Warum Hunts Vorschlag ein gutes Zeichen ist…

by | 14.01.21

Es wird lang. Und länger andauern, als es uns allen lieb ist. Der Zoff auf Präsidiumsebene wird die nächsten Wochen noch anhalten, sofern der Ehrenrat des HSV das unkittbare Verhältnis innerhalb des Präsidiums nicht wieder zu reparieren weiß. Und danach sieht es fast genau sehr aus, wie nach einem Champions-League-Finale mit dem HSV in diesem Jahr – also gar nicht. Stattdessen werden in den nächsten Wochen sogar staatliche Institutionen beansprucht werden, weil man Klage einreicht gegen unbekannte Störenfriede, die verleumden. Zumindest, wenn ich meinem Kollegen Kai Schiller vom Hamburger Abendblatt glauben darf – und das tue ich. Ergo: Der HSV zieht seine Version vom Denver Clan weiter durch. Zwar alles auf Kleingartenniveau. Aber es geht weiter. Neuester Mitstreiter hierbei: Bernd Hoffmann. 

Der stets streitbare zweimaliger Ex-Vorstandsboss wird als Drahtzieher des Bundes gegen Jansen vermutet – so steht es heute bei den Kollegen der Morgenpost. Ich weiß um die Verbitterung und die daraus entstehende Motivation bei dem zweimal geschassten Vorstandsvorsitzenden aus vergangenen Tagen. Zuzutrauen ist Hoffmann immer sehr viel. Er ist schlau und strategisch einer der gewieftesten HSV-Funktionäre gewesen, die ich in meiner Funktion als HSV-Reporter in den letzten gut 20 Jahren kennenlernen durfte. Hoffmann wusste selbst die für sich zu gewinnen, die ihn eigentlich gar nicht mochten. Aber: In diesem Fall kann er es gar nicht allein machen, diesmal müsste ein Strohmann her. Und der wiederum ist in der Doppelspitze Thomas Schulz/Moritz Schäfer schnell gefunden. Beide verbindet sehr viel mit Hoffmann. Aber auch der Wille, Marcell Jansen zu schaden und mit diesem Theater vielleicht wieder einen tiefen Graben beim HSV aufzureißen und den Aufsichtsrat zu kippen? 

Diese Befürchtung steht aktuell im Raum. Daily Soap im Volkspark eben. Immer mit der Gefahr ausgestattet, dass sich der HSV dabei tatsächlich selbst zerstört. Denn der Umstand, dass ich so gar keinen Bock darauf habe, dieses Schmierentheater medial zu begleiten, darf nicht davon ablenken, dass hier Gefahr für den HSV im Verzug ist.  Dabei hat man sportlich nach dem Absturz der letzten Jahre aktuell eine sehr gute Ausgangslage. Die Mannschaft ist ruhig, weil der Trainer den Weg nicht nur vorgibt, sondern ihn auch vorlebt. Kleinere Rückschläge werden ebenso sicher und souverän verarbeitet wie zu schnelle Euphorie von außen. Sportvorstand Jonas Boldt, Sportdirektor Michael Mutzel und das Trainerteam bieten derzeit ein einträchtiges Bild – was allein noch nichts zu bedeuten hat. Das gab es auch mit Dieter Hecking zuletzt, und trotzdem wurde der Aufstieg verpasst. Aber wer sich aktuell mit den Spielern und dem näheren (sportlichen!) Umfeld unterhält, der bekommt zu spüren, dass Daniel Thioune mit seiner Art ansteckt. Im positiven Sinne. Neuestes Beispiel: Jetzt war zu lesen, dass ein arrivierter Spieler wie Aaron Hunt sich dazu bereiterklärt, mit der Rolle des Backups klarzukommen. Und ich sage: Endlich! Denn das hätte in den letzten zwei Jahren (nicht allein bei Hunt) geholfen, eine Form der Entwicklung anzuschieben, die an sich unausweichlich ist.

Gestern zu sehen, wie sich ein Spieler wie Finn Porath bei Holstein Kiel präsentiert, hat mich für ihn riesig gefreut – und aus HSV-Sicht echt weh getan. Denn ich erinnere noch sehr gut das Trainingslager in der Türkei, wo Porath so stark trainierte, dass wir alle (damit meine ich uns Journalisten)  die Hoffnung hatten, in ihm das nächste Juwel gefunden zu haben. Er verletzte sich im Anschluss leider. Aber auch sonst hätte er damals aller Wahrscheinlichkeit nach nicht die Chance bekommen, sich beim HSV nachhaltig zu zeigen.  Aber okay, das ist ein anderes Thema, über das man Bücher schreiben könnte.

Von daher fassen wir dafür einmal kurz die Umstände zusammen: Der HSV hat finanziell Probleme. Dauerhaft und ohne kurzfristige Besserung in Sicht. Die Einnahmen werden coronabedingt nicht größer – eher im Gegenteil. Trotzdem will man nicht nur aufsteigen, sondern sich auch nach dem Aufstieg in der Ersten Liga etablieren. Im Ergebnis heißt das: Der HSV muss die Talentausbildung zu seinem Herzstück machen. Mehr denn je. Denn die Möglichkeiten, neue Geldquellen zu erschließen, werden nicht mehr, sondern weniger. Fananleihe, Anteilsverkäufe – selbst das Grundstück des Volksparkstadions ist verkauft. Und sportlicher Erfolg, der sich wirtschaftlich auswirkt, ist in der notwendigen Größenordnung tatsächlich erst oben in der Bundesliga zu erzielen. Jetzt kann man überlegen, wie man dort am besten hinkommt.

In den letzten Jahren war die Antwort immer dieselbe: Geld leihen und Qualität kaufen. Jahr für Jahr gab es die Warnungen, dass diese Spirale dem HSV schadet. Aber die Verantwortlichen haben nicht gehört. Einmal war die Verführung des schnellen, großen Geldes bei Klaus Michael Kühne zu groß, das andere Mal wurde es mit sportlicher Notwendigkeit begründet. Aber beide Male waren die Entscheidungen wirtschaftlich betrachtet eine Katastrophe.  Und genau deshalb freue ich mich darüber, dass ein Spieler wie Aaron Hunt diesen Weg einschlägt. Er hat den Weg von Daniel Thioune, vermehrt auf Entwicklung zu setzen, erkannt. Der Thioune-Weg ist einfach nicht mehr der, der hier in den letzten Jahren gegangen wurde. Hunt hat auf sportliche Weise aufgezeigt bekommen, dass er die Rolle des Führungsspielers auf dem Platz nur noch bedingt ausfüllt. Will er bleiben, muss er Abstriche machen. Erhebliche. Zugleich schiebe ich hinter, dass für einen Aaron Hunt nicht viel Geld ausgegeben werden darf. Denn sportlich ist das Ganze diskutabel. Braucht man Hunt im nächsten Jahr überhaupt noch auf dem Platz? Und wie viel darf es den HSV kosten, einen erfahrenen Spieler seiner Kategorie als Backup mehr neben als auf dem Platz zu beschäftigen?

Schwer zu beantworten! Aber egal wie der HSV, Ihr oder ich diese Frage beantworten, so gibt Hunts Vorstoß doch zumindest eine Antwort: Der neue Weg des HSV ist endlich nicht mehr der, alte Spieler auf Teufel komm raus einzubauen. Und das hat lang genug gedauert. Wobei, wenn wir schon dabei sind, dann noch ein schneller Blick auf den Trainingsplatz, den einer heute leider wieder nur für individuelles Training nutzte: Amadou Onana. Der defensive Mittelfeldspieler trainierte zusammen mit dem rekonvaleszenten Jan Gyamerah und droht weiterhin auszufallen. Noch mal leider. Aber andererseits hat auch ein Moritz Heyer zuletzt im Heimspiel gegen Regensburg bärenstark gespielt und bewiesen, dass er die Sechs allein ausfüllen kann.

Morgen dürfen sich alle noch einmal einen Tag lang erholen. Ausspannen, bevor es am Sonnabend und Sonntag noch zweimal zu Trainingseinheiten auf den Platz geht. Ich werde natürlich am Abend wie gewohnt an dieser Stelle berichten. Bis dahin!

Scholle 

Marcus Scholz

Marcus Scholz

Sportjournalist Marcus „Scholle“ Scholz hat sich in mehr als 20 Jahren als HSV-Reporter bundesweit als Gast in renommierten TV-Sendungen einen anerkannten Namen gemacht. Nach „Matzab“ und der „Rautenperle“, die Scholle beide zu digitalen Erfolgen pushte und sogar auf Rang 6 und 7 im nationalen Fußballblog-Ranking platzieren konnte, ist „MoinVolkspark“ sein erster komplett eigener Blog über den HSV. Zusammen mit einem Team aus jungen, hungrigen HSV-Freunden wird dabei auf unterschiedlichen Kanälen über den HSV mit den täglich neuesten News und Entwicklungen in Wort, Bild und Ton berichtet. Scholles Motto allein macht schon deutlich, worum es ihm hier geht: „Ein Tag ohne den HSV ist ein verlorener Tag.“

Über Moin Volkspark

Moin Volkspark – das ist ein Team aus jungen Menschen, die sich seit vielen Jahren mit dem HSV beschäftigen und ihre facettenreichen Fähigkeiten so einbringen, dass hier heute eine Plattform entsteht, die den Anspruch hat, HSV-Freunde und -Interessierte vollumfänglich zu informieren und zu unterhalten.

Das Ganze gepaart mit der Expertise des bekannten Sportjournalisten Marcus „Scholle“ Scholz bietet ein Maximalmaß an objektiver Informationen und  zeitgemäßer Unterhaltung. Ziel ist es, hier frischen, dynamischen Content zu bieten, der sich wohltuend von der allgemeinen Journaille abhebt.

Moin Volkspark ist aber nicht nur ein Ort, um sich zu informieren, sondern soll auch immer ein Ort des Austausches und des Miteinanders sein. Wir wollen eurer Leidenschaft einen Platz im Netz bieten: zum Diskutieren im Forum, zum Mitfiebern bei Live-Events. Und natürlich zum Mitmachen in unseren vielfältig angelegten Video-Formaten. Eure Freude, Eure Trauer, Euer Jubel und Eure Wut haben hier Ihren Platz, solange alles respektvoll formuliert und artikuliert wird.

Moin Volkspark steht für ein leidenschaftliches Miteinander und ist der Zusammenschluss dessen, was eigentlich schon seit langer Zeit zusammengehört.

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