. Selbst Sonny Kittel, den ich in den letzten Tagen nicht in meiner Startelf hatte und sicher auch heute nicht aufgestellt hätte, muss ja irgendwann mal wieder zeigen, was er kann. Und wenn nicht, dann bringst Du eben einfach Manuel Wintzheimer und veränderst das Spiel damit noch mal nachhaltig. Und als Trainer wäre ich nach 14 Minuten ich das erste Mal soweit gewesen, diesen Wechsel durchzuziehen.
Denn da hatte Sonny Kittel vorn den Ball schussbereit auf dem Schlappen und versuchte es noch einmal besonders schön zu machen, anstatt effektiv zu handeln. Anstatt den Ball aufs Tor zu ziehen – zumal bei seiner unfassbar guten Schusstechnik – versuchte es Kittel per Hackentrick. Ergebnis: Kein Tor – sogar Ballverlust. Und daraus wiederum entstand ein Konter, den am Ende ausgerechnet der ehemalige HSVer (und Niendorfer A-Jugendlicher) Fabian Nürnberger zur Führung für die Nürnberger vollendete (14.). Zuvor schon hatte der Hamburger Jung für seine Franken die Latte getroffen (10.).
Ex-HSV-Talent trifft für Nürnberg – Terodde gleicht aus
Und wo ich schon bei Sonny Kittel bin: Ich kenne es so von mir, dass ich immer besonders kritisch mit denen bin, die so außergewöhnlich viel könnten wie er. So ein geiler Techniker, er ein gutes Tempo, eine sehr gute Übersicht – und eine Schusstechnik, die seinesgleichen sucht. Er könnte in jedem Spiel der überragende Mann sein. Aber er ruft es einfach nicht ab. Seit Wochen nicht mehr. Nein, sogar seit Saisonbeginn und länger schon nicht mehr. Er geht Zweikämpfen weiterhin konsequent aus dem Weg oder zieht sich in Spielen in sein Schneckenhaus zurück. Vor allem, wenn es nicht so läuft für ihn – wie heute.
Auffällig neben Kittel war bei diesem Treffer für die Gastgeber wieder einmal, wie schnell die HSV-Abwehr mit einem einfachen langen Ball hinter die Abwehr auszuhebeln ist. Diesmal konnte Moritz Heyer, der heute seine ganz persönliche Fehde mit dem Ball hatte, dem sehr interessanten Toptalent Robin Hack nicht folgen. Hack wiederum sah den in der Mitte mitlaufenden Nürnberger und der nahm den Ball schön direkt zur 1:0-Führung. Ein Treffer, bei dem man Sven Ulreich rein gar nichts anlasten kann.
Aber: Ich bleibe bei meinem Statement vom Saisonbeginn. Dieser Ulreich hat zweifellos die Qualitäten, um die Nummer eins beim HSV einfordern zu können. Aber er sollte auch wissen, was er nicht kann. Und dazu zählt das Spiel mit dem Ball am Fuß ganz offensichtlich. Von zehn flachen Rückpässen schlägt er drei gute Bälle raus, fünfmal schlägt er eine Kerze oder den Ball ins Aus – und zweimal spielt er gefährliche Bälle fürs eigene Team. Weshalb der HSV dieses elendige Hintenrum-Geschiebe nicht deutlicher minimiert, um auch den Keeper selbst zu schützen – es ist mir ein Rätsel. Zumindest ging die größte Gefahr für den HSV gegen wacker kämpfende, laufstarke und mutige Nürnberger zumeist von eigenen Fehlern aus.
Über die gesamten 90 Minuten betrachtet, hatte der HSV heute einfach zu wenig gute Aktionen nach vorn. Diesmal fehlten Spritzigkeit und Durchschlagskraft. Sportdirektor Michael Mutzel bezeichnete die Startphase schon in der Halbzeit als „ein bisschen schlafmützig“. Und damit formulierte er es noch nett. So hatte der HSV zwar erneut mehr Ballbesitz, die Gastgeber aber die besseren Möglichkeiten. Der HSV kam zwar durch Simon Terodde in der 33. Minute (nach schöner Vorarbeit von Jatta auf Pass von Leibold) zum Ausgleich. Viel mehr Gefahr konnten die Mannen von Thioune allerdings nicht entwickeln. Dementsprechend zufrieden äußerte sich der ehemalige HSV-Cotrainer Tobias Schweinsteiger, der heute den gesperrten FCN-Chefcoach Klaus vertrat, nach dem Spiel. Insbesondere in der Verteidigungsarbeit gegen den Ball habe seine Mannschaft „eine extrem starke Leistung gezeigt“, lobte der ältere Bruder von 2014-Weltmeister Bastian Schweinsteiger.
Schweinsteiger lobt – Thioune ist nur bedingt zufrieden
Anders Daniel Thioune. Der HSV-Trainer versuchte zwar, das Positive zu finden – fand das aber nur sehr bedingt: „Das war heute ein leistungsgerechtes Ergebnis. Der Club hat es richtig gut gemacht, sehr kompakt verteidigt und uns wenig Räume gegeben. Sie haben auf Umschaltspiel gesetzt und wurden über Konter gefährlich – so auch beim 1:0. Was mir heute allerdings ein bisschen gefehlt hat, war die Konsequenz in der Box. Es flogen viele Bälle rein, die auch erfolgreich hätten gestaltet werden können, aber wir haben es heute nicht geschafft. Im Gegenzug mussten wir immer wieder aufpassen, dass der Gegner nicht mehr in seine Umschaltmomente kommt. Trotz des vielen Ballbesitzes war das Spiel heute aber nicht so zwingend wie in den letzten Wochen. Genau das hat uns heute gefehlt, um als Sieger vom Platz zu gehen. So müssen wir uns mit dem einen Punkt zufriedengeben. Und am Ende werden wir sehen, wie wertvoll dieser Punkt noch sein kann.“
Stimmt. Aber mitnehmen darf man heute, dass man alte Defensivprobleme bei schnellen Gegenstößen noch immer nicht abstellen konnte. Zudem, dass Sven Ulreich als mitspielender Torwart eher einen Schwachpunkt darstellt. Solche Pässe, wie den unnötigen Flachpass auf Heyer in der zweiten Halbzeit kann man spielen, wenn man so richtig sicher am Ball ist – aber das waren weder Heyer noch Ulreich heute. Nur gut, dass Ulreich auf der Linie weiterhin eine Bank ist. Achja, und vergessen darf man natürlich auch nicht, dass dieser HSV endlich einen Torjäger hat, der diesen Namen auch verdient und der immer wieder den Unterschied macht. Heute hat es leider nur zu einem Punkt gereicht. Mal sehen, wie das am kommenden Wochenende gegen Thiounes Exklub VfL Osnabrück aussieht…
In diesem Sinne, noch ist der HSV Tabellenführer, da Kiel auch nur remis (1:1 beim FC St. Pauli) spielte. Aber Bochum und Düsseldorf können jetzt bis auf einen Punkt aufschließen. Und: Anbei noch das Blitzfazit zum Spiel. Ich wünsche Euch einen schönen Sonnabendabend und melde mich morgen zusammen mit Elvis wieder bei Euch! Und der wird das gesamte Spektakel noch einmal spektakulär musikalisch aufbereiten. Ich freue mich schon drauf!
Scholle
Das Spiel im Stenogramm:
1. FC Nürnberg: Mathenia – Valentini, Mühl, Sørensen, Handwerker – Hack (77. Schleusener), Krauss (90.+1 Dovedan), Singh (87. Behrens), Geis, Nürnberger – Schäffler
HSV: Ulreich – Vagnoman, Leistner, Ambrosius, Leibold – Kinsombi (79. Hunt), Heyer, Dudziak – Kittel (79. Wintzheimer), Terodde, Jatta
Tore: 1:0 Nürnberger (14.), 1:1 Terodde (33.)
Zuschauer: leider keine
Schiedsrichter: Dr. Felix Brych (München)
Gelbe Karten: Hack (74.), Krauss (83.) / Kinsombi (77.), Leibold (85.)
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